Wichtrach - Die "Herzogin von Wichtrach" zieht sich zurück

Fast 25 Jahre lang war Annalise Herzog-Jutzi Gemeindeschreiberin. Kurz vor der Pensionierung muss sie ihr Amt wegen Krankheit abgeben.

Laura Fehlmann, Berner Zeitung BZ

Sie ist dünn und blass geworden. Aber ihr lebensfrohes Lachen hat Annalise Herzog trotz allem behalten. Schweren Herzens zieht sich die 61-jährige Gemeindeschreiberin von Wichtrach jetzt aus dem Berufsleben zurück. Dazu gezwungen haben sie eine schwere Krankheit und mehrere Operationen. «Mein Körper hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht, das muss ich akzeptieren», sagt sie.

Ihre Boxerhündinnen Santana und Alena halten den Kopf schräg und lauschen. Annalise Herzog hat jetzt mehr Zeit für ihre Lieblinge. Hunde, beziehungsweise Boxer, haben sie immer begleitet. Schon als junge Frau, als sie während 14 Jahren im Polizeidienst arbeitete. Weil sie Lust auf Neues hatte, übernahm sie 1987 die Gemeindeschreiberei von Niederwichtrach. Ihr Vorgänger verweigerte ihr jegliche Unterstützung, weil er eine weibliche Nachfolge nicht akzeptieren konnte. «Ich musste mir das Wissen selber holen», sagt sie. Annalise Herzog absolvierte berufsbegleitend die Ausbildung zur diplomierten Gemeindeschreiberin.

Wohnwagen gekauft

Das Pensum sei enorm gewesen. «Ferien lagen oft fast nicht drin.» Nebst der Geschäftsführung des Gemeinderats kümmerte sich die «Herzogin von Wichtrach», wie man sie später nannte, um das Bau- und Planungswesen, die Infrastruktur, Bildung und Kultur, Ortspolizei, Fürsorge, Vormundschaft und vieles mehr.

Während ihrer fast 25-jährigen Amtszeit in Wichtrach erlebte sie drei Hochwasserkatastrophen, einen Grossbrand und empfing den ersten Asylbewerber des Amtes Konolfingen. Niemand habe an diesen eine Wohnung vermieten wollen. «Um den Mann unterzubringen, kaufte ich zusammen mit der damaligen Gemeinderätin einen Wohnwagen.» Es gab noch andere Schwierigkeiten: Während Herzogs Amtszeit wechselte der Gemeindekassier sechsmal, und sie musste jeweils einspringen. Nur einmal, ein Gemeindekassier hatte Suizid begangen, lehnte sie ab. «Er hinterliess ein derartiges Chaos, dass der Schweizerische Gemeindeverband monatelang aufräumen musste.»

Lange Fusionsarbeiten

«Schon 1997 machte ich eine Aufstellung, in welchen Sachgebieten die Gemeinde Niederwichtrach mit den Nachbargemeinden zusammenarbeiten könnte», erinnert sie sich. Nachdem sich die Bevölkerung positiv zu einer Fusion geäussert hatte, nahm das Fusionsprojekt seinen Anfang. 2004 wurden Nieder- und Oberwichtrach zur heutigen Gemeinde Wichtrach. «Es gab natürlich Gegner, und ich hatte vor und auch nach der Fusion gegen Intrigen und Widerstand zu kämpfen», erinnert sie sich.

«Vorwärtsschauen»

Sie gehe mit traurigem Herzen, gesteht Annalise Herzog. Obschon sie in Münsingen aufgewachsen ist und bis heute mit Ehemann Ernst dort in ihrem Elternhaus wohnt, sei Wichtrach für sie eine Heimat. «Ich will vorwärtsschauen», sagt sie. Aber nun wird sich auf der Gemeindeverwaltung manches ändern: Es soll ein Geschäftsleiter eingesetzt werden. Die Verantwortlichkeiten werden geteilt und die Abteilungen von Sachbearbeitenden geleitet. Damit geht in Wichtrach eine Ära zu Ende. «Ich bin im Moment zufrieden, wenn ich täglich mit meinem Mann und den Hunden einen Spaziergang machen kann.» Sie steht auf, und schon sind Santana und Alena bereit in der Hoffnung, dass es losgeht.


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Erstellt: 05.04.2011
Geändert: 05.04.2011
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