Wattenwil bei Worb: Wie eine ausgebüxte Kuh zum Mega-Hype wurde

Ursprünglich suchte eine Bauersfrau bloss via Facebook-Aufruf eine vermisste Kuh. Plötzlich ging die Geschichte viral. Wie sich der Wahnsinn mit zwei Hörnern entwickelte.

Markus Zahno, Berner Zeitung BZ

Es begann mit dem Facebook-Aufruf einer Bauersfrau aus der Region Bern. «Vermisst wird seit Montagabend eine kleine Kuh (Evolèner). Sie hat Hörner, trägt einen Hälslig und eine Halfter», schrieb die Frau. «Vielen Dank für allfällige Hinweise.» Ein ganz gewöhnlicher Aufruf, völlig harmlos.

 

Doch es kamen keine neuen Hinweise. Die Kuh blieb verschwunden, und die regionale Wochenzeitung publizierte eine kurze Nachricht. Dreizehn Zeilen, Titel: «Kuh auf der Flucht». Das Tier sei eher klein, dunkelrot mit weissen Flecken und trage die Ohrmarke 7253. «Haben Sie die Kuh gesehen?» Doch die Kuh ward nicht gesehen.

 

Dafür publizierte das regionale Online-Newsportal einen längeren Artikel. Der Bauer erzählt darin, wie er seine Kühe in den Laufhof liess, wie die Evolèner Kuh über eine Steinmauer sprang, sich auch durch Weidezäune nicht aufhalten liess und im Wald verschwand.

 

Auch diese Zeitung berichtete danach über die ausgebüxte Kuh, eine Bauernfachzeitung legte nach. Einen Tag später schaltete sich die natio­nale Pendlerzeitung ein und startete eine Artikelserie: Sie verriet nicht nur den Namen der flüchtigen Kuh (Spächtli), sondern auch, dass dem Tier nach dem Einfangen der Gang zum Metzger drohe.

 

Innert kürzester Zeit gingen 270 Leserkommentare ein, die meisten empört. Das österreichische Gut Aiderbichl kündigte an, das Tier vor der Schlachtbank retten und bei sich aufnehmen zu wollen.

 

Am Freitag schliesslich kürte eine nationale Tageszeitung die Kuh zum Kopf des Tages und widmete ihr einen ausgewachsenen Artikel. Die Kuh hiess darin übrigens nicht mehr Spächtli, sondern Stürm, benannt nach Ausbrecherkönig Walter Stürm.

 

So ist aus dem kurzen Facebook-Post innert knapp zweier Wochen eine Geschichte geworden, die viral geht. Ein Hype, der für den betroffenen Bauern – angesichts der Hunderten empörten Leserreaktionen – wohl schon lange nicht mehr lustig ist.

 

Was er darüber denkt und ob er die Kuh vielleicht schon eingefangen hat? Wir wissen es nicht. Zuletzt blieben alle Versuche, den Besitzer zu kontaktieren, erfolglos. Wer mag es ihm verübeln?


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Erstellt: 06.04.2019
Geändert: 06.04.2019
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