Worb - "Man spürt eine gewisse Ruhe"
Nach einem turbulenten Wahlkampf wurde Niklaus Gfeller (EVP) als Worber Gemeindepräsident bestätigt. Vor der heutigen Parlamentssitzung spricht er über Kollegialität und vordringliche Projekte.
Das ist ein grosser Vorteil unseres Politsystems. Alle vier Jahre werden die Karten neu gemischt. Das Stimmvolk erhält die Möglichkeit, den Gemeinderat und das Parlament wieder zu besetzen. Daher empfinde ich den Start in eine neue Legislatur immer als sehr spannend.
Wir hatten bereits drei Sitzungen, wobei vor allem die Legislaturziele im Vordergrund standen. Dann war auch noch die Amtseinführung der drei Neuen. Es ist also ein ganz spannender Anfang dieser Legislatur. Man spürt eine gewisse Ruhe und merkt, dass jeder mithilft. Das schätze ich sehr.
Es macht also wieder Freude, Gemeindepräsident von Worb zu sein?
Ein solches Amt muss nicht primär immer Freude machen.
Ja. Es ist nicht besonders angenehm, während eines solchen Wahlkampfs Gemeindepräsident zu sein.
Es ging turbulent her im letzten Jahr: Ihnen wurde vorgeworfen, unter Ihrer Führung gehe es mit den Grossprojekten zu langsam vorwärts und Sie hätten schlecht kommuniziert. Wie gingen Sie damit um?
Ich sah, dass die Realität eine andere war. Es ging vorwärts. Ich sah, dass der Wislepark im letzten Jahr fertiggestellt wurde. Ich sah, dass sich der Hochwasserschutz in der Realisierung befindet. Und ich sah, dass die Verkehrssanierung im Bau war. Ich konnte mir jeweils sagen: Die Projekte sind auf Kurs. Einzig die Ortsplanungsrevision ist leider gescheitert.
Wir haben diesen Punkt in den Einzelgesprächen erörtert. Für mich ist wichtig, dass der Start in die neue Legislatur dadurch nicht belastet wird.
Drei Ihrer ehemaligen Kollegen haben nach den Wahlen mitgeteilt, sich aus der Exekutive zurückzuziehen. Waren Sie erleichtert?
Ein Wahlkampf hinterlässt immer Spuren, ja gar Verletzungen. Und zwar auf allen Seiten. Nach dem Wahlkampf war ein gewisser Zugzwang da, und die drei haben ihre Konsequenzen gezogen. Gerade mit Jonathan Gimmel, aber auch mit Jürg Kaufmann habe ich sehr lange gemeinsam politisiert. Und diese gemeinsame Zeit hätte nicht so enden müssen.
Entscheidend ist, dass die Kollegialität gelebt wird. Und wir müssen dies als Gemeinderat im Auge behalten. Ich selber bin in dieser Hinsicht sicher ein wenig gezeichnet. Der Gemeinderat muss die Gemeinde als Gremium führen und nicht als Gruppe von Leuten, die sich bekämpfen.
Und Sie als Gemeindepräsident müssen dieses Team leiten.
Ja, das ist so. Aber selbst ich muss den Prozess der Konsensfindung durchlaufen. Ich habe nicht einfach das Vetorecht und kann nicht alleine entscheiden.
Nein. Jetzt ist es wichtig, dass wir die Arbeit rund um die Ortsplanungsrevision entschieden aufnehmen. In diesem Jahr müssen die Grundlagen für die weiteren Planungsarbeiten gelegt werden. Zudem wollen wir eine Teilortsplanungsrevision 2013 an die Hand nehmen, die es uns erlaubt, punktuell eine Entwicklung zu ermöglichen. Dies, damit Worb nicht stillsteht.
2011 wurde die Ortsplanungsrevision vom Souverän abgelehnt. Wie geht es nun weiter?
Dieses Projekt hat oberste Priorität. Es gilt, in diesem Jahr Grundlagen zu schaffen und vor allem die Bevölkerung hinter das Projekt zu scharen, indem deren Anliegen aufgenommen werden.
Es sind zwei Foren geplant, in denen wir auf jene Punkte eingehen, die bei der letzten Ortsplanungsrevision besonders bemängelt wurden. Es geht darum, abzuklären, wo und wie viel Entwicklung die Leute wollen. Soll die Bevölkerungszahl zunehmen? Oder soll nur mindestens die Abwanderung gestoppt werden? Bei solchen Fragen soll die Bevölkerung mitentscheiden können.
Ist das Durchführen dieser Foren eine Reaktion auf den Vorwurf, schlecht kommuniziert zu haben?
Ähnliche Veranstaltungen wurden bereits im Rahmen der letzten Ortsplanungsrevision durchgeführt. Im Zentrum der Ablehnung stand eine umstrittene Einzonung in Rüfenacht. Der IG «Rüfenacht bleibt grün» ist es gelungen, zu mobilisieren und so die Abstimmung zu gewinnen. Mir scheint es wesentlich, dass die Bevölkerung von Anfang an diesen Prozess einer Ortsplanungsrevision miterlebt und die dabei erarbeiteten Änderungen mitträgt.
Das ist so. Es wurde zu einem früheren Zeitpunkt verpasst, die Bevölkerung für das Projekt zu gewinnen.
Wo sehen Sie in Worb den grössten Handlungsbedarf?
Es muss zusätzlicher Wohnraum entstehen. Und zwar bezahlbare Wohnungen für Familien, aber auch Wohnraum für Senioren. Letztere sollen möglichst lange im eigenen Haushalt leben können, hier aber gleichzeitig erforderliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen können.
Worb muss seine Rolle als wirtschaftliches Zentrum spielen können. Dafür braucht die Gemeinde eine weitere wirtschaftliche Entwicklung und mehr Arbeitsplätze. Die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz darf nicht länger an unserer Gemeinde und an unserer Region vorbeigehen.
Hilft Ihnen auch Ihr Amt als Grossrat, dieses Ziel zu erreichen?
Ich schaue das Amt als ideale Ergänzung an. Es gibt mir die Möglichkeit, wichtige Kontakte zu knüpfen, die für ein Gemeindepräsidium nötig sind. Denn eine Gemeinde existiert ja nicht alleine, man ist Teil eines gesamten Gefüges, also der Region und des Kantons. Und in diesem Gefüge will man eine Rolle spielen. Dabei hilft mir das Amt enorm.
Werden Sie 2014 wieder antreten?
Als Vertreter einer kleinen Partei gibt man nicht kurz vor den Wahlen seinen Rücktritt bekannt. Ich gehe deshalb davon aus, dass ich bei den Kantonswahlen im nächsten Jahr wieder kandidiere.