Wichtrach - Städter bestaunen Bauernhofidylle
Die Familie Aebischer Bärtschi aus Bern besucht die Bauernfamilie Krieg-Stucki. Ein Austausch – und der Start einer Serie von Besuchstagen.
Da nützt alles Rufen nichts. Die Galloway-Rinder auf der Weide in Wichtrach stellen sich taub. Erst als Bauer Daniel Krieg einen Kessel mit Maiswürfeln zeigt, kommen sie angerannt, rammen die Köpfe in den Kessel und fressen gierig. Die Zuschauer – unter ihnen die Stadtfamilie Judith Bärtschi, Heiner Aebischer mit den Töchtern Anna Lea und Sarah – lachen. Um sie herum gackern weisse und braune Hühner. Sie gehören der 12-jährigen Lea, Tochter von Marinette und Daniel Krieg-Stucki. Das Ehepaar hat vor einem Jahr den Hof an der Wilstrasse von den Schwiegereltern Silvia und Andres Stucki übernommen, auf Bio umgestellt und die Milch- gegen Mutterkühe ausgewechselt. Jetzt bieten sie Stadtfamilien Besuche auf dem Hof an. Aebischer Bärtschis sind die Ersten, die sich angemeldet haben (siehe unten).
Begeisterte Städter
Die beiden Familien machen einen Rundgang auf dem Hof. Da steht ein Treibhaus mit Kopfsalat, bei dessen Anblick die Städter sich freuen. In Verzückung geraten sie, als Marinette Krieg einen ihrer Wochenkörbe zeigt, die sie an Privatkundschaft verkauft: Da ist eine Schachtel mit Eiern von Leas Hühnern, Kopfsalat, Lauch, Karotten und Spinat – alles biologisch und saisongerecht. «So stellen wir uns das vor», sagt Judith Bärtschi. Die Psychologin aus der Stadt achtet auf gesunde Ernährung und auf die Herkunft der Lebensmittel. Auf die Frage von Bäuerin Marinette Krieg: «Was für Wünsche und Vorstellungen habt ihr denn sonst noch?» sagt Bärtschi: «So wie ihr das macht, finde ich es perfekt und total schön: Bio, die Wochenkörbe und das Hoflädeli.» Ihr Partner Heiner Aebischer sagt: «Es ist ein gutes Gefühl, zu sehen, woher die Produkte kommen. Erst recht, wenn man noch einen Bezug zu den Personen hat.»
Mit Nebenerwerb
Dass Marinette und Daniel Krieg noch andere Jobs haben – sie 40 Prozent bei der Mütter- und Väterberatung, er 50 Prozent als Informatiker –, zeigt, dass hinter der Idylle viel Arbeit steckt. Aber dass das Paar auf die Mithilfe der Schwiegereltern und auf die tatkräftige Unterstützung der Kinder zählen kann, sorgt für Motivation. Der 11-jährige Lukas hilft im Stall und bei der Gemüseproduktion. Lea kümmert sich ganz alleine um die Hühner. Sie erzählt, wie es für sie war, als das erste Rind zum Metzger gebracht wurde. Traurig sei sie gewesen und habe zuerst gedacht, sie esse nicht von diesem Fleisch. «Dann fand ich, aus Respekt werde ich trotzdem davon essen. Es war fein.» Das kann die 13-jährige Stadtbernerin Anna Lea schlecht nachvollziehen. Sie ist Vegetarierin. «Aus Tierliebe und wegen der Umwelt», wie sie sagt. Bauer Daniel Krieg kann das akzeptieren. Er gesteht, dass er anfangs Mühe hatte, die Rinder zum Metzger zu bringen. «Aber stressfreier geht es wirklich nicht. Und schliesslich haben wir die Rinder ja für die Fleischproduktion.» So unterhalten sich die Familien am Tisch, fragen, nehmen Anteil am so unterschiedlichen Leben der anderen und verabschieden sich zum Schluss herzlich.
[i] Für Stadt und Land: Der bernische Landfrauenverband sowie die bäuerlichen Organisationen Lobag und OGG wollen Stadt und Land einander näherbringen. Mit Familien-Besuchstagen ermöglichen sie deshalb Menschen aus nicht bäuerlichem Umfeld, Bauernbetriebe zu besuchen. Auf der Homepage der Lobag kann man sich dafür anmelden. Ini der Region Bern sind fünf Höfe bereit, für ein paar Stunden Gäste zu empfangen. Besucher und Gastgeber haben dann die Möglichkeit, sich am 15. September an der Sichlete auf dem Bundesplatz zu treffen.
[i] www.lobag.ch