Worb - Paar lässt den Glücksvogel verenden

Bei einer tamilischen Hochzeit liessen die Brautleute zwei Wellensittiche fliegen. Weil sich niemand um sie kümmerte, starb der eine, der andere fast. Der Bräutigam sollte ein Busse zahlen, jetzt wurde er freigesprochen.

Herbert Rentsch / Berner Zeitung BZ

Der Tamile hatte die Rechnung ohne die Justiz gemacht. An seinem Hochzeitsfest zelebrierten er und seine Frau einen Brauch, der in ihrer Heimat Sri Lanka häufig ist. Benötigtes Zubehör: drei Hochzeitstorten, zwei Wellensittiche. Bei der Zeremonie werden die Vögel beim Anschneiden der Torte aus ihrem Käfig frei gelassen – ein Symbol für Glück und die Freiheit des Ehepaares.


Zeremonie mit Nachspiel

Im Bärensaal Worb stand am besagten Hochzeitssamstag im Juli 2012 alles bereit: zwei Torten aus Styropor, aber so schön verziert wie die essbare dritte, und ein Käfig mit zwei – echten – Wellensittichen. Als die Torte angeschnitten war, lösten die Brautleute die Schlaufe am Käfigtörchen, und die Vögel flogen in den Saal. Brachte es Glück? Klar ist: Der Vorgang bescherte ihnen Umtriebe, Geldforderungen und ein gerichtliches Nachspiel.

Am Tag nach dem Fest verreisten die Frischvermählten in die Flitterwochen nach Italien. Am gleichen Sonntag sollte die Frau, welche Torte und Wellensittiche organisiert hatte, das Material im Bärensaal abholen. Über die befreiten Vögel war gar nicht gesprochen worden, wie gestern bei der Verhandlung am Regionalgericht Bern-Mittelland klar wurde. Aber es suchte beim Abräumen auch niemand nach ihnen.

Am Montag nach der Hochzeit lag einer der Wellensittiche tot im Saal, der andere lebte noch, war aber wegen Flüssigkeitsmangels stark angeschlagen. Jetzt begannen die Mühlen der Justiz zu mahlen. Der Ehemann wurde nach seinen Flitterwochen polizeilich befragt. Später stellte die Staatsanwaltschaft dem Tamilen einen Strafbefehl zu. Er wurde beschuldigt, fahrlässig gegen das Tierschutzgesetz verstossen zu haben: «Als Besteller und damit Verantwortlicher hat er die Vögel pflichtwidrig und unvorsichtig zurückgelassen», heisst es im Papier.

Ausgesprochen wurde eine bedingte Geldstrafe von 1600 Franken und eine Busse von 400 Franken. Zudem sollte er Auslagen der Justiz von 500 Franken berappen.

Gestern stand der Mann aus der Region Bern vor Gericht, weil er gegen den Strafbefehl Einsprache erhoben hatte. Der Termin fiel ausgerechnet auf seinen 33. Geburtstag. Und: Am Montag hatte seine Frau ein Mädchen geboren. Als der Mann dies erwähnte, entschuldigte sich Gerichtspräsidentin Salome Krieger. «Normalerweise laden wir Leute nicht an ihrem Geburtstag vor.»

Bräutigam ist unschuldig

Die Antworten des Beschuldigten auf die Fragen der Richterin zeigten: Er ging an seinem Fest davon aus, dass die Frau mit den Torten und Wellensittichen – sie stammt ebenfalls aus Sri Lanka – für den Abtransport der Vögel verantwortlich war. Sie aber sagte, sie habe gedacht, die Hochzeitsleute würden die Vögel nach Hause nehmen oder sie ins Freie lassen. Dass Wellensittiche in der Schweiz draussen nicht überleben, hatte die Frau nicht bedacht.

Salome Krieger entschied auf Freispruch. Der Tamile habe nicht gegen das Tierschutzgesetz verstossen. Er sei davon ausgegangen, die Vögel würden abgeholt. Der Mann erhält seine Anwaltskosten entschädigt. So hat er an seinem Geburtstag trotz Gerichtstermin ein Geschenk erhalten.

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Erstellt: 11.09.2013
Geändert: 11.09.2013
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