Walkringen - Volk lehnt Steuersenkung ab
Die Gemeindeversammlung lehnte die vom Gemeinderat beantragte Steuersenkung ab. Die Bevölkerung ist generell verunsichert, das zeigten die vielen Voten an der Versammlung.
Die Walkringer Bevölkerung traute dem Antrag nicht. 85 der rund 120 Anwesenden an der Gemeindeversammlung wollten lieber ein Budget ohne Steuersenkung. Nur 35 Personen waren für den Antrag des Gemeinderats, die Steuern um ein halbes Steuerzehntel von 2,14 auf 2,09 Einheiten zu senken. Dieses Ergebnis ist auch ein Zeichen für die Verunsicherung, die in der Gemeinde herrscht. Die Exekutive sah sich mit zahlreichen Fragen konfrontiert (siehe auch unten).
Die Schlagzeilen
Walkringen hat viel durchgemacht in den letzten Jahren. Neben den Querelen im Gemeinderat, den Demissionen, den Rücktritten von ganzen Kommissionen und etlichen Kündigungen auf der Verwaltung, hatte die Gemeinde am Tor zum Emmental auch in finanzieller Hinsicht zu kämpfen. Hier einige Schlagzeilen dieser Zeitung zu den Walkringer Finanzen der letzten drei Jahre:
28. November 2012 «Das Budget abgelehnt»
19. Dezember 2012: «Kein Geld fürs Skilager»
29. Januar 2013: «Ohne Budget weniger Winterdienst»
27. März 2013: «Klares Nein zu Steuererhöhung»
27. November 2013: «Trotz Steuererhöhung ein Ja»
26. November 2014: «Buchgewinn sorgt für Luft»
28. November 2015: «Steuerhölle senkt Steuern»
Es kommen keine Millionäre
Die Anwesenden an der Gemeindeversammlung hatten diese Schlagzeilen wohl noch im Gedächtnis. Nachdem das Budget mit dem Antrag auf Steuersenkung präsentiert worden war, meldeten sich etliche zu Wort. «Es ist noch nicht lange her, da mussten wir aus finanziellen Gründen auf den Winterdienst verzichten», sagte ein Votant, «und jetzt sollen die Steuern gesenkt werden, das macht doch keinen Sinn.» Ähnlich sahen das auch andere. «Wir wollen nicht jetzt die Steuern senken, nur um sie in einem Jahr wieder erhöhen zu müssen», sagte ein Anwesender, «eine Senkung ist immer einfach, eine Erhöhung sehr schwierig.» Andere befürchteten, dass der Gemeinderat die Steuern nur aus politischen Gründen senken wolle.
Gemeindepräsident Peter Stucki erwiderte, dass Steuern immer ein Politikum seien. Er wolle damit ein Zeichen setzen, «dass unsere Gemeinde wieder attraktiver wird.» Dem hielt eine Votantin entgegen: «Auch bei einem Steuerfuss von 2,09 kommen keine Millionäre nach Walkringen», sagte sie. Andere kritisierten den Gemeinderat etwas schärfer und bezeichneten die geplante Senkung einfach nur als verantwortungslos. Am Schluss war sich eine Mehrheit einig: Erst einmal abwarten. «Wir können es uns nicht leisten, ein Risiko einzugehen», so der Tenor.
Positiver Finanzplan
Wie kann eine Gemeinde, die finanziell so in Schwierigkeiten war, überhaupt seine Steuern senken? Gemeinderat Rolf Wittwer sprach von stabilen Steuereinnahmen, von geringeren Lehrerbesoldungen, vom Verkauf von Bauplätzen, von einem Eigenkapital von 500'000 Franken, das der Empfehlung des Kantons nach einer Reserve von drei bis fünf Steuerzehntel entspreche. Er sprach aber auch vom Finanzplan 2016 bis 2020, der in jedem Jahr einen Gewinn von 150'000 bis 200'000 Franken ausweist.
Stucki stört sich an der 2
All diese Argumente waren letztlich nicht gewichtig genug. Die Walkringer Bevölkerung lässt lieber «die Vernunft walten», wie eine Votantin es nannte. Das Budget wurde mit dem bisherigen Steuerfuss von 2,14 Einheiten genehmigt. «Das Volk hat abgestimmt, da müssen wir gehorchen», sagt Gemeindepräsident Stucki und fügt an: «Am liebsten hätte ich 1,99 Einheiten. Mich stört einfach diese 2.»
[i] Andere Sorgen
Nicht nur das Budget gab an der Walkringer Gemeindeversammlung zu reden. Auch die zahlreichen Abgänge verunsichern die Leute. Drei Gemeinderatsmitglieder, die gesamte Baukommission, ein Mitglied der Liegenschaftskommission und insgesamt neun Mitarbeitende der Verwaltung haben in den letzten zwei Jahren ihre Posten verlassen. Nicht wenige hatten als Grund Unstimmigkeiten mit dem Gemeindepräsidenten Peter Stucki angegeben. Mehrere Anwesende der Gemeindeversammlung wollten deshalb wissen, was los ist. Ein Mann etwa machte sich gar Sorgen um die Gesundheit der Mitarbeiter. Ein Votant fragte den Gemeindepräsidenten, ob er das normal finde, dass so viele gegangen seien. Eine Frau sorgte sich um die Zukunft. «Inzwischen ist die Walkringer Verwaltung ein rotes Tuch in der Branche», sagte sie. Niemand wolle noch hier arbeiten. Viele Fragen nahm Stucki lediglich zur Kenntnis. «Unter vier Augen hat mich nie jemand kritisiert», sagte er. «Ich sehe kein eigenes Verschulden.» Es sei schade, dass solche Vorwürfe dann in der Zeitung landeten. «Hier vorne könnte wer auch immer stehen», fügte er an, «die Kritik wäre dieselbe.» Die Probleme hätten schon 2012 angefangen. Was die Zukunft betrifft, ist Stucki zuversichtlich: «Es gibt noch Leute, die hier arbeiten wollen», sagte er. Voraussichtlich im März sei die Behörde wieder komplett.
mbu