Wichtrach - Wolfgang Henze sucht den Hintermann

Wolfgang Henze von der Galerie Henze&Ketterer kaufte und verkaufte ein gefälschtes Bild. Der Fälscher wurde verurteilt. Jetzt sucht Henze die Hintermänner.

Laura Fehlmann, Berner Zeitung BZ
Ein Bild ist Teil eines des wohl grössten Fälschungsskandals in Deutschland. Der Galerist und Kunstsachverständige Wolfgang Henze aus Wichtrach hatte 2003 den «Liegenden Akt mit Katze» von Max Pechstein beim Kölner Auktionshaus Lempertz für 498800 Euro ersteigert. Weiterverkauft hat er das Bild für 641000 Euro, damals fast eine Million Franken. Es stellte sich heraus, dass es sich um eine Fälschung handelte (wir berichteten). Diese flog auf, weil die Sammlung, aus der es stammen sollte, gar nicht existierte. Zudem waren die Etiketten auf der Rückseite des Bildes gefälscht. Der unechte Pechstein-Akt befindet sich in Köln in Gewahrsam.

Mittlerweile wurde der Fälscher zu sechs Jahren Haft verurteilt. Henze drückt es so aus: «Er schläft seine Strafe ab. Tagsüber kann er tun und lassen, was er will.»

Ausführliche Geständnisse

Der Ausgang des Prozesses macht den Galeristen und Kunstexperten alles andere als glücklich. Gegenüber dieser Zeitung hatte er aber schon vor einem Jahr gesagt: «Die Gerichte behandeln Fälscher pfleglich.» Das Kölner Landgericht hat Beltracchi wegen «bandenmässigen Betrugs» verurteilt. Ebenso seine Ehefrau, deren Schwester und einen Komplizen. Der Angeklagte nahm alle Schuld auf sich. Weil er ausführliche Geständnisse ablegte, wurde von 168 Zeugen kein einziger befragt. «Das war der Deal zwischen Anklage und Verteidigung», erklärt Henze, der jetzt noch den «kunsthistorischen Kopf» sucht, den er hinter den Fälschungen vermutet.

16 Millionen Euro ertrogen

Gefälscht war nicht nur der Pechstein. Die Bande hat 14 Fälschungen gestanden und rund 16 Millionen Euro ertrogen. Der Fälscher bekam sechs Jahre Haft, seine Frau vier Jahre. «Eine noch geringere Strafe erhielten die eigentlichen Verbrecher, nämlich die Verkäuferinnen der Fälschungen», ärgert sich Henze, der ebenfalls gerichtlich gegen den Fälscher vorging und gewann. «Das Gericht gestand mir 400000 Euro zu. Jetzt müssen wir nur dafür sorgen, dass wir das Geld auch kriegen.»

Der Galerist selber hat dem Käufer des Akts den Kaufpreis zurückerstattet. Auch das Kölner Auktionshaus Lempertz seinerseits hat Henze Kosten vergütet. «Bleiben noch die Anwalts- und die Gerichtskosten, die wir selber übernehmen.»

Wettrüsten mit Kriminellen

Für Henze ist klar, dass Fälschungen mit höchstem Fachwissen hergestellt werden. Er glaubt an ein regelrechtes Wettrüsten zwischen dem Kunstbetrieb und Fälschern. Nach dem Missbrauch von Archiven, Publikationen und Werkverzeichnissen müssten jetzt Archive mit Fälschungen aufgebaut werden, um diese zu erkennen. «Wir können der Delinquenz nur begegnen, indem wir selbst kriminelle Intelligenz entwickeln, um mögliche neue Strategien der Fälscherbranche schon vor ihr zu erkennen», erklärt Wolfgang Henze.

Den Kunstexperten ärgert, dass er nicht schon vor der Ersteigerung des Pechstein-Akts gemerkt hat, dass etwas nicht stimmt. «Ich bin aber nicht Pechstein-, sondern Kirchner-Experte», sagt er. Fälschungen von Kirchner-Werken hätten er und seine Ehefrau Ingeborg Ketterer – ebenfalls eine Kirchner-Expertin – schon vor anderen entlarvt. Ernst Ludwig Kirchner lebte und malte von 1880 bis 1938.

Obschon in die Fälschergeschichte verwickelt – wenn auch unverschuldet – hat die Galerie Henze&Ketterer keinerlei Vertrauensverluste erlitten. «Das ist wohl so, weil wir von Anfang an mit offenen Karten gespielt haben.» Wolfgang Henze, kann der unseligen Geschichte sogar eine philosophische Sicht abgewinnen: «Kunstwerke, sobald sie nur ein wenig geschätzt waren, wurden immer imitiert und als Fälschungen verkauft.» Aber das schützenswerte Kunstobjekt sei das, was vom Menschen übrig bleibe.


Kunstfälschungsskandal

Der vom Kölner Landgericht verurteilte Deutsche ist kein unbeschriebenes Blatt. Auch der Wichtracher Galerist und ausgewiesene Kirchner-Experte Wolfgang Henze von der Galerie Henze&Ketterer ging dem Fälscher auf den Leim und muss dafür bezahlen.

Der Kölner Prozess, in dem es auch um den von Henze gekauften und verkauften Pechstein-Akt ging, zeigte nur die Spitze des Eisbergs, wie das Newsportal «Spiegel online» berichtet. Beim Prozess sei die Wahrheitsfindung auf der Strecke geblieben. Die Anklage stützte sich nämlich nur auf 14 Bilder, die von bekannten Vertretern der klassischen Moderne stammen sollten und mit denen die Bande rund 16 Millionen Euro verdiente.

Die Ermittlungen hätten aber ergeben, dass der Mann schon in den 80er-Jahren Bilder geliefert hatte. Bis zu hundert Fälschungen dürften seine Komplizen auf den Markt gebracht haben. Die meisten Fälle sind aber verjährt. Dazu Henze: «Es gibt die Gier der zu zahlreichen Auktionshäuser nach ‹frischer Ware›, es gibt schwarze Schafe unter den Auktionatoren und Händlern, und manchmal gibt es sogar habgierige Experten, die bei Echtheitsabklärungen gerne mitverdienen.»


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Erstellt: 13.01.2012
Geändert: 13.01.2012
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