Worber Roger Bertsch: Wie aus einem "Schlumpf" wieder ein selbstloser Ritter wird
Der Worber Roger Bertsch saniert das Bubenberg-Denkmal am Hirschengraben. Es ist eine Millimeterarbeit, denn Russ, Rost und Vogeldreck haben die Konturen und Verzierungen teilweise unkenntlich gemacht.
Patientenname: Adrian von Bubenberg. Diagnose: altersbedingte Russ- und Rostflecken, Verwitterung und Verkrustung, grossflächig vor allem an Rumpf und Kopf. Behandlung: fräsen, pinseln, polieren und vor allem: warten. Wenn Roger «Röschu» Bertsch über seine Arbeit spricht, klingt er wie ein Arzt, der sein Gegenüber auf Herz und Nieren geprüft und nun einen vielversprechenden Heilungsprozess eingeleitet hat. Nur dass sein Patient nicht aus Fleisch und Blut besteht, sondern aus Bronze. Der Metallplastiker und gelernte Schlosser ist derzeit daran, im Auftrag der Stadt Bern das Bubenberg-Denkmal beim Hirschengraben zu sanieren.
Russ, Rost und Vogeldreck
«Das ist nicht etwa Grünspan, sondern eine Patina», erklärt Bertsch und zeigt auf die Bronzestatue, die von einem Grünschimmer überzogen ist. «Patina ist die Oberflächenschicht, die man anbringt, um die Bronze zu schützen.» Im Fall Bubenberg hat diese über die letzten Jahrzehnte arg gelitten: «Die schwarzen Flecken stammen aus der Zeit, als man hier in Bern noch mit Kohle heizte und das Tram mit Dampf angetrieben wurde.» Dazu gesellten sich über die Jahre Vogeldreck und Roststaub.
«Die Schmutzschicht war bis zu drei Millimeter dick», sagt Bertsch. «Bevor ich die Skulptur behandelt habe, sah dieser Bubenberg von hinten aus wie ein Schlumpf: bläulich statt grün.» Er schliesst daraus, dass das Denkmal seit seinem Umzug 1930 nicht mehr gereinigt wurde. Da schrillen beim Restaurator die Alarmglocken. «Solche Denkmäler sind von einem unschätzbaren Wert: Meisterkünstler und Meistergiesser haben sie geschaffen, das kann man sich heute kaum mehr leisten.» Seit Ende Mai kommt Bertsch fast täglich hierher und wandert mit seinen Augen die Skulptur auf und ab. «Wo immer möglich möchte ich die ursprüngliche Patina erhalten.» Im Idealfall heisst das, dass er die Grüntöne auffrischt und anpasst. Doch das ist wesentlich komplizierter, als es klingt: Die Patina schützt nicht nur die Bronze. Sie dient auch dazu, Vertiefungen optisch hervorzuheben – der Statue also gewissermassen «etwas Leben einzuhauchen». An den Unterarmen strebt er etwa ein tiefes Olivgrün an, andere Stellen sollen Antikgrün werden.
Das perfekte Zusammenspiel der Grüntöne erfordert exakte Vorbereitungen mit viel Fingerspitzengefühl: Bertsch bepinselt die zerrütteten Stellen, meist nicht mehr als einige Quadratzentimeter auf einmal, mit einer Lösung aus basischen Kupfersalzen. Diese muss mit der feuchten Atmosphäre abgebunden werden. Dann kommt das Bürsten und Polieren. «Diese Vorgänge muss ich so oft wiederholen, bis ich den gewünschten Grünton erreiche», sagt Bertsch. «Aber Bronze ist unberechenbar – das Metall reagiert auf dieselbe Behandlung jeweils sehr unterschiedlich.»
Klima verzögert Sanierung
Zum Freilegen von Schmutz und Rost greift Bertsch zum Schleifgerät. «Ich muss dann die Patina Schicht um Schicht rekonstruieren.» Sind die gewünschten Grüntöne einmal erreicht und bleiben sie stabil, kann er die Oberfläche versiegeln. «Man wärmt das Metall mit dem Gasbrenner auf und trägt einen Hartwachs auf. Das hält dann mehrere Jahre.» Zu schaffen macht ihm aber die Trockenheit. Denn ohne genügend Luftfeuchtigkeit laufen die chemischen Reaktionen nicht wie gewünscht ab. Die Sanierungsarbeiten verzögern sich deshalb. Sie dauern bis im September, dies hat auf Anfrage auch Hochbau Stadt Bern bestätigt.
Dass das Bubenberg-Denkmal nicht noch stärker beschädigt ist, liegt laut Bertsch an der Legierung, aus dem der Verteidiger von Murten 1897 in Paris gegossen wurde. «Die Bronze besteht zu 84 Prozent aus Kupfer, dazu kommen 15 Prozent Zinn und etwas Zink. So muss es sein.» Dies sei nicht immer der Fall, etwa beim Welttelegraphen-Denkmal am Helvetiaplatz, das Bertsch vor einigen Jahren sanierte. Es wurde während des Ersten Weltkrieges aus einem abenteuerlichen Metallmix gefertigt: Dachrinnen aus Blei, Kirchenglocken aus Messing. «Die Ressourcen waren knapp; man hat alles eingeschmolzen, was man auftreiben konnte.»