Worb - Die schlimmen Folgen des kurzen Schlafes

Vor zwei Jahren verletzte in Worb ein Automobilist ein älteres Ehepaar schwer. «Ich hatte eine unvorhersehbare Bewusstseinsstörung», verteidigte er sich. Für die Gerichtspräsidentin war der Mann schlicht eingenickt.

Peter Steiger, Berner Zeitung BZ

Hat er im Sekundenschlaf den schlimmen Unfall verursacht? Damit wäre er zu müde gewesen, um noch fahrtüchtig zu sein. Und dann hätte er fahrlässig oder gar grobfahrlässig gehandelt. Oder wars eine akute unvorhersehbare Bewusstseinsstörung? In diesem Falle würde die Justiz sein Verschulden weit milder beurteilen, und es wäre sogar ein Freispruch möglich.

Gerichtspräsidentin Christine Schaer wählte die härtere Variante und erkannte, dass der Mann am Steuer vom Schlaf übermannt worden war. Sie verurteilte ihn wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 70 Franken, bedingt erlassen mit einer Probezeit von zwei Jahren. Ausserdem muss er die Prozesskosten tragen und die beiden Unfallopfer entschädigen.

Das Urteil kostet ihn viel Geld

Die Richterin bestätigte damit vollumfänglich einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft. Der Angeschuldigte und sein Verteidiger hatten diesen Entscheid ans Regionalgericht Bern-Mittelland weitergezogen. Ob sie nun gegen das aktuelle Urteil rekurrieren werden, liessen die beiden gestern offen. Die bedingt erlassene Geldstrafe wird den Verurteilten vermutlich weit weniger drücken als die übrigen finanziellen Konsequenzen. Nach dem Schuldspruch ist es durchaus möglich, dass die Haftpflichtversicherung dem Autofahrer einen Teil der ihr entstandenen Kosten belasten wird.

Der Unfall hatte in Worb im Herbst vor zwei Jahren viel Aufsehen erregt. Ein Autofahrer war von Bern her auf einer übersichtlichen Strecke kurz vor der Abzweigung nach Trimstein von der Strasse abgekommen. Mit voller Wucht prallte er auf dem Trottoir in ein älteres Ehepaar. Der Mann wurde weggeschleudert, die Frau mitgeschleift. Das Auto überrollte sie frontal. Die Verletzte blieb eingeklemmt unter dem Wagen liegen. Beide mussten ins Spital.

Besonders schlimm traf es dabei die Frau. Sie erlitt eine schwere Hirnverletzung und mehrere Brüche und musste ein halbes Jahr im Krankenhaus bleiben.

«Ich denke jeden Tag daran»

Der 48-jährige Schweizer Autofahrer beteuerte glaubhaft, dass ihn die Kollision noch heute beschäftige, «ich denke jeden Tag daran». Bei der Verhandlung versuchte er allerdings darzulegen, dass er damals nicht eingenickt sei. Ohne vorher was zu spüren, habe er ein Blackout erlitten. Er sei an diesem Tag ausgeruht gewesen. «Ich bin es gewohnt, lange Strecken zu fahren und weiss, wie sich Müdigkeit am Steuer äussert.» Die als Zeugin vorgeladene Rechtsmedizinerin kam zu anderen Schlüssen. Ein solch plötzliches Wegtreten ohne medizinischen Befund sei zwar nicht ganz auszuschliessen, aber unwahrscheinlich. Verschiedene Studien würden dies belegen.

Erinnert an Philipp Müller

Richterin Schaer folgte dieser Argumentation. Gegen die Bewusstseinsstörung sprach für sie auch, dass der Autofahrer nach dem Unfall nicht in einem Dämmerzustand, sondern sofort wieder präsent gewesen sei. Der Autofahrer habe wohl nicht erkannt, wie müde er war, begründete sie unter anderem ihr Urteil.

Das Verschulden ist klein: ein paar Sekunden Unaufmerksamkeit, weil der Fahrer eingenickt ist. Die Folgen sind schlimm: ein Unfall, der möglicherweise die Unfallopfer ein Leben lang zeichnet. Ein ähnliches Ereignis hat der Aargauer Ständeratskandidat und FDP-Präsident Philipp Müller erlebt, der im September eine junge Rollerfahrerin schwer verletzt hatte.


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Erstellt: 11.11.2015
Geändert: 11.11.2015
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