Worb - Das Ladensterben schreckt Worb auf
Viele Worber sind besorgt: Bis zum Sommer schliessen in der Gemeinde fünf Läden und wohl auch das Kino. Wird das Dorf zur Schlafgemeinde? FDP und SP haben zu dieser Frage im Parlament Vorstösse eingereicht.
Martha Lüdi, Besitzerin des Zoofachgeschäfts Mandingo, sagt, es sei ihr nicht gelungen, eine Nachfolge für den Laden zu finden. Bei den anderen drei Läden ist die Geschäftsaufgabe auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen, wie ihre Ladenbesitzer zugeben. Zu wenig Kunden und schrumpfende Umsätze führten dazu, dass sie aufgeben. «Wir haben viele Reaktionen erhalten von Leuten, welche die Schliessung bedauern», sagt Paul Burkhard vom Radio- und TV-Geschäft. Für ihn wäre aber wichtiger gewesen, wenn diese in den vergangenen Jahren im Laden eingekauft hätten.
Die Bewohner Worbs sind besorgt. Das Ende von fünf Läden innert vier Monaten macht deutlich: Das Überleben wird für kleine Detailhandelsgeschäfte in Worb immer schwieriger. Zudem dürfte im Sommer auch das Kino seinen letzten Film zeigen. Der Betreiber Manuel Zach hat den Mietvertrag gekündigt, ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Worb droht zur Schlafgemeinde zu werden.
SP und FDP sorgen sich
Jetzt reagiert die Politik. FDP und SP haben im Grossen Gemeinderat je eine einfache Anfrage eingereicht. «Ist Worb auf dem Weg zur Schlafgemeinde?», fragt sich die FDP. Worb habe bereits früher Geschäfte für Sport, Schuhe und Spezialitäten verloren. Nun scheine es, dass sich die bereits früher geäusserten Befürchtungen der FDP bewahrheiteten. Und die SP analysiert: «Mit der Angebotsverarmung im Detailhandel nimmt die Attraktivität des Zentrums durch den Wegfall von Laufkundschaft weiter ab. Dies wirkt sich auch nachteilig auf alle anderen Verkaufsgeschäfte und die Entwicklung von Worb aus.»
SP und FDP spielen den Ball der Exekutive zu: «Was gedenkt der Gemeinderat zu unternehmen, damit nicht noch mehr Geschäfte geschlossen werden?», schreiben die Sozialdemokraten. Sinngemäss die gleiche Frage stellen auch die Freisinnigen.
Der Gemeinderat beantwortet die Anfragen in einer der nächsten Parlamentssitzungen. Dass die Antwort Lösungen aufzeigen wird, ist zu bezweifeln. Denn eine politische Behörde kann gegen das Ladensterben nicht allzu viel unternehmen.
Schwierig für Behörden
Rezepte hat auch die SP keine bereit. «Es ist schwierig, die Abwanderung von Firmen und Ladenschliessungen zu stoppen», muss Co-Präsident Christoph Moser zugeben. Ideen kann auch er nicht aus dem Hut zaubern. «Ich frage mich nur, warum es in Münsingen so gut läuft. Was machen wir schlechter?» Moser wünscht sich mehr Selbstbewusstsein in Worb, es fehle ein «Wirgefühl», das sich auch in den Einkaufsgewohnheiten zeige. Diese Zusammengehörigkeit könne der Gemeinderat vielleicht fördern.
«Wie ein Shoppingcenter»
Was wichtig ist für einen Einkaufsstandort, weiss Martin Bühler, Geschäftsführer von Bern City, der Organisation für eine lebendige Innenstadt. «Es braucht einen breiten Branchenmix mit zwei, drei grösseren Läden für den täglichen Bedarf.» Davon könnten auch Fachgeschäfte profitieren. «Die Läden in einem Dorf sollten insgesamt einem Shoppingcenter ähnlich sein, wo es attraktiv ist einzukaufen.» Zudem plädiert Bühler für eine gute Verkehrserschliessung und eine Flaniermöglichkeit. Zwischen diesen Punkten gebe es allerdings ein Spannungsfeld, ist sich Bühler bewusst.
Für eine Behörde sei es schwierig, den Branchenmix zu steuern, «denn der Vermieter bestimmt, wer in die Ladenräume einziehen kann». Die Politiker müssten erkennen, welche Branchen fehlen. Und sie müssten versuchen, Anreize zu schaffen, um diese Branchen in den Ort zu locken.
Preiszerfall drückt Margen
Fachgeschäfte kämpfen zunehmend gegen den Preiszerfall, der die Umsätze sinken lässt. «Vor 20 Jahren kostete ein TV-Gerät noch 2000 bis 3000 Franken», sagt Paul Burkhard, Inhaber des Radio- und TV-Geschäfts Burkhard in Worb, das nächsten Samstag schliesst. Heute sind Geräte weit unter 1000 Franken zu haben. «Für den gleichen Umsatz müssen wir mehr Geräte verkaufen», so Burkhard. Nebst Fachmärkten wie Media-Markt und Interdiscount machen ihm weitere Läden das Leben schwer: «Auch die Post, die Landi und die Swisscom verkaufen heute Fernseher.» Dazu kommt der Verkauf übers Internet. «Das sind quasi Nettopreise. So viel müssen wir selbst für die Ware bezahlen.»
Ins Fachgeschäft kommen laut Burkhard Kunden vor allem dann, wenn sie ein besonderes Zubehör brauchen. «Davon können wir nicht leben.» In Worb hat Burkhard zudem zwei Konkurrenzläden erhalten. «All das hilft einander.» Paul Burkhard führt seine Firma in Boll weiter. Dort führen die Angestellten Reparaturen aus, vermieten Ton- und Bildanlagen und kaufen für Kunden günstige TV-Geräte, die sie installieren.
Andere Gründe für die Schliessung ihrer Geschäfte Regalino Mode und Haar Art Coiffure führen Barbara Beckmann und Urs Haldemann an: schwierige Marktverhältnisse und ein Konsumverhalten, das sich geändert hat. Sie schliessen ihre Läden Ende Juni «wegen des starken Frankens, der Billigpreise im Ausland und der künftigen Umfahrungsstrasse, die weniger Verkehr nach Worb bringen wird», wie Barbara Beckmann gegenüber dem Internetportal Bern-Ost erklärt.