Worb - Das Poller-Dilemma
Mit Pollern soll der Worber Dorfkern täglich ab 16.30 Uhr für den Durchgangsverkehr gesperrt werden. Die Anwohner freuts, die Ladenbesitzer laufen Sturm. Nun suchen die Behörden einen Kompromiss.
Es ist mitten am Vormittag. Gemeindepräsident Niklaus Gfeller (EVP) steht beim Bahnübergang an der Worber Bernstrasse. Die Schranken gehen runter, das blaue Bähnli quietscht vorbei, die Schranken gehen wieder hoch. Kaum länger als eine Minute dauert das Prozedere, trotzdem hat sich bereits eine ansehnliche Autokolonne gebildet.
«Ich verstehe nicht», sagt Gfeller, «warum immer noch so viele Leute durch das Dorf fahren.» Schliesslich werden die Barrieren hier zwölfmal geschlossen – pro Stunde. Mit andern Worten: Hier wartet man ziemlich oft.
Die Bernstrasse war früher die Hauptachse durch Worb, die Hauptachse zwischen Bern und dem Emmental. Rund 14000 Fahrzeuge fuhren hier pro Tag vorbei, die Staus erstreckten sich durch das ganze Dorf.
Um es zu entlasten, wurde vor zwei Jahren die Umfahrung eröffnet. Seither sind auf der Bernstrasse noch rund 4000 Fahrzeuge pro Tag unterwegs. «Nur noch 4000 Fahrzeuge», sagen Aussenstehende. «Immer noch 4000 Fahrzeuge», sagen Anwohner.
Nachtruhe ab 16.30 Uhr?
Mittlerweile ist die Bernstrasse verkehrsberuhigt. Verengungen und versetzte Parkplätze zwingen zum Abbremsen, es gilt Tempo 30 und beim Sternenplatz sogar nur Tempo 20.
Warum es trotzdem immer noch Durchgangsverkehr gibt? Vielleicht weil die Strasse in den Navigationsgeräten immer noch als schnellste Route aufgeführt ist, vielleicht aus Gewohnheit. Doch das soll sich ändern. Mit Pollern soll die Strasse von 16.30 Uhr bis 8 Uhr für den Durchgangsverkehr gesperrt werden. So steht es im Strassenplan, auf den man sich 2006 geeinigt hat.
Installiert sind die Poller zum Teil bereits, in Gebrauch noch nicht. Viele Anwohner freuen sich auf die Inbetriebnahme. «Ich kann es kaum erwarten», kommentiert einer auf Bern-ost.ch. Ein anderer schreibt, das Dorf gehöre nicht den Durchfahrenden, die «kein Geld, dafür Lärm und Feinstaub hinterlassen», die «zu bequem sind, die Umfahrung zu benutzen». Vielmehr gehöre das Dorf den Anwohnern, und diese sehnten sich nach mehr Ruhe, vor allem nachts.
Anders die Worber Ladenbesitzer. Sie üben harsche Kritik an der Pollerlösung. Es könne doch nicht sein, dass der Dorfkern bereits zur besten Verkaufszeit um 16.30 Uhr abgeriegelt werde, argumentieren sie.
Zum Beispiel Christian Schmutz vom gleichnamigen Velogeschäft. Er, der selber an der Bernstrasse aufgewachsen ist, hat Verständnis dafür, dass die Anwohner eine Verkehrsentlastung möchten. «Aber um 16.30 Uhr braucht es noch keine Nachtruhe», sagt Schmutz. Für ihn ist klar: «Wenn diese Lösung in Kraft tritt, gehen wir auf die Barrikaden.»
«Flexiblere Lösung»
Die Behörden suchen einen Ausweg aus dem Dilemma. Niklaus Gfeller erklärt: Gemäss Strassenplan solle die Pollerlösung bewirken, dass höchstens 4000 Fahrzeuge pro Tag auf der Bernstrasse zirkulieren. Verkehrszählungen würden aber zeigen, dass dieser Wert bereits heute, ohne Poller, eingehalten werde. Deshalb möchte der Gemeinderat zusammen mit Anwohnern und Ladenbesitzern eine flexiblere Lösung finden. Eine andere Lösung, als fix um 16.30 Uhr die Poller hochzufahren.
Eine Möglichkeit wäre, die Durchfahrt erst nach Ladenschluss, um 19 Uhr, zu sperren. Damit liesse sich leben, sagt Christian Schmutz vom Velogeschäft. Auch der Kanton ist gesprächsbereit.
Von heute auf morgen lässt sich eine Änderung des Strassenplans aber nicht umsetzen. Es braucht eine öffentliche Mitwirkung, Informationsabende und weitere Abklärungen. Dauer des Verfahrens: ein Jahr oder länger.
Verbot für Lastwagen
Einfacher umsetzen liesse sich die Idee der örtlichen SVP. Sie nimmt die Lastwagenchauffeure ins Visier, die ihre Gefährte durch das verkehrsberuhigte Dorf statt auf die Umfahrungsstrasse steuern. Diese Lastwagen seien für die Bevölkerung verständlicherweise ein grosses Ärgernis. Deshalb fordert die SVP in einem Vorstoss, die Bernstrasse mit einem Fahrverbot für Lastwagen (Zubringerdienst gestattet) zu belegen. Das Worber Gemeindeparlament stimmt am Montag darüber ab.
Der Vorstoss dürfte gute Chancen haben. Sehr gute sogar.