Worb - Spitzengeschirr für Spitzenköche

Er übt seinen Beruf seit über 40 Jahren aus – und hat nicht vor, damit aufzuhören. Martin Freiburghaus ist Töpfer aus Leidenschaft. Und er hat sich in der Gastronomie einen Namen gemacht. Viele Starköche lassen ihr eigenes Geschirr bei ihm herstellen.

Annic Berset, Berner Zeitung BZ

Martin Freiburghaus sitzt in seinem Atelier vor einem Klumpen Ton. Beige, nass, unscheinbar sieht die Kugel aus. Dass nur drei Minuten später eine feine Vase daraus werden soll, ist schwer vorstellbar. Und doch – urplötzlich – entsteht durch seine vielen geübten Handgriffe ein filigranes Gebilde fast wie aus dem Nichts.

Schnelle Verwandlung

«Alles beginnt ganz einfach, nämlich damit, dass ich den Klumpen auf meine Drehscheibe ‹tätsche›», erklärt der Worber Töpfer lachend. Das ist aber der erste und einzige Schritt, bei dem es auch mal grob zu und her gehen kann. Nachdem Freiburghaus seine Hände befeuchtet und die Scheibe zum Drehen gebracht hat, drückt er mit den Fingern eine Kuhle in den Ton. Dann folgt der spannendste Handgriff: Der 58-Jährige «begleitet» das weiche Material mit seinen Händen in die Höhe, innerhalb von einigen Sekunden entsteht dabei die Rohfassung einer Vase.

Ist Martin Freiburghaus mit der Weite des Gefässes zufrieden und hat er den Hals so geformt, wie er ihn haben möchte, muss er die Form von der Drehscheibe lösen. Das gelingt mit einem Draht. Würde jemand die Vase zu diesem Zeitpunkt umstossen, ginge sie sofort wieder kaputt, denn der Ton ist in diesem Zustand sehr weich. «Und würde ich das Gefäss jetzt ins Wasser legen, würde es sich auflösen», erzählt Martin Freiburghaus.

Schwieriger Anfang

Im Kanton Bern lebten nicht viel mehr als eine Handvoll Töpfer von ihrem Beruf, sagt Freiburghaus. Der Worber selbst hat sich schon sehr früh dafür entschieden, zu diesen Berufsleuten gehören zu wollen. «Die Faszination am Handwerk hat mich schon als Jugendlichen gepackt.» Mit 15 Jahren heuerte er bei einem Keramikstand an und half fortan auf dem Markt beim Verkauf von Geschirr und Vasen mit. Schliesslich war es die Chefin, die ihn dazu motivierte, eine Lehre als Töpfer zu beginnen.

1980 beendete Freiburghaus seine Ausbildung – und machte sich sogleich selbstständig. «Die ersten fünf Jahre waren aber nicht einfach», gibt er zu. Es habe durchaus Zeiten gegeben, wo das Geld nur noch für Material gereicht habe, fürs Essen aber nicht. «Damals war ich umso mehr auf ein gutes soziales Umfeld angewiesen.» Im Tausch für das eine oder andere Mittagessen, mit dem ihm Freunde aushalfen, schenkte der Töpfer ihnen Teile aus seinen Kreationen. «Das hat immer sehr gut funktioniert.»

Freiburghaus überstand die schwierigen Anfangsjahre, etablierte sich in der Töpferszene. «Ich konnte immer von meiner Leidenschaft leben, habe aber auch nie viel zum Leben für mich gebraucht», sagt er. Gleichzeitig ist er sich bewusst: «Mit Kindern wäre es nicht gegangen.»

Nur einmal, zehn Jahre nachdem sich der Worber selbstständig gemacht hatte, stand für sein Atelier eine so grosse Investition an, dass er das Töpfern unterbrechen musste. «Den Brennofen für 40 000 Franken konnte ich mir nicht leisten. Wenn ich aber mit meinem Beruf weitermachen wollte, musste ich ihn haben.» Also meldete sich Freiburghaus beim Bau und arbeitete dort so lange, bis er die Summe für die Maschine zusammenhatte. «Wenn man sich zu helfen weiss, funktioniert fast alles.»

Heisser Ofen

Der 58-Jährige wendet sich unterdessen wieder dem Klumpen Ton zu, der mittlerweile in Vasenform vor sich hintrocknet. In zwei Tagen kann er für die Vase einen Fuss fertigen, dann wird sie nach einer weiteren Trockenzeit im 1000 Grad heissen Ofen vorgebrannt. Später wird das Gefäss glasiert und mit Materialien wie Kupfer oder Kobalt gefärbt. Nach einer zweiten Nacht im noch heisseren Ofen wird die Vase fertig sein und sich zum feinen Geschirr im Atelier gesellen. Zu den kleinen Schälchen für die asiatische Küche, den Anrichteplatten, den Tellern und Tassen in erdigen Farbtönen, jedes Teil mit individuellem Charakter.

Grosse Namen

Auf das Geschirr des Worbers sind schon vor einigen Jahren bekannte Namen aufmerksam geworden. Der erste war der Lysser Spitzenkoch und Weltmeister Ivo Adam. «Er kam an meinen Stand auf dem Berner Weihnachtsmarkt und hat meine Keramik begutachtet», erzählt Freiburghaus. Wenig später habe Adam eine eigene Geschirrreihe für sein Restaurant bestellt. Die 1000 Teile, die es anzufertigen galt, bedeuteten für den Einmannbetrieb acht Monate Arbeit.

Bald machte der Name des Worbers die Runde, weitere Starköche wie Markus Arnold, die Betreiber der Eisblume in Worb, des Moments in der Berner Altstadt oder die Schweizer Nationalmannschaft der Köche bestellten ein nach speziellen Wünschen zusammengestelltes Geschirrset, machten bei Kochwettbewerben wie Olympia mit oder statteten ihr Restaurant aus. Aktuell arbeiten 15 Betriebe aus der hohen Gastronomie mit Geschirr von Freiburghaus. Aber warum vor allem aus der gehobenen Küche? «Auf die Präsentation wird grosser Wert gelegt, das Auge isst vielleicht noch etwas mehr mit», mutmasst der Töpfer. Das individuelle Geschirr verleihe auch der Küche der jeweiligen Köche noch mehr Einzigartigkeit.

Und einzigartig sei sein Beruf wie kein zweiter, ist sich Martin Freiburghaus sicher. «Wenn ich mit meinen Tonklumpen etwas kreieren kann, bin ich einfach glücklich, und an die Pensionierung denke ich kein bisschen.»


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Erstellt: 28.03.2018
Geändert: 28.03.2018
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