Walkringen - Stadt und Agglomeration als Motor, das Land als Erholungsraum
Die Vertreter der 97 Gemeinden der Regionalkonferenz Bern-Mittelland reisten erstmals in eine Landgemeinde. Dort wurde über die Entwicklung der ganzen Region diskutiert.
Bruno Zürcher / Wochen-Zeitung
Die achte Regionalversammlung der 97 Gemeinden, die dem Gebiet Bern-Mittelland angehören, fand erstmals «in einer richtigen Landgemeinde statt», wie Christine Hofer «ihre» Gemeinde Walkringen beschrieb. Die Idee, die Regionalkonferenz dort durchzuführen, sei bei einem Apéro entstanden. «Wir mussten uns nicht speziell bewerben», meinte die Gemeindepräsidentin.
In der Tat haben sich die Vertreter der 97 Gemeinden noch nie an einem so
abseits gelegenen Ort wie dem Rüttihubelbad getroffen; von den ersten sieben Konferenzen fanden alleine drei in Bern statt, zwei weitere in Ittigen und Bolligen. Etwas Landluft konnte in den regionalen Zentren Münsingen und Belp geschnuppert werden.
Dass das Stadt-Land-Gefälle auch in der achten Austragung der Regionalkonferenz noch ein grosses Thema bildet, unterstrich der Appell des Präsidenten Beat Giauque an die Mitglieder: «Klar haben wir Unterschiede, klar haben wir auch mal unterschiedliche Ansichten», meinte der Gemeindepräsident aus Ittigen, «es ist wichtig, dass wir das Verbindende in den Vordergrund stellen und den positiven Geist bewahren.»
Wie soll sich die Region entwickeln?
Nebst den Wahlen bildete das regionale Verkehrs- und Siedlungskonzept den Schwerpunkt der Versammlung. Das Papier zeigt auf, wie und wo sich das Verkehrsangebot und das Siedlungsgebiet entwickeln sollen. Während dreier Jahre wurde an dem Konzept gearbeitet. Das Fazit: Auch weiterhin soll Bern und die Agglomeration den «Motor» der Region bilden, wie die Ausführungen der Projektleiter zeigten. «Wir erwarten ein Wachstum; bei der Bevölkerung und bei der Arbeit ein moderates und beim Verkehr leider ein weniger moderates», erklärte Christian Zahler, Präsident der Kommission Raumplanung.
Zu reden gab in der Debatte der Antrag der Gemeinde Zollikofen, die das Gebiet Rütti (Standort Hochschule für Landwirtschaft, Inforama Rütti und weiteren Institutionen) nicht als «bauliches Entwicklungsgebiet» im Konzept vermerkt haben wollte. «Die Gemeinde Zollikofen will die Rütti offen halten und diese schweizweit einzigartige Bildungsstätte in keiner Weise gefährden», begründete Zollikofens Gemeindepräsident, Stefan Funk. Obwohl sich die Geschäftsleitung und ein Mitarbeiter der Geschäftsstelle klar gegen den Antrag aussprachen, wurde dieser mit 119 Ja gegenüber 17 Nein angenommen (enthalten: 72 Stimmen). Schliesslich wurde auch das gesamte Entwicklungskonzept deutlich genehmigt.
Und die ländlichen Gemeinden?
Auch der ländliche Raum soll sich entwickeln können, vorab in den Zentrumsgemeinden. Als Ziel nannte Christian Zahler das Halten der Einwohnerzahlen bei gleichzeitigem Schutz des Kulturlandes. Als Zentrumsgemeinde gelten im Gebiet der «Wochen-Zeitung» Konolfingen (Zentrum 4. Stufe) sowie Oberdiessbach (Zentrum 5. Stufe). Um ein angestrebtes Ziel in dieser Region zu finden, muss man im Entwicklungskonzept recht lange blättern. Unter dem Stichwort «Kiesental» wurde festgehalten: «Das Dreieck Konolfingen–Grosshöchstetten–Zäziwil ist als subregionaler Entwicklungsraum weiterzuentwickeln.
