Worblental - Munteres Gerede über Wörter
Sie fallen auf und sorgen für Gesprächsstoff: die Riesenbuchstaben, die in der Landschaft stehen. Matthias Zurbrügg hat die Wörter ins Worblental geschrieben. Sie sollen zum Denken anregen – und zum Schmunzeln.
Von weitem leuchtet am Waldrand ein Wort aus gelblichen Buchstaben: BOLLYWOOD. Riesig. Alles in Grossbuchstaben. Das Wort steht am Dentenberg, also in Boll. Es erinnert an den berühmten Schriftzug hoch über Hollywood. Und natürlich an die indische Filmproduktion.
Listige Verwirrspiele mit Worten sind im ganzen Worblental anzutreffen. Gut zu erkennen sind einige der Wörter im RBS-Zug zwischen Bolligen und Worb. Und sie geben zu reden: «Was soll das?», hört man sagen, oder: «Schau mal, das ist witzig.» Kein Wunder, kommen die Leute ins Grübeln. Etwa, wenn über dem ehemaligen Scheibenstand bei Sinneringen «Mensch» steht. Oder vor der Silhouette des Bantigerturms «Injektion». Tatsächlich: Aus dieser Perspektive sieht der Turm fast aus wie die Nadel einer Spritze.
Landschaftsschriftsetzer?
Hinter der Aktion steht Matthias Zurbrügg (46) aus Utzigen. Seit zehn Jahren inszeniert der Schauspieler mit seiner Partnerin Christine Ahlborn Theaterspaziergänge, die vor allem in der Stadt Bern stattfinden. Doch statt einen neuen Spaziergang zu kreieren, stellte er heuer die 31 Wörter in die Landschaft. «Horizonte 2016» heisst das Projekt. Es dauert noch bis 20. November. «Ich kann nicht genau sagen, was es ist», sagt Zurbrügg. «Eine Ausstellung? Ein Wortwerk?» Er frage sich manchmal auch, was er sei. «Ein Schreiberling? Oder ein Landschaftsschriftsetzer?»
Den Weg entdecken müssen
Angelegt ist das Projekt als Wanderung entlang der Worble. Besonders im unteren Worblental sind die Wörter von der Strasse oder der Bahn aus kaum zu sehen. Eine Broschüre mit der Wegbeschreibung und den Standorten hilft dabei, alle Wörter zu finden. Welche Wörter an der Strecke zu sehen sind, steht nicht in der Broschüre. «Der Wanderer soll sie entlang des Weges entdecken», sagt Zurbrügg. Jeweils am Sonntag stehen in Worb Kaffee und Gebäck bereit, auf halber Strecke Essen und Musik, und in Worblaufen ist das Bistro des Künstlers Gamelle geöffnet. Für die dreizehn Kilometer lange Strecke muss man etwa vier Stunden einplanen. Der Weg kann aber auch in Teilen zurückgelegt werden.
Viele Reaktionen
Die Wörter haben viele Reaktionen ausgelöst. «Die Leute beginnen zu überlegen und zu diskutieren», hat Zurbrügg bemerkt. «Sie fragen sich, was dahintersteckt.» Zum Beispiel die Wörter blau, gelb und rot, die in falschen Farben gemalt sind. Erst beim genauen Lesen bemerkt man, dass es nicht gelb, sondern Geld heisst. Oder die Botschaft «New Worb» hoch über der modernen Wohnsiedlung Sonnhalde. Matthias Zurbrügg hat schon unzählige Komplimente erhalten. «Ich bin begeistert, wie unsere Arbeit ankommt und zum Denken anregt.»
Ganz einfach zu realisieren war die Installation nicht. Zurbrügg erzählt von den Bewilligungen, die er einholen musste, bei Landbesitzern und Behörden. Zuerst wurde ihm gesagt, das Ganze sei nicht machbar. Doch dann erklärte man sich bereit, eine temporäre Baubewilligung für alle Standorte zu erteilen. Das Budget des Projekts beläuft sich auf 120 000 Franken. Sponsoren zu finden, war ein Muss. Das ist auch gelungen, ob die Rechnung aufgeht, ist aber noch ungewiss.
«Wunderschönes Erlebnis»
Eine Herausforderung waren auch Produktion und Platzierung der 181 Buchstaben. Die meisten sind aus Holz und zwischen einem und vier Metern hoch. Zurbrügg hat sie mit einem Zimmermann konstruiert. Daneben gibt es Wörter aus Metall, Beton oder auch Fahnen und Stoffbahnen. Es habe sich gelohnt, sagt Matthias Zurbrügg. «Es ist ein wunderschönes Erlebnis, ein Geschenk ans Worblental.» In gut drei Wochen beginnt der Abbau. Was mit den Buchstaben geschieht, steht noch nicht fest. Einen Teil werde er wohl verkaufen, sagt Zurbrügg. Ob er ein ähnliches Projekt in Angriff nimmt, weiss er noch nicht. Er wiegt den Kopf hin und her: «Irgendeinmal vielleicht schon.»
Die Broschüre wird in Läden des Worblentals und der Bäckerei Reinhard im Bahnhof Bern verkauft (10 Fr.). Infos: www.horizonte2016.ch