Wichtrach - Im Visier von Migros und Coop
Noch prägen die kleinen Detaillisten das Dorf. Doch nicht mehr lange: Mit der Migros und Coop möchten gleich zwei Grossverteiler ein Geschäft eröffnen.
Zwei Bäckereien. Zwei Metzgereien. Zwei kleine Käse- und Lebensmittelläden. Dazu eine Drogerie. Noch immer ist die Wichtracher Geschäftswelt dörflich geprägt. Für den Wocheneinkauf fahren die Wichtracher nach wie vor ins nahe Zentrum Münsingen mit seinen Grossverteilern und den vielen anderen grösseren und kleineren Läden. «Wir sind wohl die einzige Berner Gemeinde mit 4000 Einwohnern, in der weder Migros noch Coop zu finden sind», sagt Gemeindepräsident Hansruedi Blatti (FDP). In absehbarer Zeit soll sich das allerdings ändern, wie Blatti auf Anfrage weiter bestätigt.
Möglich machen es zwei neue Wohnüberbauungen: Coop plant eine Filiale auf dem Areal des ehemaligen Pneuhauses Pag, die Migros überlegt sich, in bequemer Fussdistanz dazu auf dem Areal der geschlossenen Wirtschaft Linde einen Voi zu eröffnen. In diesem von einem selbstständigen Franchisenehmer geführten Laden gibt es neben den Migros-Produkten auch Alkohol und Tabak.
Zwei Wohnüberbauungen
Damit klärt sich nach einer langen Zeit des Stillstands auch endlich die Zukunft der Linde. Die Traditionsbeiz, die während Jahren von weit her Gäste angezogen hatte, machte am Schluss mit negativen Schlagzeilen auf sich aufmerksam. Unter Polizeischutz mussten die Behörden im Herbst 2011 das Lokal schliessen, weil der Wirt kein Patent hatte.
Im Jahr darauf kam es zur Handänderung: Die Swisscarwash SA, die in Oppligen eine Autowaschanlage betreibt, kaufte die Liegenschaft mitsamt dem dazugehörigen Parkplatz. Auf dem Areal soll nun eine Überbauung entstehen, in die das heutige Gebäude integriert wird. Entstehen werden in erster Linie Wohnungen, dazu ein neues Restaurant sowie eben auch ein Voi. Ähnlich laufen die Planungen auf dem Pag-Areal und der angrenzenden Matte, die der GZH Architekten AG aus Belp und einem Privaten gehören. Auch hier wird ein Altbau direkt an der Bernstrasse mit modernen Häusern ergänzt, auch hier steht das Wohnen im Vordergrund, und auch hier zieht ein Grossverteiler ein, diesmal eben Coop.
Mehr Kunden im Dorf
Bei den Grossverteilern äussert sich zurzeit niemand. Während Coop ganz schweigt und für weitere Auskünfte zurück an die Gemeinde verweist, bestätigt die Migros immerhin, dass Wichtrach grundsätzlich «ein interessanter Standort» sei. Wie weit die Planung fortgeschritten ist, sagt aber auch hier niemand. Gemeindepräsident Blatti betont derweil, dass die Präsenz von Grossverteiler für die ansässigen Detaillisten nicht einfach nur eine unliebsame Konkurrenz darstelle. Immerhin kauften die Leute viel weniger auswärts ein, wenn im Dorf ein breites Angebot vorhanden sei. Damit steige die Zahl der potenziellen Kunden, kurz: Wer es schaffe, mit Spezialitäten das Sortiment von Migros und Coop zu ergänzen, könne von dieser höheren Frequenz sogar profitieren.
Drogist Martin Riesen denkt in eine ähnliche Richtung. Er weiss zwar, dass gerade die Kollegen im Lebensmittelbereich einem Zuzug der Grossen mit mehr als gemischten Gefühlen entgegenblicken. Zugleich macht er darauf aufmerksam, dass «man heute auch viele Drogerieartikel im Grossverteiler kaufen kann». Jeder Detaillist müsse seine eigene Strategie entwickeln, denn: «Den Lauf der Dinge können wir nicht beeinflussen.»