Generell sind die naturräumlichen Gegebenheiten der Flussläufe zu beachten, die Hangkanten zu schonen und die Zäsuren zwischen den Siedlungsschwerpunkten zu sichern.» Auch Szenarien zu «weiteren ländlichen Gebieten» wurden skizziert: «…im Raum der südlichen Ausläufer des Emmentals ist der Schwerpunkt auf Land- und Forstwirtschaft sowie Natur und Naherholung zu legen. Die lokale Siedlungsentwicklung ist in diesen Räumen auf die ÖV-erschlossenen bestehenden Siedlungsschwerpunkte zu beschränken.»
Moritz Müller, Bowiler Gemeindepräsident, steht dem Konzept kritisch gegenüber. «Die Gemeinden sollen sich entlang der Verkehrsachsen entwickeln, lautet das Ziel. Für Bowil würde das heissen, dass wir im Talgrund ebenes Land überbauen würden – das ist nicht sinnvoll und nicht mehrheitsfähig.»
Müller findet generell, dass die Regionalkonferenz sehr von den grossen Gemeinden dominiert wird. Im Grossen Rat hat er eine Motion einge-
reicht, mit der die Stimmkraft der Stadt Bern (43 Stimmen) begrenzt werden soll. Zum Vergleich: Bowil stehen zwei Stimmen zu. Die Motion wird im September behandelt, die Regierung beantragt, diese abzulehnen.
«Wir sind keine Verhinderer»
Wie gut funktioniert die Regionalkonferenz heute? «Schwierig wird es bei Projekten, welche nur die Stadt Bern betreffen, aber von allen 97 Gemeinden mitgetragen werden müssen», sagt Müller. «Ich und andere Vertreter von Kiesentaler Gemeinden werden oft als Verhinderer bezeichnet. Dabei vertreten wir in der Regionalkonferenz nur die Anliegen unserer Gemeinden.» Die Präsidenten der Kiesentaler Gemeinden treffen sich vor den Konferenzen jeweils und besprechen die anstehenden Geschäfte; dazu laden sie auch die Gemeinden des Aare- und Gürbetals ein, welche aber eher selten teilnehmen.
Walkringens Gemeindepräsidentin Christine Hofer empfielt einen offenen Umgang unter den Gemeinden. «Wir haben uns mit dem Gemeinderat der Stadt Bern getroffen. Es war interessant zu sehen, was den Berner Gemeinderat beschäftigt – und sicher auch umgekehrt.»
Langwierige Wahlen
Als äusserst zeitaufwändig erwiesen sich an der Regionalkonferenz die Ersatzwahlen. Zu besetzen waren je ein Sitz in der Geschäftsleitung sowie in der Kommission Soziales und in der Kommission Raumplanung. Einzig Letzterer konnte im stillen Wahlverfahren vergeben werden: Werner Meile aus Bremgarten wird der Kommission Raumplanung neu angehören.
Für den Sitz in der Kommission Soziales wurden dann zwei Herren vorgestellt. Die Gemeindepräsidenten aus Ittigen und Ostermundigen priesen «ihre» Kandidaten unter anderem mit dem Argument der hohen Ausländeranteile an – ein Faktor, den die Gemeindepräsidenten sonst kaum hervorheben. In der geheimen Wahl machte schliesslich Gerhard Baumgartner aus Ostermundigen das Rennen.
Für die Wahl eines neuen Geschäftsleitungs-Mitgliedes waren schliesslich sogar zwei geheime Wahlgänge nötig,weil sich gleich vier Herren um den freien Sitz bewarben. Das Rennen machte am Ende Rudolf Neuenschwander aus Belp.
Plus, trotz Nachkrediten
Die Rechnung 2011 der Regionalkonferenz Bern-Mittelland weist bei einem Umsatz von gut 3,9 Millionen Franken ein Plus von knapp 100’000 Franken aus.
Bevor die Rechnung genehmigt werden konnte, hatten die Vertreter der 97 Gemeinden Nachkredite in der Höhe von 63’800 Franken zu genehmigen; davon wurden 48’000 Franken für Stellenausschreibungen eingesetzt. «Eine der beiden Stellen musste leider zweimal ausgeschrieben werden, weil ein Kandidat im letzten Moment seine Bewerbung zurückzog», begründete Dominique Folletête, Präsident der Geschäftsleitung, die ausserordentlichen Kosten.
