Worb - Blaues Bähnli geht auf Reisen
Gestern hat das letzte originale blaue Bähnli eine Reise aus dem RBS-Depot in Solothurn nach Landquart angetreten. Damit tritt die Renovierung des Triebwagens Nummer 36 aus dem Jahr 1913 in die entscheidende Phase. Im August 2013 soll er wieder fit für nostalgische Fahrten sein.
Er ist mächtig in die Jahre gekommen, der Triebwagen aus dem Jahr 1913 – und man sieht es ihm auch an. Im Depot des RBS Solothurn ist nur noch ein morsches Holzgerippe, zusammengehalten von Eisen, zu sehen. Hier haben Fans des blauen Bähnli den Wagen innen demontiert und zu einer Renovation vorbereitet. Für sie ist der Triebwagen der legendären Zugkomposition aus dem Worblental mehr als ein ausrangierter Schrotthaufen. Für sie ist er ein Stück Erinnerung, ein Stück Bahngeschichte. Sie wollen dabei sein, wenn der Triebwagen Nummer 36, auf einen Schwertransporter verladen, die Werkstatt Richtung Landquart verlässt.
Kaufpreis: Ein Franken
Das blaue Bähnli erweckt in mir Erinnerungen an sonntägliche Besuchsfahrten und Ausflüge auf das Land», sagt Hanni Studer aus Ostermundigen. Die 61-Jährige ist eine der Mitbegründerin des vor vier Jahren gegründeten Vereins «Ds Blaue Bähnli». Sie und ihre Mitstreiter retteten den Triebwagen vor der Verschrottung. 2007 wäre es beinahe so weit gekommen. Die Montreux-Oberland-Bahn (MOB) wollte als Besitzerin das blaue Bähnli ausrangieren. Für einige Mitarbeiter des Regionalverkehrs Bern-Solothurn (RBS) war dies inakzeptabel. Sie wurden bei der Geschäftsleitung des RBS vorstellig und schlugen vor, den Wagen zu renovieren und in den historischen Fahrzeugpark der Bahn aufzunehmen. Das blaue Bähnli sollte künftig für nostalgische Fahren eingesetzt werden können. «Unsere Idee wurde gut aufgenommen», sagt Daniel Gertsch, Vizepräsident des Vereins. Für den symbolischen Betrag von einem Franken habe man den Triebwagen schliesslich kaufen können. «Selbstverständlich war der Fränkler ebenfalls aus dem Jahr 1913», erinnert sich Gertsch.
Bähnli auf dem Fünfachser
In vielen Stunden Fronarbeit zerlegten die Mitglieder des Vereins den Triebwagen im RBS-Depot Solothurn. Bänke und Gepäckträger wurden demontiert, brüchige Kabel entfernt. Auch Alfred Geering aus Muri packte mit an. «Für mich war es eine interessante Beschäftigung», sagt der 74-Jährige. Für ihn habe das blaue Bähnli früher einfach zum Alltag gehört, und er finde es gut, dass es als Zeitzeugnis erhalten bleiben solle.
Eine circa 20-köpfige Gruppe ist mit dem ebenfalls nostalgischen «Pendler-Pintli» angereist, um Fotos vom Abtransport zu schiessen. Danach reisen sie weiter nach Landquart. Nach zehn Uhr ist es auch für das blaue Bähnli so weit: Sergio Di-Ponio nimmt auf dem Fahrersitz Platz. In vier Stunden wird er das über 50 Tonnen schwere Gefährt mit dem Triebwagen nach Landquart fahren. Als Erstes muss er schauen, dass er die Fahrleitung vor dem Depot nicht touchiert. Anschliessend wird er den Fünfachser über zwei Kreisel chauffieren. Di-Ponio bleibt gelassen: «Die Kreisel befinden sich auf der Schwertransportroute, also wird es gehen», sagt er und fährt davon.