Wichtrach - Eine Liebeserklärung an die Frau
Die Galerie Henze&Ketterer zeigt Werke unter dem Titel «Frauen: Grandes Dames – Petites Fleurs». Sie greifen damit ein Bildthema auf, das im Expressionismus beliebt war.
Sonja Gasser, Berner Zeitung BZ
Die Frau, die den Pinsel schwingt, muss in der modernen Kunst gesucht werden. Weitaus häufiger haben Künstler ihre Ehefrauen, Geliebten und andere weibliche Modelle in den Werken verewigt.
Abgestützt auf den vertretenen Künstlerpositionen, liegt der Schwerpunkt der Präsentation in der Galerie Henze&Ketterer in Wichtrach auf Kunst des Expressionismus sowie passenden Werken, die den Bogen bis in die Gegenwart spannen. In den Gemälden, Grafiken und Skulpturen haben Künstler wie Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Max Pechstein, Karl Schmidt-Rotluff, Karl Hartung oder Daniel Spoerri Frauen variantenreich dargestellt: im Porträt, allein oder als Paar, als Tänzerinnen, als elegant gekleidete Damen mit Hut, aber ebenso in Aktdarstellungen.
Dass all diese Frauen nicht als Schafferinnen eines Werks und damit Künstlerin auftreten, liegt wohl weniger an mangelnder Kreativität als vielmehr am damaligen Rollenverständnis, bei dem die Berufstätigkeit dem Mann zufiel. Frauen, die unabhängig und gut gebildet sind, beruflich ihren Weg gehen und sich nebenbei um den Haushalt kümmern, entsprechen eher dem gegenwärtigen Idealbild. Selbst wenn die Frau in der passiven Rolle des Modells gezeigt wird, heisst das noch lange nicht, dass dahinter keine starke Persönlichkeit steckt.
Eifersucht im Harem
Ein gutes Beispiel ist Ernst Ludwig Kirchners «Harem» von 1922, das neben seiner Lebensgefährtin Erna eine weitere Nackte, Nina Hard, zeigt. Die Tänzerin hatte er als Aktmodell nach Davos eingeladen. Lange währte der Frieden zwischen den beiden Frauen nicht, weshalb Kirchner Erna nach Berlin schickte. «Dennoch muss Erna dominierend gewesen sein», sagt Galerist und Kirchner-Kenner Wolfgang Henz. «Denn die Bindung zwischen ihr und Kirchner hielt darüber hinaus zeitlebens an.»
Freundinnen oder Ehefrauen waren ein beliebtes Motiv für Akte, aber auch für Porträts. Im «Selbstporträt mit Akt» von 1937 räumt George Grosz sich selbst nur die obere rechte Ecke ein, während der massige Körper der nackten Frau vor ihm das halbe Bild einnimmt. Das Gemälde ist eine Liebeserklärung des Künstlers an seine Frau Eva.
Stimmige Auswahl
Künstler der Moderne interessierten sich besonders für den Menschen – im Innenraum oder in der Natur, in Reglosigkeit oder in Bewegung –, weshalb Frauen aus deren Umfeld oft porträtiert wurden.
Da es sich bei «Frauen: Grandes Dames – Petites Fleurs» um eine Ausstellung in einer Galerie handelt, kann ein Thema niemals kunsthistorisch erschöpflich vorgestellt werden, wie es in einer Museumsausstellung mit zahlreichen Leihgaben möglich wäre. Zwischen die käuflichen Arbeiten hat das Galeristenpaar Ingeborg Henze-Ketterer und Wolfgang Henze Werke aus der privaten Sammlung gehängt. Dadurch gelingt es, eine in sich stimmige Werkauswahl zu präsentieren. Und zwei kleine Bronzeplastiken lassen die vermisste Künstlerin doch noch finden: Louise Bourgeois.
Ausstellung: bis 21.September, Galerie Henze&Ketterer, Wichtrach.