An der Regionalkonferenz in Walkringen haben die Gemeindevertreter weiter zwei Verpflichtungskredite genehmigt. Zum einen wurden 150’000 Franken für eine Informationskampagne bewilligt (der Kanton Bern wird die Hälfte der Kosten tragen). Zum andern wurden 140’000 Franken für eine regionale Planung von Angeboten für Velofahrer gutgeheissen. Auch hier wird sich der Kanton zur Hälfte an den Kosten beteiligen.
In der Tat haben sich die Vertreter der 97 Gemeinden noch nie an einem so
abseits gelegenen Ort wie dem Rüttihubelbad getroffen; von den ersten sieben Konferenzen fanden alleine drei in Bern statt, zwei weitere in Ittigen und Bolligen. Etwas Landluft konnte in den regionalen Zentren Münsingen und Belp geschnuppert werden.
Dass das Stadt-Land-Gefälle auch in der achten Austragung der Regionalkonferenz noch ein grosses Thema bildet, unterstrich der Appell des Präsidenten Beat Giauque an die Mitglieder: «Klar haben wir Unterschiede, klar haben wir auch mal unterschiedliche Ansichten», meinte der Gemeindepräsident aus Ittigen, «es ist wichtig, dass wir das Verbindende in den Vordergrund stellen und den positiven Geist bewahren.»
Wie soll sich die Region entwickeln?
Nebst den Wahlen bildete das regionale Verkehrs- und Siedlungskonzept den Schwerpunkt der Versammlung. Das Papier zeigt auf, wie und wo sich das Verkehrsangebot und das Siedlungsgebiet entwickeln sollen. Während dreier Jahre wurde an dem Konzept gearbeitet. Das Fazit: Auch weiterhin soll Bern und die Agglomeration den «Motor» der Region bilden, wie die Ausführungen der Projektleiter zeigten. «Wir erwarten ein Wachstum; bei der Bevölkerung und bei der Arbeit ein moderates und beim Verkehr leider ein weniger moderates», erklärte Christian Zahler, Präsident der Kommission Raumplanung.
Zu reden gab in der Debatte der Antrag der Gemeinde Zollikofen, die das Gebiet Rütti (Standort Hochschule für Landwirtschaft, Inforama Rütti und weiteren Institutionen) nicht als «bauliches Entwicklungsgebiet» im Konzept vermerkt haben wollte. «Die Gemeinde Zollikofen will die Rütti offen halten und diese schweizweit einzigartige Bildungsstätte in keiner Weise gefährden», begründete Zollikofens Gemeindepräsident, Stefan Funk. Obwohl sich die Geschäftsleitung und ein Mitarbeiter der Geschäftsstelle klar gegen den Antrag aussprachen, wurde dieser mit 119 Ja gegenüber 17 Nein angenommen (enthalten: 72 Stimmen). Schliesslich wurde auch das gesamte Entwicklungskonzept deutlich genehmigt.
Und die ländlichen Gemeinden?
Auch der ländliche Raum soll sich entwickeln können, vorab in den Zentrumsgemeinden. Als Ziel nannte Christian Zahler das Halten der Einwohnerzahlen bei gleichzeitigem Schutz des Kulturlandes. Als Zentrumsgemeinde gelten im Gebiet der «Wochen-Zeitung» Konolfingen (Zentrum 4. Stufe) sowie Oberdiessbach (Zentrum 5. Stufe). Um ein angestrebtes Ziel in dieser Region zu finden, muss man im Entwicklungskonzept recht lange blättern. Unter dem Stichwort «Kiesental» wurde festgehalten: «Das Dreieck Konolfingen–Grosshöchstetten–Zäziwil ist als subregionaler Entwicklungsraum weiterzuentwickeln.
Generell sind die naturräumlichen Gegebenheiten der Flussläufe zu beachten, die Hangkanten zu schonen und die Zäsuren zwischen den Siedlungsschwerpunkten zu sichern.» Auch Szenarien zu «weiteren ländlichen Gebieten» wurden skizziert: «…im Raum der südlichen Ausläufer des Emmentals ist der Schwerpunkt auf Land- und Forstwirtschaft sowie Natur und Naherholung zu legen. Die lokale Siedlungsentwicklung ist in diesen Räumen auf die ÖV-erschlossenen bestehenden Siedlungsschwerpunkte zu beschränken.»
