Worb/Bern - «Das Quietschtram ist ein grosses Flickwerk»

Diese Woche will der RBS informieren, wie der Lärm des 6er-Trams verringert werden soll. Gegenwärtig werden neue Räder getestet. Weissenbühl-Bewohner und Tramkenner Roland Janz (69) bleibt skeptisch.

Jürg Spori, Berner Zeitung BZ

Herr Janz, können Sie als Anwohner gut schlafen mit dem Quietschtram?
Roland Janz: Weil ich ein gutes Gewissen habe, schlafe ich sehr gut. Doch am Morgen wache ich in der Regel wegen des Lärms des blauen Bähnlis auf. Von anderen Brunnmatt-Bewohnern weiss ich, dass sie mit dem Lärm grosse Probleme haben. Und wenn ich auf dem Balkon telefoniere und das Bähnli vorbeifährt, höre ich meine Gesprächspartner nicht – und sie mich auch nicht.

Die Brunnmatt-Bewohner sind also immer noch aufgebracht?
Ja. In diesem Zusammenhang möchte ich Baudirektorin Regula Rytz ein grosses Kränzchen winden, weil sie das Lärmproblem erkannt hat und die Quartierbewohner beruhigt.

Wie denn?
Indem sie sagte, dass diese alten RBS-Fahrzeuge im innerstädtischen Raum nicht geeignet sind. Diese Aussage von Frau Rytz unterstütze ich voll. Ich habe für die Firma Siemens gearbeitet, welche Trams herstellt. Deshalb weiss ich, dass sie das falsche Rollmaterial sind.

Weshalb?
Man kann doch nicht ein 40 Jahre altes Bähnli auf Schienen fahren lassen, die für moderne Trams ausgelegt sind.

Warum denn nicht?
Weil die modernen Combinos und das veraltete blaue Bähnli verschiedene Radprofile haben. Hinzu kommt, dass das blaue Bähnli Starrachsen hat, das Combino hingegen Einzelradaufhängung.

Weshalb ergibt das Probleme?
Wenn das blaue Bähnli mit der Starrachse durch eine Kurve fährt, dreht das innere Rad leicht durch. Das äussere Rad erzeugt im Radius einen gewaltigen Aussendruck gegen die Schienenwand. Deshalb quietscht es in der engen Kurve beim Zytglogge besonders laut. Der Radius dort ist übrigens einer der engsten in ganz Europa.

Der grosse Druck der Räder auf die Gleise und die Starrachsen sind also schuld am Quietschen des blauen Bähnlis?
Ja, genau. Doch auch das höhere Gewicht des blauen Bähnlis, das leer 45,6 Tonnen wiegt, trägt dazu bei. Das moderne Combino-Tram ist immerhin fast 10 Tonnen leichter. Ich vermute, die Räder des blauen Bähnlis beschädigen sogar die Geleise. Hohe Folgekosten für Geleise-Erneuerungen sind deshalb möglicherweise nur noch eine Frage der Zeit.

Ist also die quietschende 6er-Linie ein Flop?
Das kann man ruhig sagen.

Und wie kann dieser Bähnliflop behoben werden?
Jedenfalls nicht mit dem Ölpintli, mit dem gegenwärtig Tramtechniker vor dem Zytglogge die Schienen schmieren. Das ist alles Flickwerk und Pflästerlistrategie.

Nächste Woche will der RBS die Ergebnisse der Tests mit den neuen Rädern für das blaue Bähnli bekannt geben. Was erhoffen Sie sich davon?
Ich bin skeptisch – doch ich warte die Resultate einmal ab. Ich befürchte, dass für diese Pflästerli-strategie viel unnützes Geld ausgegeben wird.

Was schlagen Sie denn vor, um das Problem zu lösen?
Es gibt es nur eine Lösung: Statt auf dem Buckel der Steuerzahler unnützes Geld für ein Flickwerk auszugeben, müssen neue, moderne Trams angeschafft werden. Gegen eine Linienführung von Worb bis ins Fischermätteli mit geeignetem Rollmaterial ist nichts einzuwenden.

Lärmproblem

Zum Quietschtram-Problem geäussert hat sich jetzt auch die Stadtberner Verkehrsdirektorin Regula Rytz (GB): Eigentlich sei die neue Linie 6 ein grosser Erfolg, sagt sie.

Bernmobil stelle einen Zuwachs an Fahrgästen fest. «Leider wird die positive Entwicklung durch das Lärmproblem überschattet», schränkt Rytz jedoch ein. Die alten RBS-Fahrzeuge seien für den innerstädtischen Raum nicht geeignet. «Wenn wir das Lärmproblem nicht in den Griff kriegen, müssen wir meiner Meinung nach die Linie kappen.»

Dann würde das blaue Bähnli nur noch bis zum Casinoplatz fahren, bis es durch neue Trams ersetzt wird.

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Erstellt: 28.02.2011
Geändert: 28.02.2011
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