Wichtrach - Saisonauftakt mit Gotthelf

Ein Gotthelfstoff eröffnete den Reigen der Vereinstheater in diesem Winter: Die Trachtenleute spielten «Hansjoggeli, den Erbvetter».

Stephan Künzi / Berner Zeitung BZ
Eine Emmentaler Bauernstube im 19. Jahrhundert. Reihum machen die Verwandten ihrem alten, ledigen Vetter Hansjoggeli die Aufwartung. Das heisst, wenn sie ehrlich wären, müssten sie ihn Erbvetter nennen, denn genau darum geht es ihnen bei ihren regelmässigen Besuchen auf dem Nidleboden: Hansjoggelis Heimet ist so schön und sein Vermögen so gross, dass alle hoffen, ihn dereinst nach Kräften beerben zu können. Die Trachtengruppe Kiesen-Wichtrach spielt Theater, und wie seit Jahren tut sie das bereits Ende Oktober. Sie eröffnet damit den Reigen der Vereinstheater, wie sie vor allem auf dem Land nach wie vor grosse Tradition haben. Ab Weihnachten und bis im Frühling ist landauf, landab die grosse Zeit dieser heimatlich geprägten Abende.

Auch Junge im Publikum

Dass ein solcher Anlass auch in einer halb städtischen Vorortsgemeinde wie Wichtrach sein Publikum findet, wird im Saal des Gasthofs Kreuz rasch klar. Es mag dazu beigetragen haben, dass sich die Trachtenleute mit «Hansjoggeli dem Erbvetter» an einen Klassiker gewagt haben: Das Stück stammt aus der Feder des Emmentaler Dichter-Pfarrers Jeremias Gotthelf, und es ist vom fast so bekannten Simon Gfeller zu einem Theater umgeschrieben worden.

Die 180 Stühle sind bis auf den letzten Platz belegt, und auch an den zurückliegenden Aufführungen, so sagt Samuel Isenschmid, sei der Saal jeweils immer gut gefüllt gewesen. «Wir haben immer viel Publikum», stellt der Präsident zufrieden fest. Die Leute aus dem Dorf und den Dorfvereinen kämen genauso wie die Kollegen aus anderen Trachtengruppen, und sogar die jüngere Generation fehle nicht. Obwohl das Freizeitangebot heute ja um ein Vielfaches breiter sei als vor vierzig Jahren, als er in der Trachtengruppe angefangen habe.

Verschiedene Charaktere

In der Emmentaler Bauernstube auf der Bühne reichen sich die Wirtin, der Hauptmann, die Bäuerin und der Viehhändler die Klinke, jeder und jede mit ihrem besonderen Charakter. Im Gegensatz zur Wirtin haben sich der Hauptmann, die Bäuerin und der Viehhändler im Publikum ihre Sympathien schnell verscherzt. Er wirkt mit seinem Kampf um einen Sitz im Grossen Rat nur karrieregeil, sie mit ihrem Ansinnen, Tochter Lisebethli als Haushalthilfe bei Hansjoggeli zu platzieren, nur habgierig. Der Dritte im Bunde schaut nicht nur tief ins Glas, im Handel haut er auch gerne den einen oder anderen übers Ohr.

Schwierig sei es, das Theater mit diesen ganz verschiedenen Menschentypen zu spielen, hält Isenschmid fest. Den Leuten im Saal gefällts. Zumal sich zum Schluss wie üblich alles zum Guten wendet: Haupterben werden nicht die gierigen Verwandten, sondern Bäbi und Bänz, die Angestellten auf Hansjoggelis Hof.

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Erstellt: 29.10.2012
Geändert: 29.10.2012
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