Worb - Rentner will die Haft nicht antreten

Ein 76-Jähriger muss für 18 Monate ins Gefängnis, weil er betrunken in Worb einen Knaben totgefahren hat. Jetzt will er die Haft verschieben, wegen schlechter Gesundheit. Nach dem Obergericht geht der Fall nun ans Bundesgericht.

Hans Ulrich Schaad, Berner Zeitung BZ
Der Fall von Anfang November 2011 erschütterte. In Worb wurde ein 10-jähriger Knabe mit seinem Trottinett auf einem Fussgängerstreifen von einem Auto erfasst und schwer verletzt. Am gleichen Abend ist er im Spital gestorben. Der Unfallfahrer machte sich aus dem Staub, konnte aber zwei Stunden später angehalten werden, als er wegen schlenkernder Fahrweise fast mit einem Polizeifahrzeug kollidierte. Er hatte knapp zwei Promille intus.

Zuerst bestritten

Das Regionalgericht Bern-Mittelland verurteilte den Rentner im Juni 2014 wegen fahrlässiger Tötung und mehrerer Strassendelikte zu einer Gefängnisstrafe von 40 Monaten. Der Angeschuldigte bestritt seine Schuld stets. Aufgrund von Zeugenaussagen und insbesondere wegen eines sogenannten morphometrisch-rekonstruktiven Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der Uni Bern sah das Gericht die Schuld des Rentners zweifelsfrei als erwiesen an.

Der Rentner zog das Urteil weiter ans Obergericht. Dort ging es nur noch um das Strafmass, denn inzwischen gestand er ein, dass er der Unfallfahrer gewesen sei. Als er durch Worb gefahren sei, habe er ein Rumpeln bemerkt, dies jedoch nicht als Kollision wahr­genommen.
 

Das Obergericht des Kantons Bern reduzierte im August 2015 die Strafe auf 36 Monate, 18 Monate davon unbedingt. Der Gang vor Bundesgericht zahlte sich für den Unfallfahrer nicht aus. Es bestätigte das Urteil des Ober­gerichts Anfang Oktober 2016.

Aufgebot kam umgehend
 

Obwohl seit über 15 Monaten ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, hat der verurteilte Rentner noch keinen Tag seiner unbedingten Strafe abgesessen, wie aus einem Urteil des Obergerichts hervorgeht. Zwar erhielt er noch im Oktober 2016 das Aufgebot des Amts für Justizvollzug. Er sollte Mitte Januar 2017 im Regionalgefängnis Bern seine Strafe antreten. Dagegen wehrt er sich seither.

Aufgrund seines Gesundheitszustandes sei er nicht hafter­stehungsfähig, argumentiert er in seinen Eingaben an die Militär- und Polizeidirektion (POM) sowie ans Obergericht. Er sei seit längerer Zeit invalid, nicht geh­fähig und habe seinerzeit eine volle Invalidenrente bezogen. So müsse nach dem Ersatz des linken Kniegelenks auch das rechte ersetzt werden.

Leben sei gefährdet
 

Er schreibt von einer Lungen­entzündung und einer stets drohenden Embolie. Auch am Rücken bestehe eine schmerzhafte Skoliose. Ihm müsse «morgens in die Kleider geholfen werden, selbstständig sei das nicht möglich». Die notwendige medizinische und physiotherapeutische Betreuung könnte unter Haft­bedingungen nicht erbracht werden. Der Strafvollzug im gegenwärtigen Zustand «gefährde sein Leben mit beträchtlicher Wahrscheinlichkeit erheblich».
 

Mit diesen Argumenten ist der gut 76-Jährige weder bei der POM noch vor Obergericht auf Gehör gestossen. Sie haben die Beschwerden jeweils abgewiesen. Es müssten ausserordentliche persönliche, familiäre oder berufliche Verhältnisse vorliegen, damit jemand seine Strafe verschieben könne. Der Ermessensspielraum der Vollzugsbehörde sei gemäss bundesge­richtlicher Rechtsprechung sehr beschränkt aufgrund des öffent­lichen Interesses am Vollzug rechtskräftiger Strafen.

Stellt sich hilfloser, als er ist

Im Urteil des Obergerichts heisst es weiter, dass die Pflege und die Heilung eines kranken Strafgefangenen grundsätzlich im Rahmen des Vollzugs zu erfolgen habe, die medizinische Betreuung sei sichergestellt. Selbst eine Operation könne vorgenommen werden, falls dies notwendig sei. Die genannten gesundheitlichen Probleme würden allenfalls den Vollzug erschweren. Die POM schrieb in ihrem Beschwerdeentscheid, dass der Mann «offenbar dazu neigt, sich hilfloser zu präsentieren, als er tatsächlich ist».

Schwere Straftat

Das Obergericht stützt die POM bei ihrem Entscheid, dass dem Vollzug der Strafe selbst dann nichts entgegenstehe, wenn man von einer beträchtlichen Ge­fährdung der Gesundheit während der 18 Monate ausgehe. Denn die begangene Straftat sei durchaus «von einer gewissen Schwere».

Damit ist das letzte Wort in dieser Causa noch nicht gesprochen. Wie aus dem Urteil des Ober­gerichts hervorgeht, hat der Rentner den Entscheid ans Bundesgericht weitergezogen.

Siehe auch News-Bericht:

Worb - Bub zu Tode gefahren - Rentner muss definitiv ins Gefängnis vom 14.10.2016
Unfall in Worb: Obergericht reduziert die Strafe vom 28.8.2015


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Erstellt: 02.02.2018
Geändert: 02.02.2018
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