Wichtrach - Der Senior fährt Senioren

Paul Schindler fährt Menschen zum Arzt oder ins Spital. Der pensionierte Polizeibeamte ist Rotkreuzfahrer. Seine Passagiere – meist Senioren – sind dankbar über die Hilfe.

Herbert Rentsch, Berner Zeitung BZ
Der Opel Astra vor dem Mehrfamilienhaus in Wichtrach ist ein gewöhnliches Privatauto. Nur ein Täfelchen mit dem Roten Kreuz hinter der Frontscheibe verrät: Das Auto leistet gerade einen Spezialeinsatz. Paul Schindler (76) ist unterwegs für den Rotkreuz-Fahrdienst. Er holt Elisabeth und Alfred Rindisbacher ab, um sie zum Inselspital zu führen. Die Reise mit Zug und Bus ist für den körperlich behinderten Ehemann zu anstrengend. «Wir sind froh, dass wir mit ihm fahren können», sagt Elisabeth Rindisbacher, die ihren Mann begleitet. Alfred Rindisbacher setzt sich auf ein rundes drehbares Kissen auf dem Beifahrersitz. So kann er besser einsteigen und sich danach in Fahrtrichtung drehen.

Ehrenamtliche Arbeit

Seit acht Jahren bringt Paul Schindler Menschen, die nicht gut zu Fuss oder krank sind, zum Arzt, in ein Spital oder eine Tagesstätte. Und er tut es gerne: «Die Leute schätzen es, wenn sie abgeholt werden. Sie sind dankbar über unsere Hilfe.» Er ist einer von elf Frauen und Männern, die in Wichtrach als Rotkreuzfahrer im Einsatz stehen. Im letzten Jahr legten sie total 951 Fahrten und damit über 14 000 Kilometer zurück. Die Passagiere bezahlen den Fahrern die Kosten fürs Auto direkt. Der Fahrdienst selbst ist eine ehrenamtliche Tätigkeit.

Im Auto zügig und sicher

Vor seiner Pensionierung arbeitete Paul Schindler 36 Jahre bei der Kantonspolizei, zuletzt als Bezirkschef Bern Land. Als Autofahrer ist er zwar nicht mehr der Jüngste. Doch sitzt er regelmässig am Steuer, fährt auch in der Stadt Bern oder auf längeren Fahrten in der Schweiz. Das merkt man: keine Spur von Zögerlichkeit. Er fährt zügig und selbstsicher und hat den Überblick über den Verkehr.

«Ich besuchte einen freiwilligen Weiterbildungskurs für Senioren», erzählt er. Kurz danach musste er sich, wie alle 75-Jährigen, einem Eignungstest für Rotkreuzfahrer stellen. Nach zwei Stunden Theorie gings mit einem Fahrlehrer eine Stunde auf die Strasse. Schindler: «Die Kurse haben es in sich. Aber am Schluss war der Fahrlehrer zufrieden mit mir.» Die Rotkreuzfahrer sind unterschiedlich oft im Einsatz. Schindler fährt ein- bis dreimal pro Woche. Etliche Passagiere kennt er schon lange. «Wenn jemand stirbt, mit dem man jahrelang gefahren ist, berührt das einen», sagt er. Den Mitfahrenden hilft er beim Ein- und Aussteigen und begleitet sie meist an den Bestimmungsort. Dann wartet er, bis ihr Termin vorbei ist, und bringt sie wieder nach Hause. Hie und da erledigt ein Fahrgast noch eine Besorgung oder macht en passant Einkäufe. «Manchmal trage ich dann noch die Sachen in die Wohnung.» Gerade für Senioren, die allein wohnen, sei der Rotkreuz-Fahrdienst eine Gelegenheit für Kontakte und Gespräche, weiss Schindler.

In der Regel werden die Rotkreuzfahrerinnen und -fahrer von der Kontaktstelle an die Fahrwilligen vermittelt. Leute, die einen Fahrer gut kennen, telefonieren oft direkt. Das tun auch Elisabeth und Alfred Rindisbacher bei Paul Schindler. Er fährt sie gerne. Aber: «Eigentlich bin ich ja froh, wenn sie keine Termine beim Arzt oder Spital haben.»

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Erstellt: 21.07.2012
Geändert: 21.07.2012
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