Worb - Er nimmt den Jodelliedern den Jodel

Der Worber Organist Jürg Neuenschwander veröffentlicht Ende Woche seine neue CD "Vom Hohgant". Er hat Jodellieder von Adolf Stähli für gemischte Chöre neu arrangiert: Neuenschwander lässt den Jodel weg und spielt dafür auf der Orgel einen Refrain.

Christian Liechti / Berner Zeitung BZ
Organist Jürg Neuenschwander hat mit den Jodelliedern von Komponist Adolf Stähli einen grossen Erfolg erzielt. Das ist jedoch bereits zehn Jahre her. Nun hat Neuenschwander einige von Stählis Liedern neu arrangiert. Anstelle eines Jodels spielt er auf der Orgel nun einen Refrain.

Weil der schwierige Jodel wegfällt, können neu auch gemischte Chöre Stählis Lieder singen. Für die neue CD hat Neuenschwander weitere Volkslieder zum Kunstlied gemacht und aufgenommen. Weit über 100 Akteure waren bei den Aufnahmen in der Kirche dabei.

Frage: Wieder eine CD mehr mit Jodelliedern und Volksmusik von Komponist Adolf Stähli. Wieso?

Jürg Neuenschwander: Stählis Jodellieder machen nur einen kleinen Teil dieser CD aus. Mit Adolf Stähli verband mich eine langjährige Freundschaft. Ich habe ihm geholfen, die vierstimmigen Sätze zu schreiben. Stähli wusste genau, wie Gemütslage und Stimmung mit Liedern transportiert werden können. Er stiess jedoch an seine Grenzen, wenn es darum ging, die Lieder mehrstimmig zu vertonen. Vor genau zehn Jahren veröffentlichte ich die erste CD mit seinen Liedern. Bis heute wurden über 10 000 Stück davon verkauft und verschenkt.

Wieso schreiben Sie nach zehn Jahren Stählis erfolgreiche Lieder um und lassen den Jodel zugunsten eines Refrains weg?

Seine Lieder wurden von Jodlerclubs bereits mehrfach aufgenommen. Weil er 1999 starb, kamen keine neuen Stücke mehr zu seinem Lebenswerk hinzu. Ich habe es immer bedauert, dass seine fantastischen Lieder nur von Jodlern gesungen werden konnten. Ein gemischter Chor würde sich zwar gerne an Stählis Lieder wagen, aber die Sängerinnen und Sänger können schlicht und einfach nicht jodeln. Deshalb habe ich die Jodellieder für dreistimmigen Frauenchor oder vierstimmigen gemischten Chor eingerichtet. Ich wechselte die Tonart, gab den Liedern einen Refrain – und das alles im Sinne von Adolf Stähli.

Wie haben die Jodler darauf reagiert, wenn Sie Stählis Lieder für gemischte Chöre umschrieben?

Weil die CD erst am Freitag erscheint, habe ich noch kaum Reaktionen erhalten. Sie wird in der Jodler-Szene bestimmt zu diskutieren geben. Dazu muss ich aber sagen: Ich habe von Stählis Nachkommen die Rechte erhalten, die Lieder zu bearbeiten. Zudem nehme ich die Jodellieder niemandem weg. Es ist vielmehr eine Bereicherung, wenn das Liedgut von Stähli neu auch als Kunstlied daherkommt.

Also ein Verhunzen?

Nein, ganz und gar nicht. Stählis Lieder liegen mir dafür zu sehr am Herzen. Einzig beim «Ä gschänkte Tag» würde ich mich nie getrauen, einen Refrain zu komponieren. Das Lied ist sozusagen ein Heiligtum – für viele die heimliche Nationalhymne.

Es gäbe auch noch andere Komponisten von Jodelliedern. Wieso kommt bei Ihnen zum Beispiel Jakob Ummel nicht zum Zug?

Ummels Werke kämen sicher auch in Frage. Der hat auch schöne Lieder geschrieben. Andere Komponisten sind bereits mit dem Wunsch an mich herangetreten, auch ihre Lieder umzuschreiben. Aber: Auf der Orgel kann ich nur das Gemüt eines Liedes wiedergeben, nicht aber seinen Text. Stähli hat bei seinen Liedern harmonisch ein Optimum herausgeholt. Das kann man leider nicht von allen Kompositionen sagen.

Auf Ihrer CD fällt auf, dass die Orgel in den Hintergrund tritt.

Das war von Anfang an meine Absicht. Die Orgel soll die Musikerinnen und Musiker sowie die Chöre wohlwollend begleiten. Ich will damit zeigen, was bei der Volksmusik mit der Orgel alles möglich ist. Die Orgel gibt den Jodel- und Volksliedern einen feierlichen Anstrich.

Das Erhabene fehlt jedoch, wenn Sie auf der Orgel ein Kinderlied oder einen Tanz spielen.

