Teil zwei: Vom Schlosswiler Buregieu zum Flugkapitän

Vom ersten Kurs der Fliegerischen Vorschulung zum Kapitän eines Airbus A340. So könnte das turbulente Leben des Schlosswilers Toni Herrmann beschrieben werden. In einem zweiteiligen Artikel berichtet Werner Reber auf BERN-OST über sein Abenteuer mit dem Piloten und informiert über dessen spannenden Werdegang.

Werner Reber, info@bern-ost.ch

Laufbahn als Militärpilot

 

Toni Herrmann, geboren am 27. August 1954, wuchs als Ältester von sieben Buben in der unteren Mühle in Schlosswil auf. Sein Vater war politisch sehr aktiv und bekleidete mehrere öffentliche Ämter (u.a. Gemeindepräsident und Feuerwehrkommandant). So mussten Mutter Margrit und ihre Buben zu Hause zünftig anpacken. Toni entpuppte sich als bester Traktorfahrer weit und breit und brachte es fertig, trotz väterlichem Verbot das Grasfuder rückwärts ins vordere Tenn zu manövrieren. Ob hier wohl bereits sein Feeling für die Fliegerei zum Ausdruck kam?

Nach dem Schulaustritt absolvierte Toni das Gymnasium Kirchenfeld. Als Spät-Achtundsechziger mit einem bisschen Revoluzzerblut in den Adern musste er sich natürlich auch gegen seinen starken Vater behaupten. Ich erinnere mich an eine Gemeindeversammlung, als es darum ging, für den Bau des neuen Kindergartens eine Linde zu fällen. Toni wehrte sich vehement dagegen, wobei es ihm – das sagte er mir später – nicht primär um den Lindenbaum, sondern vielmehr darum ging, seinen Vater am Präsidententisch zu ärgern.

Während der Gymizeit erfolgte dann der erste Kontakt zur Fliegerei, denn zwei Schulkameraden kannten sich in der Fliegerischen Vorschulung aus, der Vorstufe für eine spätere Laufbahn als Militärpilot. Der Zufall wollte es, dass die Beiden heute noch bei der SWISS als Flugkapitäne tätig sind. Toni meldete sich ebenfalls, denn hier bestand die Möglichkeit, gratis fliegen zu lernen. Seine Mutter erinnert sich noch, dass er nach einer bestandenen Prüfung mit dem Töffli heimgekommen und dann vor Freude samt den Kleidern kopfvoran in den Feuerweiher gesprungen sei.

1976 absolvierte Toni die Piloten-Rekrutenschule und die Unteroffiziersschule mit Abverdienen. Nach der Ausbildung auf dem Schulflugzeug Pilatus PC 3 erfolgte die Umschulung auf die Düsenjets Vampire, Venom und Hunter. Ältere Schlosswiler erinnern sich heute noch, als Toni mal eine lautstarke Visitenkarte abgab, indem er mit einem Kampfjet im Tiefflug über das Dorf donnerte. Im Februar 1995 erfolgte eine letzte militärische Umschulung auf den Pilatus PC 9, einem Schlepp- und Zielflugzeug. Sein Letztflug als Militärpilot erfolgte im Dezember 1999 nach 1’297 Flugstunden und 2180 Landungen. Danach war Toni Herrmann noch fünf Jahre lang Flugdienstleiter auf dem Flugplatz Dübendorf.

 

Der Weg zum SWISS-Langstreckenkapitän

 

Nach der Matur studierte Toni Herrmann zwei Semester Jura an der Universität Bern und immatrikulierte sich später für ein weiteres Semester, als er von der damaligen SWISSAIR das Angebot für eine Ausbildung zum Linienpiloten erhielt, welchem er nicht widerstehen konnte. Diese Linienpilotenschule begann im Februar 1978 mit zwei Monaten Ausbildung in Florida. In Florida deshalb, weil man in der Schweiz mit solchen Ausbildungsmöglichkeiten sehr restriktiv war und die Flugplätze mit der benötigten Infrastruktur schlichtweg nicht zur Verfügung standen.

1979 trat er dem Pilotenkorps der SWISSAIR bei und ab April war er bereits als Co-Pilot auf der DC 9 im Streckendienst. Vorgängig verbrachte er noch eine Woche auf Malta, um sich mit diesem Flugzeugtyp vertraut zu machen. Von nun an erklomm er die Karriereleiter Schritt um Schritt. 1984 folgte der Umschulungskurs zum Co-Piloten auf der Boeing 747 (Jumbo), und am 12. April 1992 schloss er seine Kapitänsausbildung auf der MD 80 ab.

Damit war aber das Ende der Karriereleiter noch nicht erklommen. Im August 1995 erwarb Toni Herrmann das Kapitänspatent auf dem Airbus A320, und später den Langstreckenkapitän auf der MD 11. Und schlussendlich, als krönender Abschluss einer glanzvollen Karriere, das Kapitänspatent auf dem Airbus A330 und A340. Bei seiner Pensionierung am 31. August 2014 wies Toni’s Logbuch 18'955 Flugstunden und 5’544 Landungen mit Zivilflugzeugen auf, und das ohne nennenswerten Zwischenfall. Eine respektable Leistung.

 

Bleibt da bei so viel Engagement für die Fliegerei noch Zeit für ein geregeltes Familienleben? «Mitnichten», erklärte mir Toni Herrmann. «Am 27. Februar 1982 heiratete ich Elisabeth Strahm aus Grosshöchstetten, wo deren Vater Geschäftsführer der LANDI war. Unserer Ehe entsprangen die beiden Söhne Oliver (*1982) und Marcel (*1984), welche beide eine akademische Laufbahn einschlugen. 1983 konnten wir dann unser neues Einfamilienhaus in Weisslingen in der Nähe von Winterthur beziehen.»

