Wichtrach - Bauern leiden unter Ernteausfällen
Die Trockenheit raubt Landwirt René Moser den Schlaf. Jede Nacht lässt er 600'000 Liter Wasser über seine Felder regnen. Trotzdem hat er bereits eine Hektare Kartoffeln verloren. Für die Getreideernte indes ist die Trockenheit gut.
Nacht für Nacht
In und um Bern hat es seit einem Monat nicht mehr richtig geregnet. In Wichtrach, wo René Moser seinen Hof hat, gab es vor drei Tagen einen kurzen Schauer. Jedoch regnete es bei weitem nicht genug. René Moser hat seit drei Wochen nicht mehr durchgeschlafen. Jede Nacht muss er alle paar Stunden aufstehen, um die Bewässerungsanlage zu verschieben. Jede Nacht lässt er 600'000 Liter Wasser über seine Felder regnen. Insgesamt hat er dafür zwischen 2500 und 3000 Liter Diesel verbraucht: zum Literpreis von rund 1,50 Franken.
Frühe Getreideernte
René Moser bewirtschaftet rund 50 Hektaren Land. Den Getreide-betrieb übernahm er 2011 von seinen Eltern. Weder er noch sein Vater haben je Ähnliches erlebt. «So früh wie in diesem Jahr konnten wir unser Getreide noch nie ernten», erklärt Moser. Normalerweise würde er erst Ende Juli damit beginnen. Aber schon heute sind die Weizen und Gerstenfelder gänzlich eingebracht. «Für das Getreide ist solches Wetter ideal», sagt Moser, «würde es jetzt noch regnen, könnte man bereits wieder Gras ansähen.»
Was für das Getreide gut ist, ist umso schlechter für die Kartoffeln, den Mais oder die Zuckerrüben. Moser zeigt auf ein Maisfeld und seufzt: «Eigentlich müssten die Stauden jetzt doppelt so gross sein.» Anders als im Hitzesommer 2003 ist das Hauptproblem der diesjährigen Trockenheit vor allem der Zeitpunkt. Im Moment sind viele Kulturen in der Hauptwachstumsphase und benötigen umso mehr Wasser.
Das Hydrantenproblem
René Mosers Felder sind weit verstreut. Nur gut zwanzig Hektaren Land sind in der unmittelbaren Nähe seines Hofs, wo er für die Bewässerung auf Grundwasser zurückgreifen kann. «Hier stehen die Chancen gut, dass aus der Ernte etwas wird» sagt er. Mehr Probleme bereiten ihm die restlichen dreissig Hektaren, die sich auf der anderen Dorfseite befinden. Dort muss er einen Hydranten der Gemeinde anzapfen. Und das kostet Geld: 9 Rappen pro 1000 Liter Wasser.
Neben dem finanziellen Aspekt gibt es noch andere Herausforderungen. Einige Felder sind weit vom Hydranten entfernt. Um diese zu erschliessen, muss Moser auf zusätzliche Leitungsrohre zurückgreifen, was einen grösseren Arbeitsaufwand bedeutet. Ein weiteres Problem ist, dass die Gemeinde selber die Wasserversorgung aufrechterhalten muss und es vielleicht bald einen Engpass gibt. «Jede Woche muss ich die Gemeinde anrufen und neu verhandeln», sagt er.
Auf der anderen Dorfseite befindet sich auch jenes Kartoffelfeld, dass die Trockenheit nicht überstanden hat. Bis zu 10000 Franken verliere er mit diesem Feld, sagt Moser und fügt an: «Im Frühling überschwemmte der viele Regen ein Teil des Feldes, und jetzt im Sommer ist es ausgetrocknet. Die Jahreszeiten werden immer extremer.»
Anpassen ist angesagt
Wegen des Klimawandels müssen sich die Bauern in Zukunft auf häufigere Trockenperioden vorbereiten – zum Beispiel indem sie auf andere Gemüsesorten ausweichen.
Der Hitzesommer 2003 hatte schwerwiegende Folgen für die hiesigen Landwirte: Der Bauernverband spricht von einem Ernterückgang von 20 Prozent und Verlusten von rund 500 Millionen Franken. Ähnliche Ertragsausfälle erwartet Daniel Lehmann vom Berner Bauernverband für dieses Jahr. Es stünden den Landwirten zurzeit zwei Möglichkeiten offen: entweder in der Nacht wo möglich mit grossem Mehraufwand zu bewässern – oder die Ertragseinbussen zu akzeptieren.
«Solche extrem trockenen Perioden könnten in den nächsten Jahrzehnten häufiger werden», sagt Jürg Fuhrer von Agroscope, dem Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung. Aus diesem Grund empfiehlt das Zentrum den Bauern, sich frühzeitig dem Klimawandel anzupassen: «Wichtig ist vor allem eine optimale Bewässerung.» Dazu gehört der Bau von neuen Wasserleitungen zu grossen Quellen, damit kleinere Gewässer nicht austrocknen. Agroscope fordert aber auch Verteilsysteme, die den Pflanzen dosiert Wasser geben. «Die Bewässerung im Bereich Ackerbau wird in der Schweiz noch viel zu wenig optimiert», bedauert Fuhrer.
In der Zukunft werden Landwirte auch neue Pflanzensorten anbauen müssen, die das extreme Wetter besser überstehen. «Forscher haben etwa hitzeresistente Maissorten gezüchtet», sagt Fuhrer. Bei den Kartoffeln sei die Forschung aber weniger weit.
In den nächsten Jahren erwartet Fuhrer zudem, dass eine Trockenheitsversicherung ins Spiel kommen wird. Diese würde etwa für Schäden aufkommen, die den Bauern nach längerer Zeit ohne Regen entstehen. «Zurzeit entwickelt die Schweizerische Hagelversicherungsgesellschaft ein solches Modell.»
Wenigstens etwas Positives hat die Wetterlage für die Landwirte: «Reben gedeihen in warmen Jahren», sagt Fuhrer zum Schluss. So könnte 2015, wie 2003, zu einem guten Weinjahr werden. jek