Wichtrach - "Belastung der Lebensqualität"

Besucher des "Barfestivals" in der Sagibachhalle in Wichtrach verärgern Anwohner. Sie klagen über Betrunkene, Ruhestörer und Randalierer.

Jean-Michel Wirtz, "Der Bund"
Gestern Abend, 21.30 Uhr vor der Sagibachhalle in Wichtrach: Alle Ankommenden tragen alkoholische Getränke mit sich. Die Stimmung ist ausgelassen, auf dem Kies liegen Glasflaschen, Bierdosen und Scherben. Die Jugendlichen sind hier für das zweite Wochenende des Barfestivals.

Doch dieses ist in der Gemeinde ein Grund zum Ärgernis. Laut dem Wichtracher Gemeindepräsidenten Hansruedi Blatti «erreicht eine Minderheit der Besucher durch ihr unmögliches Verhalten, dass eine stark steigende Zahl der Wichtracher dem Barfestival negativ gegenübersteht. Das Festival bedeutet für die Anwohner eine erhebliche Belastung und Beeinträchtigung der Lebensqualität.»

Nachtruhe gestört

Am störendsten ist der Lärm zu Beginn und am Ende der Veranstaltung. Dabei betont eine Quartierbewohnerin: «Von der Veranstaltung hören wir nichts. Problematisch ist das Drumherum.» Anwohner ärgern sich über spätnachts rufende und schreiende Besucher, die sich Schlägereien liefern, wild urinieren und gegen die Türen schlagen.

Organisator des Barfestivals ist der Kulturverein Sagibach. «Das Festival in der Eishalle hat ein wirtschaftliches Ziel», erklärt Jürg Rytz, Vertreter des Kulturvereins und Betriebsleiter der Sagibachhalle. «Die eisfreie Sommerzeit in der Eishalle soll so überbrückt werden. Dies ist umso wichtiger, da wir wenig Subventionen von der öffentlichen Hand bekommen.»

In der 4200 Personen fassenden Sagibachhalle werden aus diesem Grund auch andere Veranstaltungen abgehalten, unter anderem eine Gewerbeausstellung, ein klassisches Konzert, eine Volksmusikgala und ein Countryabend.

Das Barfestival findet jährlich an drei aufeinanderfolgenden Wochenenden in der Sagibachhalle statt. An je zwei Tagen, meist Freitag und Samstag, werden den Besuchern von 21.00 bis 3.30 Uhr 30 Bars von lokalen Vereinen und Organisationen, DJs und Liveshows geboten. Laut Rytz ist der Grossteil der Gäste zwischen 16 und 23 Jahren alt. Jugendlichen unter 16 Jahren ist der Zutritt zum Barfestival nicht gestattet.

Der Alkohol hat vor und während des Festivals eine wichtige Bedeutung. «Die jugendlichen Besucher bringen kistenweise Alkohol mit, auch Wodka und Whisky, und feiern schon vorher», beobachten Nachbarn. Sie schätzen, dass 60 bis 80 Prozent der Feiernden bereits betrunken zum - wie sie es bezeichnen - «Alkoholfestival» kommen. «Letztes Jahr fanden wir mitten in der Nacht einen Jugendlichen bei uns im Garten liegend. Aufgrund des Alkohols war er nicht mehr fähig zu stehen.»

Rytz ist sich der Probleme bewusst. Bei den jungen Besuchern glaubt er einen Mentalitätswandel zu sehen. Ihm zufolge schenken einige Heranwachsende den Anweisungen und Wünschen von Sicherheitspersonal und Anwohnern heutzutage zu wenig Beachtung.

Gemeinde verlangt Anpassungen

Am Samstag vor einer Woche bildeten sich am Eingang zur Halle zudem sehr lange Warteschlangen und Staus. Der Kulturverein hat darauf schnellstmöglich reagiert: «Wir hatten in der Tat Mühe mit dem Einlass», sagt Rytz. «Wegen des schlechten Wetters wollten alle auf einmal in die Halle. Schon nach dem ersten Abend wurden deshalb die Eingänge vergrössert.» Neu wurde zusätzlich ein Eingang nur für Besucher mit Vorverkaufstickets geschaffen.

Der Veranstalter und Gemeindepräsident Blatti verweisen auf die Massnahmen, welche die Störungen möglichst reduzieren sollen: Das Sicherheitspersonal begleitet die Besucher des Festivals vom Bahnhof bis zur Eishalle. Verstärkte Verkehrspatrouillen sollen wildes Parkieren in Quartiersstrassen verhindern. Zwei mobile Toiletten stehen am Bahnhof Wichtrach für die ankommenden Besucher bereit. Und die kostenlosen Shuttlebusse bringen die Feiernden in der Nacht dreimal à la Moonliner nach Thun und Bern.

Nicht alle Vorkehrungen erzielen den gewünschten Erfolg. «Mit den Shuttlebussen wollen wir verhindern, dass die Feiernden in der Gemeinde bleiben und dort auf den ersten Zug warten», erklärt Rytz. Einige verzichten leider auf dieses Angebot und verursachen bis zum Morgengrauen Lärm, beklagen Wichtracher.

Blatti betont, dass «die Veranstalter Konzepte bezüglich Sicherheit, Verkehr und Umwelt vorzulegen haben. Die Gemeinde kontrolliert im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Vorgaben und verlangt, auch aufgrund von Rückmeldungen aus der Bevölkerung, laufend Anpassungen.»

Einige Anwohner loben die Gemeinde für ihre Bemühungen: «Die machen wirklich ihr Bestes. Und das Sicherheitspersonal, das viele Pöbeleien ertragen muss, hat die Lage vor Ort genau im Blick», sagt eine Frau.

Alterslimit eingehalten?

Recherchen des «Bund» haben ergeben, dass an der letztjährigen Ausgabe des Festivals auch 14- und 15-Jährige anzutreffen waren. Laut einigen Gästen werden Fotos bei der Ausweiskontrolle nicht beachtet. «Wir tragen dem Jugendschutz Rechnung», verteidigt sich Rytz. Er nennt dabei die Ausweiskontrollen und die Markierung der Besucher mittels Stempel. «Doch Fotos zu überprüfen ist sicher sehr schwierig, denn teils sind selbst auf gültigen Ausweisen nicht mehr aktuelle Bilder zu sehen.» Dass Jugendliche versuchen die Eingangskontrollen zu überlisten, streitet er nicht ab.

Während der Veranstaltung zeigt die Kantonspolizei Präsenz. «Uniformierte Beamte sind in der Halle unterwegs und haben ein Auge auf das Geschehen», sagt die Mediensprecherin Alice Born. Bei kleineren Zwischenfällen, die nicht eine sofortige Intervention der Polizei erfordern, rät sie, sich bei einer Polizeistelle oder bei der Gemeinde zu melden.

Gemeindepräsident Blatti möchte noch nicht abschätzen, ob beim Festival eine Schmerzgrenze erreicht ist. «Das werden die Rückmeldungen nach dem Barfestival und die nun stattfindende öffentliche Diskussion wohl zeigen.»

Fehler gefunden?
Statistik

Erstellt: 06.04.2013
Geändert: 06.04.2013
Klicks heute:
Klicks total: