Wohnbau: Die Suche nach dem Münsinger Weg
Die SP fordert, dass sich die Gemeinde Münsingen für mehr günstigen Wohnraum einsetzt. Der Gemeinderat teilt zwar dieses Ziel, will aber einen anderen Weg einschlagen.
Vor sechs Jahren zog Linus Schärer mit seiner Familie nach Münsingen. Es sei ein guter Zeitpunkt gewesen, sagt er. «Damals konnten wir noch zu erschwinglichen Konditionen Wohneigentum erwerben.» Seither aber habe sich das Wohnen stark verteuert. 18 bis 22 Prozent betrug die Zunahme bei Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern zwischen 2012 und 2017. Nun ist Schärer Präsident der SP Münsingen, und zusammen mit seiner Partei will er Gegensteuer geben. «Wir setzen uns dafür ein, dass das Wohnen in Münsingen auch für weniger bemittelte Leute erschwinglich ist.»
Deshalb reichte die SP-Fraktion im Parlament eine Motion ein. Darin fordert sie die Gemeinde zu einer «aktiven Boden- und Wohnbaupolitik» auf. Das Parlament befasst sich an der Sitzung vom 19. März mit dem Vorstoss. Diesen Donnerstag organisiert die SP zudem einen Infoabend, unter anderen mit Nationalrätin Jacqueline Badran (SP, ZH). «Wir möchten auch die Bevölkerung für das Thema sensibilisieren», sagt Schärer.
Verbindlich und griffig
Derzeit läuft in Münsingen die Ortsplanungsrevision unter dem Titel Münsingen 2030. Bei zwei Workshops zu diesem Thema habe die Bevölkerung klar zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht einfach ein quantitatives Bevölkerungswachstum wünsche, sagt der SP-Präsident. Auch das Nein der Stimmbevölkerung zu einer Aufstockung von Wohnblöcken am Jungfrauweg habe dies gezeigt.
Nun fordert die SP «verbindliche und griffige Grundlagen» für ein durchmischtes Wohnangebot. Auch deshalb, weil Münsingen einen überdurchschnittlich hohen Anteil an über 64-jährigen Einwohnern habe, so Schärer. «Man kann nicht davon ausgehen, dass alle Senioren vermögend sind.» Zudem mangle es an genossenschaftlichen Wohnungen.
Konkret will die SP, dass das Baureglement der Gemeinde geändert wird. Zum Beispiel sollen bei künftigen Projekten 30 Prozent für den gemeinnützigen Wohnungsbau reserviert werden. Die Gemeinde soll Land erwerben und im Baurecht an gemeinnützige Bauträger abgeben, um den Bau von Familien- und Alterswohnungen zu fördern. Und sie soll aktiv in den Wohnungsbestand investieren.
Zu früh für Massnahmen
Der Gemeinderat lehnt die SP-Forderungen ab. Wie er in der Antwort zur Motion schreibt, sei das Baureglement das falsche Instrument, um Einfluss auf den Wohnungsbau zu nehmen. «Die Motion kommt zu früh», sagt zudem Gemeindepräsident Beat Moser (Grüne). Um das aufzuzeigen, nimmt er einen Leitfaden des Bundes zur Hand. Dieser empfiehlt den Gemeinden vier Schritte, wenn sie günstigen Wohnraum fördern wollen: Wohnungsmarkt analysieren, Ziele klären, Massnahmen ergreifen, Erfolg überprüfen. Die SP, sagt Moser, springe direkt zu Schritt drei. «Wir haben gerade den ersten hinter uns.» Also die Analyse des Wohungsmarkts.
Sie ergab, dass sich die Preise im Vergleich zu umliegenden Gemeinden «im oberen Segment» bewegen. Der Anteil älterer Menschen ist höher. Das Bevölkerungswachstum in den letzten 15 Jahren entwickelte sich unterdurchschnittlich. Der Bestand an Leerwohnungen lag zuletzt bei jeweils rund 1 Prozent und unter dem kantonalen Schnitt. Neue Wohnungen wurden in der Regel rasch besetzt. «Der Druck auf die Preise», so Moser, «ist bei uns relativ hoch.»
Der Gemeindepräsident teilt zwar die Stossrichtung der Motion, sagt aber: «Was die SP vorschlägt, ist nichts anderes als das Könizer Modell.» Dort sagten die Stimmbürger vor zwei Jahren Ja zu mehr preisgünstigem Wohnungsbau: Bei einer Fläche von mehr als 4000 Quadratmetern müssen 20 bis 40 Prozent der Fläche für preisgünstiges Wohnen reserviert werden. Wegen einer Beschwerde ist das Geschäft aber noch hängig. «Dieses Modell greift ins Eigentum», sagt Moser. Für Münsingen müsse es nicht zwingend das richtige sein. «Es gibt auch andere Lösungen.»
Eingriff ins Eigentum
Ihm imponiere etwa das Modell der Gemeinde Sursee. Dort werde die Situation im jeweiligen Quartier betrachtet und dafür gesorgt, dass dort eine gute Durchmischung herrsche. «Das wollen wir auch.» Und er ergänzt, dass die Gemeinde schon kurzfristig und ohne Reglementsänderung einiges für den vielfältigen Wohnungsbau unternehme. So werde sie für die gemeindeeigenen Liegenschaften definieren, wer von günstigem Wohnraum profitieren könne.
Zudem werde im Rahmen von Münsingen 2030 die gemeindeeigene Parzelle Brückreuti, wo sich heute noch Schrebergärten befinden, im Sinn öffentlicher Interessen entwickelt. Bis in sieben Jahren könnten dort rund 70 neue Wohnungen entstehen – zum Beispiel Genossenschaftswohnungen.
Infoabend: 7. März, 19 Uhr, Aula Schlossmatt, Münsingen.