Wichtrach - Viel Lärm ums Polospiel

Emotionale Debatte: Die Gemeindeversammlung von Wichtrach hat das neue Zuhause des Polo-Clubs Bern verhandelt – und schliesslich dafür gestimmt. Diskussion und Abstimmung offenbarten eine gespaltene Gemeinde.

Cedric Fröhlich, Berner Zeitung BZ
Wenn Hansruedi Blatti vor seine Leute tritt, dann blickt er meistens in gewohnte Gesichter – die Wichtracher Gemeindeversammlung, das ist für gewöhnlich ein Kern aus 50 bis 60 Hartgesottenen. Dieser Donnerstagabend war deshalb auch für den Gemeindepräsidenten und FDP-Mann aussergewöhnlich.
 

Gut 250 Personen sassen ihm gegenüber. Grund für den Andrang war ein umstrittenes Geschäft: die Überbauungsordnung Leuere. Nach einer langen, teilweise sehr emotionalen Diskussion stimmten die Wichtracher dem Geschäft zu.Überbauungsordnung, Raumplanung – von Natur aus schwer verdauliche Kost, kein Gassenfeger.
 

Weshalb das diesmal anders war? Weil es nur vordergründig um Juristisches ging. Vielmehr verhandelten die Wichtracher die grundsätzliche Frage: Wofür sollen Grünflächen und Landwirtschaft in ihrer Gemeinde künftig weichen? Wer jetzt an verdichtete Quartiere, Hochhäuser, Wohnblocks denkt, liegt falsch. Zur Debatte stand eine: Poloanlage.
 

Polo im Dorf
 

Hintergrund: Der Polo-Club Bern hat 2009 in Wichtrach seine Zelte aufgeschlagen. Seither bietet er Kurse an, veranstaltet Turniere. Allerdings ist das aktuelle Spielfeld im Unterrain, direkt an der Kantonsstrasse, nur provisorisch. Der Versuch, das Provisorium anlässlich der Ortsplanung in einen rechtlich korrekten einzuzonen, scheiterte am Widerstand des Kantons.
 

Ein ortsansässiger Landwirt erklärte sich schliesslich bereit, dem Klub eine dauerhafte Bleibe zu bieten. Der Haken daran? Noch gilt dessen Parzelle am Leuereweg als Landwirtschaftszone. Und darf darum nicht für Sportveranstaltungen genutzt werden – auch wenn der Sport auf dem Rücken von Pferden und auf einer Wiese gespielt wird.
 

Der Landwirt beantragte beim Gemeinderat deshalb ein Umzonung. Eine komplizierte juristische Geschichte. Die kurze Version: Nach zwei Jahren Planung lag am Donnerstag ein Vorschlag zur Abstimmung vor. Dieser sah vor, aus der Parzelle eine beschränkte Bauzone zu machen.

«Das tut mir weh»
 

Das Vorhaben stiess in der Gemeinde auf Widerstand. Schon vor der Versammlung am Donnerstag. 14 Einsprachen gingen gegen die Überbauungsordnung ein. Entsprechend kam es an der Versammlung am Donnerstag zu hitzigen Diskussionen.
 

In einer langen Debatte äusserten verschiedene Wichtracherinnen und Wichtracher ihre Skepsis gegenüber dem Projekt. Da war der junge Mann, der sagte: «Polo ist ein elitärer Sport.» Der passe nicht zu Wichtrach. Er argumentierte mit den Kosten für die jährliche Mitgliedschaft im Klub: 4500 Franken.

«Ich glaube nicht, dass sich viele von uns das je leisten können.» Andere hielten dem Gemeinderat Planlosigkeit vor. Wieder andere bedauerten den Verlust von wertvoller Ackerfläche: «Das tut mir persönlich weh.»
 

Die Befürworter hielten ihrerseits dagegen. «Die Zeiten ändern sich», sagte einer von ihnen. Landwirte müssten nach Alternativen suchen. Zudem generiere der Polo-Club Arbeitsplätze – sieben sind es gegenwärtig. Gemeindepräsident Blatti versicherte überdies, sollte der Polo-Club weiterziehen, könne die Parzelle wieder landwirtschaftlich genutzt werden. Mit Fortdauer der Diskussion wurde deutlich: Die Fronten sind verhärtet.

Die Antwort
 

Am Ende siegten die Befürworter: 149 Ja gegen 80 Nein. Wann der Polo-Club sein neues Zuhause bezieht, ist dennoch unklar. Frühestens 2019. In einem nächsten Schritt muss das Amt für ­Gemeinden und Raumordnung der Überbauungsordnung zustimmen.

Schwieriger wird es mit den Einsprachen. Die sind noch nicht bereinigt. Momentan liegen sie bei Regierungsstatthalter Christoph Lerch. Unabhängig vom Entscheid, der Rechtsweg steht offen. Wichtrach hat am Donnerstag seine erste Antwort geliefert. Eine, die jedoch längst nicht alle mittragen: Grünfläche für den Polo-Club.


Ein Schreiben sorgt für böses Blut

Am Rande der Versammlung kam es zum Knatsch unter Parteikollegen. Die SVP hatte im Vorfeld für die Überbauungsordnung Leuere mobilisiert.

In einem Schreiben an die Mitglieder, welches dieser Zeitung vorliegt, rief die Partei dazu auf, ein Zeichen gegen «Lügen, Neid und Missgunst» zu setzen.

Die Gegner hätten keine wirklichen Argumente, blockierten das Projekt «wohl nur aus Neid und Missgunst». Die Worte des Parteivorstands kamen nicht überall gut an. Eine Gegnerin der Vor­lage, selbst SVP-Mitglied, sagte vor versammelter Menge: «Ich fühle mich von meiner eigenen Partei zutiefst beleidigt.»


Autor:in
Cedric Fröhlich, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 10.06.2017
Geändert: 10.06.2017
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