Worb - Ein Wirtewechsel mit Misstönen

Der Löwen hat eine lange Familientradition. Die Familie Bernhard empfängt hier seit 300 Jahren die Gäste. Doch beim Wechsel von der 12. zur 13. Generation kam es hinter den Kulissen zum Knatsch.

Christian Liechti, Berner Zeitung BZ
Der Gasthof zum Löwen in Worb steht unter neuer Führung. Ursula und Hans-Peter Bernhard leiteten den Betrieb 33 Jahre in der 12. Generation. Nun haben sie den Gasthof ihrer Tochter Caroline übergeben. So reibungslos wie es schien, wurde der Wechsel diesen Sommer jedoch nicht vollzogen. Der Antritt der 13. Generation wurde tüchtig gefeiert. Denn der Führungswechsel ist einmalig, weil die Familie Bernhard seit 300 Jahren im Löwen die Gäste empfängt (wir berichteten).

Drei Jahre Aufbau

Die Festivitäten haben einige Nebengeräusche übertönt. Der Löwen wechselte nicht direkt von der älteren zur jüngeren Generation. Und anfänglich plante die Familie Bernhard gar, den Löwen in Pacht, sprich in andere Hände, zu geben. Seit Januar 2007 führten Brigitte und Marcel Kunz den geschichtsträchtigen Gasthof. Das Ehepaar aus Stettlen wollte sich im Zentrum von Worb den Traum des eigenen Betriebs erfüllen. Dieser war im vergangenen Sommer jedoch jäh ausgeträumt.

Brigitte Kunz arbeitete seit 1986 im Löwen. Sie habe die Stellvertretung für die Wirtefamilie Bernhard übernommen und sei eingesprungen, wenn gerade Not am Mann respektive der Frau gewesen sei. Wie Brigitte Kunz erzählt, sollen ihre Vorgesetzten sie 2005 erstmals angefragt haben, ob sie bereit wäre, den Betrieb zu übernehmen. «Wir haben eine Übernahme seriös abgeklärt und von Bernhards die Zusage erhalten, den Löwen für mindestens zehn Jahre übernehmen zu können», sagt Brigitte Kunz’ Ehemann Marcel.

Wegen der Aussicht auf einen eigenen Betrieb kündete er schliesslich seine Geschäftsleiterstelle bei Roche in Basel. Am Rheinknie war er für sämtliche Firmenrestaurants mit 220 Mitarbeitern verantwortlich. In dieser Phase der beruflichen Neuausrichtung wurde ihm ein weiteres Jobangebot als Betriebsleiter eines Altersheims im Raum Bern unterbreitet. Dieses schlug er mit Blick auf den Löwen jedoch aus. «Die Übergabe an uns schien für alle Beteiligten das Beste: Die Stammgäste kannten meine Frau, die Familie Bernhard übergab ihren Betrieb langjährigen Freunden, und am Konzept sollte sich nichts ändern», so Marcel Kunz.

Ohne Gründe gekündigt

Gemäss Kunz machten die beiden Parteien anfänglich untereinander aus, dass er und seine Frau den Löwen in der Pacht übernehmen würden. Als die Übernahme schliesslich vertraglich geregelt werden sollte, schwenkte die Familie Bernhard schliesslich von der Rechtsform einer Pacht ab. Sie bot Kunz einen Geschäftsführer-Vertrag an.

Ende 2009 plante das Ehepaar Kunz, im Löwen ein neues Konzept einzuführen. Gemäss Marcel Kunz soll der Umsatz im Löwen wegen der Wirtschaftskrise zurückgegangen sein. «Wir haben die Bereiche Gastronomie und Hotel analysiert und wollten den Betrieb auch für wirtschaftlich schwierigere Zeiten mit einem besseren Konzept stärken», so Kunz. Nachdem es im Service bereits zu einem Personalabbau gekommen war, sollte nun auch in der Küche eine Person eingespart werden. Als Geschäftsführer sei es seine Aufgabe gewesen, die Besitzerfamilie Bernhard auf betriebliche und strukturelle Defizite hinzuweisen, sagt Kunz.

Das neue Konzept wurde aber nicht umgesetzt. Das Besitzerehepaar Bernhard rief im April 2010 im Säli im ersten Stock eine Sitzung ein. Ohne grosse Worte hätten ihnen Bernhards die Kündigung des Geschäftsführervertrags überreicht, sagt Brigitte Kunz.

«Die Kündigung war bereits unterschrieben, und wir konnten uns dazu nicht einmal mehr äussern. Das hat meine Frau und mich tief verletzt», erzählt Marcel Kunz. «So springt man nicht mit langjährigen Freunden um», ergänzt sie.

Schwierige Situation

Die Noch-Geschäftsführer informierten letzten Sommer schliesslich die Stammgäste über den bevorstehenden Wechsel. «In den Medien und der Öffentlichkeit schwiegen Bernhards über die Trennung», sagt Brigitte Kunz. Der Übergang sei «nicht einfach gewesen», sagt Caroline Bernhard, die neue Gastgeberin im Löwen. Wegen der schwierigen Wirtschaftslage habe Geschäftsführer Marcel Kunz immer schlechtere Zahlen präsentiert. Die Situation soll sich zudem dadurch verschärft haben, dass die Bank die Hypothek für den Löwen neu aushandeln wollte.

«Die Familie Kunz hat sich eingesetzt und nach bestem Wissen und Gewissen gearbeitet.» Caroline Bernhard erklärt auch, wieso bei der grossen Übergabefeierlichkeit die Vorgänger gänzlich ausgeblendet wurden: Man habe dem Ehepaar Kunz die berufliche Zukunft nicht noch zusätzlich erschweren wollen.

Neues Jahr, neuer Job

Marcel Kunz tritt auf Anfang Jahr eine neue Kaderstelle an. Wo, will Kunz noch nicht verraten. Auch seine Frau Brigitte blickt optimistisch in die Zukunft, auch wenn sie noch keine neue Stelle gefunden hat.

Die Arbeit ist das eine, die zerbrochene Freundschaft das andere. Brigitte Kunz sagt: «Die Scherben werden wir wohl nicht wieder kitten können.»

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Erstellt: 30.11.2010
Geändert: 30.11.2010
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