 

Spezielle Erlebnisse

 

Ein dunkles Kapitel in der Geschichte der SWISSAIR war deren Grounding im Oktober 2001, das Toni Herrmann hautnah miterlebte. «Das isch schon o verruckt gsi. Ich war mit meiner Crew gerade in Tokyo, und unser Flugzeug ist mit einer anderen Besatzung zurückgeflogen, als die Hiobsbotschaft bei uns eintraf. Unterdessen waren auch unsere Kreditkarten gesperrt, denn die SWISSAIR konnte die geforderten 200 Millionen nicht überweisen. Zum Glück war gleichzeitig eine Maschine der belgischen SABENA, unserer damaligen Tochtergesellschaft, vor Ort, deren Crew uns dann – ohne Tickets notabene – zurück nach Brüssel mitnahm. Von da aus sind wir mit dem Zug in die Schweiz zurückgereist.»

Toni Herrmann hatte in dieser turbulenten Zeit das Glück, seine Stelle nicht zu verlieren, denn als die Aera SWISSAIR zu Ende ging, bekam er fast gleichentags bei der neugegründeten SWISS eine Anstellung; finanziell zwar schlechter gestellt, aber das war in dieser Situation auch kein Thema. «Wir waren und sind heute noch dankbar, dass das Ganze für uns so glimpflich abgelaufen ist.»

 

Ob er während seiner Karriere auch etwa Promis an Bord hatte, wollte ich von Toni Herrmann wissen. «Natürlich, jede Menge. Staatsmänner, Bundesräte, Filmstars, bekannte Models, Skirennfahrer, Formel-1-Piloten usw. An ein Ereignis erinnere ich mich noch besonders: Im November 2005 hatten wir unsere Fussball-Nationalmann­schaft auf einem Flug nach Istanbul an Bord, wo ein WM-Ausscheidungsspiel gegen die Türkei stattfand. Daraus wurde ein richtiges Skandalspiel, und die Schweizer Spieler wurden schon am Flugzeug mit dem Slogan Welcome to Hell empfangen.

Nach dem Spiel, das die Schweiz übrigens gewann, liefen unglaubliche Szenen ab, unsere Spieler wurden von den fanatischen Fans bis in die Katakomben des Stadions verfolgt, und es gab sogar Verletzte. Auf dem Heimflug war dann die gleiche Kabinen-Crew an Bord, welche für unsere Nati ein spezielles Tischset schuf mit der Aufschrift Welcome to Heaven».

 

Aktives Rentnerleben in Sicht

 

Dann nahte der letzte Flug, der Toni Herrmann mit seiner Crew am 21. August 2014 nach San Francisco führte. Mit an Bord waren auch seine Ehefrau Elisabeth, sein Sohn Oliver und seine Schwiegertochter Eli. Der 12-Stunden-Flug führte auf einer sehr nördlichen Route mit einer Traumsicht auf die Gletscher und Fjorde im Norden Grönlands. Am 22. August lud Kapitän Herrmann seine gesamte Crew zu einer zweistündigen Schifffahrt mit Wein-Degustation in der Bay of San Francisco mit anschliessendem Nachtessen in der Stadt ein.

Der emotionalste Teil dieses letzten Fluges begann damit, dass Toni Herrmann und seine Gemahlin mit einer Privatlimousine zum Airport gebracht wurden. Abflug und Landung in Zürich erfolgten minutengenau, und der Airbus A340 mit dem Rufzeichen HB-JMJ wurde durch Kapitän Herrmann selber pilotiert. Eine spezielle Würdigung des scheidenden Kapitäns hatten sich die SWISS-Verantwortlichen ausgedacht, indem sie den Flug SWISS 39 ab Frankreich kurzerhand auf TONI 39 umbenannten, und als weitere Ehrung wurde das Flugzeug nach der Landung durch einen Wasservorhang der Feuerwehr geführt.

Nach den letzten Worten des Kapitäns erfolgte die sehr emotionale persönliche Verabschiedung der Passagiere mit Handschlag, wobei auch viele «tröstende» Worte gefallen sind. Mit einem Champagner-Apéro im Operationszentrum der SWISS vor versammelter Crew, Familie und Freunden und einer Laudatio und Geschenkübergabe durch den Chefpiloten Ola Hannson ging dieser denkwürde Tag und damit die Fliegerlaufbahn von Toni Herrmann zu Ende.

 

Langweilig wird es Toni und Elisabeth Herrmann aber deswegen nicht, denn Toni hatte sich bereits seit ein paar Jahren auf diesen Tag vorbereitet, indem er sein Arbeitspensum sukzessive verringerte. Seit Jahren schon sind beide passionierte Golfspieler (Tonis Handicap liegt bei 17,1), und ab Mitte September beginnt bereits wieder die Curling-Saison. Seit 18 Jahren ist Toni Präsident des Curling Club Weisslingen. Dazu kommen Wandern in den Bergen, Jogging und Fitness, Haus und Garten, Familie und Freunde, kurzum alles, was das Rentnerdasein so lebenswert macht. Unsere besten Wünsche begleiten Toni und Elisabeth Herrmann in den wohlverdienten aktiven Ruhestand.

Zum ersten Teil...


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Erstellt: 07.09.2014
Geändert: 07.09.2014
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