Worb - Nun schlägt die Stunde der Wahrheit
Unter dem Titel "Nun schlägt in Worb die Stunde der Wahrheit" befasst sich die Tageszeitung "Der Bund" in einem Leitartikel mit der Gemeindepräsidentenwahl vom kommenden November.
Zufrieden sind die Worber Parlamentarier schon lange nicht mehr. An der Sitzung vom letzten Dienstag aber mündete ihr Missmut in einen für die ländliche Gemeinde bis dato unerhörten Eklat: Worbs zweitgrösste Partei, die SVP, drohte mit rechtlichen Schritten gegen den Gemeinderat wegen fehlender Amtsführung. Der Grund: Die Aufsichtskommission (ASK) legte dem Parlament ihren Bericht zum Prüfauftrag Überbauung Dreiklang vor. Ein Bericht, der eigentlich keiner war, denn die ASK erklärte sich ausserstande, dem parlamentarischen Prüfauftrag nachzukommen: Der Gemeinderat habe der Kommission das Recht auf Akteneinsicht verwehrt. Ob dieser Nachricht gingen im Gemeindesaal die Emotionen hoch. Die Rede war von einem Fiasko. Es sei schlicht unhaltbar, dass der Gemeinderat am liebsten alles unter dem Deckel der Verschwiegenheit halten wolle.
Kritik am Kommunikations- und Führungsstil des Gemeinderats - allen voran dem des Gemeindepräsidenten - kam erstmals bei Legislaturhalbzeit auf, anfänglich still und leise. Inzwischen ist sie unüberhörbar. Offen rügen die Volksvertreter jeglicher Couleur Niklaus Gfellers Regierungsstil. Die Informationspolitik des Gemeindevorstehers sei intransparent, unzulänglich und ungenügend. Im Kleinen scheine es zu laufen, hatte Gfellers Parteikollege und -präsident Harry Suter (EVP) bei der Halbzeitbilanz gegenüber dem «Bund» festgehalten. Das Problem ist nur: «Im Kleinen» wirkt vorab die Verwaltung. Im Grossen aber, dort, wo politische Haltungen und Entscheidungen gefragt wären, hapert es gewaltig. Abgesehen vom Sport- und Freizeitzentrum Wislepark, das letzte Woche eingeweiht wurde, gerieten alle Grossprojekte unter Gfellers Ägide ins Stocken. Die 70 Millionen teure Verkehrssanierung etwa war monatelang blockiert wegen einer Beschwerde, die der Gemeinderat nicht ausräumen konnte. Erst nach der Einsetzung einer mit Finanzvorsteher Jonathan Gimmel (SP) und Bildungsvorsteher Guy Lanfranconi (FDP) neu besetzten Verhandlungsdelegation wurde eine Einigung erzielt. In Rekordtempo. Das zweite Projekt, die Ortsplanungsrevision, lehnte der Souverän im letzten Jahr an der Urne ab. Projekt Nummer drei, die Realisierung der Überbauung Dreiklang, steckt seit 2009 in Verhandlungen. Etliche Male musste das Vorhaben bereits redimensioniert werden. Die Baurechtsvergabe steht nach wie vor aus. Die Überprüfung durch die ASK hätte Licht ins Dunkel bringen sollen - der Gemeinderat selbst hat nun aber den Stecker gezogen.
Die Parteien kneifen
Derweil schweigt sich Worbs Gemeindepräsident über die Politgeschäfte aus. Das muss er auch, denn im April ist er vor dem Hintergrund der Ereignisse von seinen Planungspflichten entbunden worden - auf vereinten Druck der Grossparteien. FDP, SP, SVP und Grüne schlossen sich zusammen und legten dem Gemeinderat nahe, sich neu zu konstituieren. Drei Wochen später wurde Gfeller das Departement Planung entzogen. Anstatt mit millionenschweren Grossprojekten befasst sich der vollamtliche Worber Gemeindepräsident seither mit Sicherheitsfragen - und das in einer Gemeinde, in der es im vergangenen Jahr nur gerade 39 polizeilich registrierte Streitereien, 36 Sachbeschädigungen und 28 Ruhestörungen gab. Während Gfeller in seiner eigenen Gemeinde ein Schattendasein fristet, übernehmen andere Gemeinderatsmitglieder Führungs- und Kommunikationsverantwortung.
Dass die Aufgabenteilung innerhalb des Gremiums so gut gelingt, spricht zweifellos für die Exekutive als Kollegialbehörde. Allerdings ist es keine Dauerlösung. Eine solche zeichnet sich jedoch ab, wenn sich keine weiteren Kandidaten für das Amt des Gemeindepräsidenten finden lassen. Gfeller stellt sich für die Wahlen im November bis jetzt als Einziger zur Verfügung. SP, SVP und Grüne haben bereits erklärt, dass sie höchstwahrscheinliche keinen Gegenkandidaten stellen werden, die FDP hält sich (noch) vornehm zurück. Die SP liess verlauten, man hoffe, dass sich Gfeller «auf seine Fähigkeiten besinnt». Ausserdem sei es der Partei bei der Departementsrochade «von Anfang an eigentlich immer nur um die Grossprojekte und nicht ums Gemeindepräsidium gegangen». Spätestens ab jetzt sollte es den Worber Politkreisen aber genau um dieses Amt gehen: Die Parteispitzen müssen sich ernsthaft die Frage stellen, ob Worb sich tatsächlich einen vollamtlichen Gemeindepräsidenten leisten kann, der nur mit Repräsentationsaufgaben und untergeordneten Geschäftsbereichen betraut ist. Nach der deutlichen Kritik schlägt jetzt die Stunde der Wahrheit - vor allem für die Parteien: Stellen sie keine Gegenkandidaten auf, ist das ein Ausdruck mangelnden politischen Verantwortungsgefühls.