Wichtrach - Tussis, Tiere und sterbende Wilde

Sie stampfen, kriechen und wirbeln durch den Saal: 25 Schülerinnen und Schüler aus der Region rund um Münsingen lernen im Tanzprojekt Aaretal kreative Ausdrucksformen.

Sarah King, Berner Zeitung BZ

«Wir sind Gefangene. Wir flüchten. Wir sind frei. Dann flüchten wir wieder mit Sterben.» Die 10-jährige Laura macht es vor. Sie ist ein Wild-West-Sträfling und fällt einfach um.

Nein - Laura fällt nicht einfach so um, sondern ganz bewusst. Schliesslich gehört das zum professionellen zeitgenössischen Tanz, lanciert von der Kinder- und Jugendfachstelle Aaretal. Im Tanzprojekt Aaretal suchen 25 Schülerinnen und Schüler aus Wichtrach und umliegenden Gemeinden neue Ausdrucksformen und üben unter der Leitung des Choreografen Michael Wälti den kreativen Umgang mit Bewegung. «Gut gemacht», sagt der Coach den «7 Wilden» nach ihrem Auftritt. «Aber bim Stärbe chöi mir no chli öppis mache.»

Die Krähe und das Pferd

Zeitgenössischer Tanz kombiniert verschiedene Bewegungstechniken, Stile und Musikrichtungen. Michael Wälti stellt für die 6- bis 16-Jährigen ein altersgemässes Programm zusammen. So üben sich die Ältesten im Stück «Gegen Über» in Begegnungen aller Art. Die rockende Göre wird von einer stolzierenden Tussi abgelöst, eine Alte humpelt vorbei, und die Frechste von allen macht den Affen.

So richtig tierisch gestaltet sich der Tanz dann bei den Kleinsten. Die 5-jährige Leana verwandelt sich in eine Krähe, galoppiert als Pferd durch die Mehrzweckhalle, und manchmal ist sie einfach wieder das kleine Mädchen, das versucht, «die Welt zu verstehen». So steht es im Programm.

Im Gegensatz zu Städten fehlt in Dörfern oft ein Tanzangebot. Deshalb sind mit dem Tanzprojekt Kinder und Jugendliche aus ländlichen Gemeinden angesprochen. Sie kommen aus Wichtrach, Kiesen, Oppligen, Rubigen oder - wie Leana - «einfach aus der Schweiz. Aber die Nummer weiss ich gerade nicht.» Der Kopf ist schliesslich schon voll mit einstudierten Tanzschritten und Abläufen. Der Tanz fördere neben der Bewegung die Aufmerksamkeit und Konzentration, sagt Michael Wälti.

Auch der soziale Aspekt kommt nicht zu kurz, wie Barbara Schwägli merkt. Ihre 6-jährige Tochter Tabea ist Teil der Tanzgruppe. «Sie steht sich im Alltag manchmal selbst ein wenig im Weg, weil sie schüchtern ist. Mit Tanz kann sie sich andern gegenüber öffnen.» Das ist nötig. «Wir müssen als Gruppe arbeiten», mahnt Michael Wälti seine Schützlinge. «Ein Egotrip funktioniert nicht.»

Begeisterung weitergeben

Das hat der Tänzer in seiner Tanzausbildung in Amsterdam selbst gelernt. Mit Erfolg: Heute führt der 30-Jährige die Tanz Company «Bite Bullet Dance». Seinen Einsatz als Choreograf und Tanzlehrer für das Aaretaler Tanzprojekt leistet er im Rahmen seines Zivildiensts. Ein Dienst, der für ihn mit Freude und harter Arbeit verbunden ist. «Drei Stücke zu choreo­grafieren, ist aufwendig.» Er gebe aber seine Begeisterung gerne weiter. «Ich kann damit Menschen helfen, Selbstvertrauen zu entwickeln.»

Als Freischaffender führt Michael Wälti daneben noch andere Projekte. Seine neuste Tanzperformance feiert im nächsten März Premiere. Und dann könnte Wälti schon bald wieder mit den Kindern aus Wichtrach und Umgebung tanzen. «Die Chancen stehen gut», verrät Urs Ammon, Leiter der Kinder- und Jugendfachstelle Aaretal. «Er hat noch offene Zivildiensttage zu leisten.»


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Erstellt: 09.12.2015
Geändert: 09.12.2015
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