Worb - Kritik an den Hofmatt-Aufträgen

Jürg Kaufmann arbeitet am neuen Worber Freizeitzentrum mit. Nicht nur als Gemeinderat, sondern auch als Ingenieur. Die FDP ortet in der Doppelrolle Konfliktpotenzial und kritisiert die Auftragsvergabe des Gesamtgemeinderats.

Christian Liechti / Berner Zeitung BZ
Das Ingenieurbüro von Jürg Kaufmann hat indirekt von der Gemeinde Worb einen Teilauftrag für das neue Sport- und Freizeitzentrum Hofmatt erhalten. Auftraggeber ist der Gemeinderat, in dem Kaufmann als Mitglied der SP sitzt. Das neue Sport- und Freizeitzentrum lässt sich Worb 10,5 Millionen Franken kosten. Es ist eines der grössten Projekte für die Gemeinde.

Zwei Hüte tragen geht nicht

Kaufmann, als Bauingenieur HTL ein Fachmann in Sachen Bauen und Sanieren, muss wegen des Auftrags künftig im Gemeinderat in Ausstand treten, wenn dieser das Hofmatt-Projekt behandelt. Denn Kaufmann kann nicht gleichzeitig Auftraggeber und Auftragnehmer sein. Die Ausstandspflicht von Gemeinderatsmitgliedern ist im Gemeindegesetz des Kantons Bern sowie in der Worber Gemeindeverfassung verankert: «Wer an einem Geschäft unmittelbar persönliche Interessen hat, ist bei dessen Behandlungen ausstandspflichtig.»

Kritische FDP

Über die Vergabe des Auftrags hat der Gemeinderat bereits im Januar informiert. Gestern Abend äusserte die FDP-Fraktion nun im Gemeindeparlament Bedenken über die Auftragsvergabe. Die FDP-Fraktion wolle auf das «nicht zu vernachlässigende Konfliktpotenzial» aufmerksam machen, sagte Fraktionspräsident Ueli Emch. Mit der Auftragsvergabe an Kaufmann als Exekutivmitglied sei dieser nicht mehr neutral und unabhängig in der Sache.

Der Gemeinderat sei sich «der heiklen Situation» des Geschäfts wohl zu wenig bewusst gewesen, als er die Aufträge vergab.

«Der Gemeinderat hat die Tragweite unterschätzt», sagte Emch auf Anfrage. Denn das Gremium trage in diesem 10-Millionen-Projekt die Verantwortung für den Erfolg. Durch die Auftragsvergabe sei es Kaufmann nun jedoch nicht mehr möglich, sein Wissen und seine Erfahrung bei diesem Projekt einzubringen. «Der einzige kompetente Baufachmann im Gemeinderat kann also künftig nicht mehr mitreden», so Emch.

Nicht gegen das Gewerbe

Die FDP-Fraktion erwartet nun, dass der Gemeinderat noch einmal über die Auftragsvergabe diskutiert und sich Kaufmann über seine Rolle beim Grossprojekt Gedanken macht. «Die Aufträge sind in unserem Sinne an das lokale Gewerbe gegangen», sagte Emch, «deshalb ist unsere Kritik am Vorgehen des Gemeinderats zweischneidig.»

Das Votum von FDP-Fraktionspräsident Emch brachte SP-Co-Präsident Christoph Moser in Rage. «Ich habe Mühe damit, dass im Rat der Rücktritt unseres Gemeinderats gefordert wird, ohne vorgängig mit ihm die Probleme besprochen zu haben.» Kaufmann kenne seine Grenzen, und er wisse, wie weit er gehen könne, so Moser.

Gfeller: «Kein Problem»

Gemeindepräsident Niklaus Gfeller (EVP) zeigte sich erstaunt über die Kritik aus der Reihe der FDP. «Ich sehe kein Konfliktpotenzial, weil das Ingenieurbüro von Jürg Kaufmann nur einen sehr kleinen Teilbereich des gesamten Projekts bearbeitet», so Gfeller. Zudem sei das Ingenieurbüro nicht direkt vom Gemeinderat beauftragt worden. Das beauftragte Architekturbüro habe Kaufmann an Bord geholt.

Wie Gfeller weiter erklärte, wird Gemeinderat Jürg Kaufmann zwar bei der Beratung über das Sport- und Freizeitzentrum im Gemeinderat dabei sein, jedoch bei Abstimmungen in Ausstand treten. «Wer sich in ein Exekutivamt wählen lässt, soll künftig Aufträge für die Gemeinde ausführen können», so Gfeller weiter.

Noch kein Kommentar

Gemeinderat Jürg Kaufmann (SP) wollte sich gestern Abend nach der Ratsdebatte noch nicht zur Auftragsvergabe äussern. Er werde dies jedoch in den nächsten Tagen nachholen.

Ende September des vergangenen Jahres hatte das Worber Stimmvolk einer Sanierung und dem Ausbau des Sport- und Freizeitzentrums auf der Hofmatt zugestimmt. Für 10,5 Millionen Franken sollen unter anderm die Eishalle saniert, eine Wärmepumpe für das Schwimmbad eingebaut und eine Infrastruktur für Fitness, Saunen, Solarium, Wellness und Minigolf entstehen. Die Arbeiten am neuen regionalen Sport- und Freizeitzentrum erfolgt in vier Etappen. Die Ausführung ist Sache des Gemeinderats, der Stimmbürger hat ihm dafür die Vollmacht erteilt.

Der Gemeinderat wird für das neue Sport- und Freizeitzentrum eine Betriebs-AG gründen. Vier Mitglieder sollen den Verwaltungsrat bilden. Zwei stammen aus dem Gemeinderat. Das gemeinderätliche Doppelpaket ist jedoch noch nicht bestimmt.

In einer weiteren Etappe auf dem Weg zum neuen regionalen Sport- und Freizeitzentrum werden ein Geschäftsmodell sowie ein Businessplan erarbeitet. Daraus soll das bauliche Konzept entwickelt werden. Erst dann sind die Bau- und Nebenkosten ersichtlich. In einer weiteren Etappe werden die Pläne in die Realität umgesetzt. Die Eishalle soll im Sommer 2011 saniert werden.

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Erstellt: 09.02.2010
Geändert: 09.02.2010
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