Wichtrach - Aus der Dorfbeiz ins Gefängnis?
Der Hauptangeklagte im Fall um dubiose Geschäfte rund um eine Beiz in Wichtrach soll für viereinhalb Jahre ins Gefängnis. Er selber sieht sich als Sündenbock.
Es ist über sieben Jahre her, dass der Regierungsstatthalter eine der Dorfbeizen in Wichtrach geschlossen hat, wegen fehlenden Patents. Doch hinter den Kulissen lief einiges mehr schief, vor allem im finanziellen Bereich. Es geht um dubiose Leasinggeschäfte mit Luxusautos, aus dem Tresor verschwundenes Bargeld und nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge. Die Deliktsumme beläuft sich gemäss Anklageschrift auf über 600 000 Franken. Vor dem Wirtschaftsstrafgericht müssen sich zwei Männer verantworten: ein Kosovare, der die Fäden gezogen haben soll, und ein Garagist, der bei drei Leasings involviert war.
Die Staatsanwältin fordert für den Hauptbeschuldigten unter anderem wegen gewerbsmässigen Betrugs und qualifizierter ungetreuer Geschäftsführung eine Gefängnisstrafe von 54 Monaten. Erschwerend kommt für den heute 40-Jährigen hinzu, dass er schon mehrfach verurteilt worden ist und während laufender Verfahren weiter delinquiert hat. Aktuell sind weitere Verfahren hängig. Seine Niederlassungsbewilligung ist im letzten Jahr rechtskräftig widerrufen worden.
Er war der Chef
Für die Staatsanwältin ist klar, dass der Hauptbeschuldigte der Chef im Ganzen war. Sie nimmt ihm nicht ab, dass er von anderen missbraucht worden sei. Über 200 000 Franken habe er aus den Tageseinnahmen der Beiz für eigene Zwecke abgezweigt. «Für ihn stand nur der eigene Vorteil im Vordergrund», sagte sie gestern in ihrem Plädoyer und sprach von einem ausgeklügelten Vorgehen. Obwohl er in einer der Gesellschaften nicht zeichnungsberechtigt gewesen sei, habe er faktisch als Geschäftsführer firmiert.
Die Leasingfahrzeuge habe er nach Gutdünken in seinem Einflussbereich herumgeschoben, führte die Staatsanwältin weiter aus. Sie waren zwar auf Gesellschaften des Restaurants eingetragen, standen diesem aber nie zur Verfügung. Bei den Autos tauchten neue Ausweise auf ohne den Vermerk, dass sie geleast sind. Sie wurden weiterverkauft, Leasingraten nicht bezahlt. Er sei der Drahtzieher gewesen, wobei der Garagist eine wichtige Rolle gespielt habe. Er hat entscheidende Verträge unterschrieben. Für den Gewerbler verlangt die Staatsanwältin eine bedingte Gefängnisstrafe von 14 Monaten.
Der «perfekte Sündenbock»
Der Verteidiger des Hauptangeklagten versuchte die Anklageschrift zu zerreissen und sprach von einer einseitigen Ermittlung. Nicht alles sei im Einflussbereich seines Mandanten gewesen: «Die Staatsanwältin hat andere Beteiligte nicht genauer unter die Lupe genommen.» So habe der Hauptbeschuldigte mit einigen Fahrzeugen nichts zu tun gehabt. Auch in der Dorfbeiz habe es «mehrere andere potenzielle Langfinger» gegeben, ergänzte der Verteidiger. Sein Mandant sei der «perfekte Sündenbock» gewesen. Es würden keine objektiven Beweise bestehen. Er verlangte einen Freispruch und eine Entschädigung von 32 500 Franken für zu Unrecht erstandene Haft (siehe unten).
Auch der Verteidiger des Garagisten forderte einen Freispruch. Sein Klient habe nicht wissen können, was später mit den geleasten Fahrzeugen passieren werde.
Das Gericht wird das Urteil am nächsten Montag eröffnen.
Nächstes Verfahren läuft
Der Prozess vor dem Wirtschaftsstrafgericht war zuerst auf den 1. Mai 2018 terminiert. Doch der Hauptangeklagte erschien nicht. Er wurde rund einen Monat später aufgrund eines internationalen Haftbefehls in Montenegro verhaftet und gegen Ende August in die Schweiz überstellt. Bis zum Oktober, dem nächsten Gerichtstermin, sass er wegen Fluchtgefahr in Sicherheitshaft. Der zweite Gerichtstermin wurde vor den Plädoyers wegen der Erkrankung des Verteidigers erneut vertagt. Der Kosovare wurde zwar Mitte Oktober aus der Sicherheitshaft entlassen, landete aber gleich wieder in Untersuchungshaft zuhanden der Staatsanwaltschaft, die bereits das nächste Strafverfahren gegen ihn führt. Seit kurzem befindet er sich im vorzeitigen Strafvollzug.