Das lasse ich so nicht gelten. Schauen Sie sich doch einfach mal die Geschichte der Orgel an. Im 18. und 19. Jahrhundert standen in vielen Emmentaler Bauernhäuser kleine Hausorgeln. Mit ihnen wurde das Zusammensein fröhlich gefeiert. Auf den Hausorgeln wurden vor allem Tänze gespielt. Die Orgel ist ursprünglich ein weltliches und kein kirchliches Instrument.

Was würden Sie auf der Orgel nie spielen?

Bei jeder Hochzeit, bei jeder Beerdigung werden an mich als Organisten Musikwünsche herangetragen. Lieder mit einem dominierenden Schlagzeug eignen sich kaum, um auf der Orgel gespielt zu werden. Ihnen fehlt eine Melodie. Hinzu kommt, dass viele erfolgreiche Lieder von einer mindestens fünfköpfigen Band gespielt werden. So viele Stimmen kriege ich auf der Orgel gar nicht hin. Weil die Hochzeitsgäste oder die Trauergemeinde schliesslich enttäuscht wären, lasse ich es lieber gleich bleiben.

Können Sie ein Beispiel nennen?

«We Are the Champions» von Queen ist so ein Stück. Das Original kennt jeder. Aber für die Orgel eignet es sich nicht. Im Gegenzug passt eigentlich fast alles von The Beatles oder von Elton John, um auf der Orgel gespielt zu werden.

Zurück zur neuen CD: Wie haben Sie die Arbeit mit den 13 verschiedenen Formationen erlebt?

Das war sehr unterschiedlich. Eines meiner Ziele war es, viele mir nahestehende Personen mit Bezug zum Emmental für diese CD zu gewinnen. Dies ist mit ein Grund, wieso die CD «Vom Hohgant» heisst. Ich habe das Emmental – meine Heimat – damit musikalisch abgebildet. Bei den Aufnahmen in der Stadtkirche Burgdorf war es für mich enorm schwierig, die Sängerinnen und Sänger sowie die Musiker gleichzeitig zu betreuen und die Orgel zu spielen. Ich durfte mir beim Orgelspiel keine Fehler leisten.

Wie haben Sie es geschafft, dass TV-Mann Nik Hartmann bei Ihrem Projekt mitmacht?

Nik Hartmann kenne ich seit seiner Kindheit. Seine Grossmutter schrieb für mich 25 Jahre lang jeweils die Konzertvorschau. Ich ass bei ihr in Burgdorf regelmässig zu Mittag – gelegentlich war auch Grosskind Nik da. Später engagierte er mich auch schon mal für seine Sendung «SF bi de Lüt». Jetzt habe ich für ihn ein Medley arrangiert. Auf der CD spielt er Querflöte.

Wie gut spielt Nik Hartmann denn Querflöte?

Er spielt sehr gut. Er hat einfach keine Zeit zum Üben.

«Vielfalt Volksmusik» ist jetzt auf CD gepresst. Arbeiten Sie bereits an einem neuen Projekt?

Nach zehn Jahren Arbeit möchte ich mein Kind jetzt erst mal weiterbegleiten. Das heisst: Bis Ende Februar bin ich mit den Chören und den Musikern im Kanton Bern unterwegs. Zudem plane ich, ein Liedheft mit dreistimmigen Chorsätzen zusammenzustellen. Dieses erscheint im September.

Zur Person

Jürg Neuenschwander ist in Langnau im Emmental aufgewachsen. Er absolvierte am Konservatorium in Bern sein Lehr- und Konzertdiplom für Orgel bei Heinrich Gurtner. Neuenschwander studierte weiter in Basel (Klavier), Paris und Wien. Heute ist der 64-Jährige Organist und künstlerischer Leiter des Konzertzyklus an der Stadtkirche Burgdorf. Jürg Neuenschwander lebt heute nicht mehr im Emmental. Mit seiner Frau Sandra Tosetti hat es ihn nach Worb gezogen.

Neue CD und Konzerte

Am Freitag erscheint die neue CD «Vom Hohgant» von Jürg Neuenschwander. 13 verschiedene Formationen haben an der CD mitgearbeitet – vom Solisten Nik Hartmann mit der Querflöte bis zum 100-köpfigen Trachtenchor des Landesteils Emmental.

Neuenschwanders Arrangements sind fröhlich, erfrischend und eigenwillig. Die neue CD erscheint im Zytglogge Verlag Oberhofen. Die CD-Taufe findet am 5.August in der Stadtkirche Burgdorf statt. Jürg Neuenschwander begleitet an der Orgel Daniela Ianos (Violine), Sandra Tosetti (Blockflöte), Christian Schwander (Hackbrett) und Hans Stettler (Alphorn). Das Konzert beginnt um 18.15 Uhr.

Organist Neuenschwander und seine Mitmusiker sind mit der neuen CD «Vom Hohgant» auch auf einer kleinen Tournee durch den Kanton Bern. Sie spielen in Langnau (2.September), Meiringen (4. September), Lyss (11.September), Burgdorf (16.September/6.November), Spiez (28.Oktober) und Huttwil (19.Februar).

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Erstellt: 03.08.2011
Geändert: 03.08.2011
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