Moritz Müller, Bowiler Gemeindepräsident, steht dem Konzept kritisch gegenüber. «Die Gemeinden sollen sich entlang der Verkehrsachsen entwickeln, lautet das Ziel. Für Bowil würde das heissen, dass wir im Talgrund ebenes Land überbauen würden – das ist nicht sinnvoll und nicht mehrheitsfähig.»
Müller findet generell, dass die Regionalkonferenz sehr von den grossen Gemeinden dominiert wird. Im Grossen Rat hat er eine Motion einge-
reicht, mit der die Stimmkraft der Stadt Bern (43 Stimmen) begrenzt werden soll. Zum Vergleich: Bowil stehen zwei Stimmen zu. Die Motion wird im September behandelt, die Regierung beantragt, diese abzulehnen.
«Wir sind keine Verhinderer»
Wie gut funktioniert die Regionalkonferenz heute? «Schwierig wird es bei Projekten, welche nur die Stadt Bern betreffen, aber von allen 97 Gemeinden mitgetragen werden müssen», sagt Müller. «Ich und andere Vertreter von Kiesentaler Gemeinden werden oft als Verhinderer bezeichnet. Dabei vertreten wir in der Regionalkonferenz nur die Anliegen unserer Gemeinden.» Die Präsidenten der Kiesentaler Gemeinden treffen sich vor den Konferenzen jeweils und besprechen die anstehenden Geschäfte; dazu laden sie auch die Gemeinden des Aare- und Gürbetals ein, welche aber eher selten teilnehmen.
Walkringens Gemeindepräsidentin Christine Hofer empfielt einen offenen Umgang unter den Gemeinden. «Wir haben uns mit dem Gemeinderat der Stadt Bern getroffen. Es war interessant zu sehen, was den Berner Gemeinderat beschäftigt – und sicher auch umgekehrt.»
Langwierige Wahlen
Als äusserst zeitaufwändig erwiesen sich an der Regionalkonferenz die Ersatzwahlen. Zu besetzen waren je ein Sitz in der Geschäftsleitung sowie in der Kommission Soziales und in der Kommission Raumplanung. Einzig Letzterer konnte im stillen Wahlverfahren vergeben werden: Werner Meile aus Bremgarten wird der Kommission Raumplanung neu angehören.
Für den Sitz in der Kommission Soziales wurden dann zwei Herren vorgestellt. Die Gemeindepräsidenten aus Ittigen und Ostermundigen priesen «ihre» Kandidaten unter anderem mit dem Argument der hohen Ausländeranteile an – ein Faktor, den die Gemeindepräsidenten sonst kaum hervorheben. In der geheimen Wahl machte schliesslich Gerhard Baumgartner aus Ostermundigen das Rennen.
Für die Wahl eines neuen Geschäftsleitungs-Mitgliedes waren schliesslich sogar zwei geheime Wahlgänge nötig,weil sich gleich vier Herren um den freien Sitz bewarben. Das Rennen machte am Ende Rudolf Neuenschwander aus Belp.
Plus, trotz Nachkrediten
Die Rechnung 2011 der Regionalkonferenz Bern-Mittelland weist bei einem Umsatz von gut 3,9 Millionen Franken ein Plus von knapp 100’000 Franken aus.
Bevor die Rechnung genehmigt werden konnte, hatten die Vertreter der 97 Gemeinden Nachkredite in der Höhe von 63’800 Franken zu genehmigen; davon wurden 48’000 Franken für Stellenausschreibungen eingesetzt. «Eine der beiden Stellen musste leider zweimal ausgeschrieben werden, weil ein Kandidat im letzten Moment seine Bewerbung zurückzog», begründete Dominique Folletête, Präsident der Geschäftsleitung, die ausserordentlichen Kosten.
An der Regionalkonferenz in Walkringen haben die Gemeindevertreter weiter zwei Verpflichtungskredite genehmigt. Zum einen wurden 150’000 Franken für eine Informationskampagne bewilligt (der Kanton Bern wird die Hälfte der Kosten tragen). Zum andern wurden 140’000 Franken für eine regionale Planung von Angeboten für Velofahrer gutgeheissen. Auch hier wird sich der Kanton zur Hälfte an den Kosten beteiligen.