Walkringen - "Im Ackerbau fehlen Biobetriebe"
Weil sie etwas produzieren wollten, wofür es eine Nachfrage gibt, stellten Kathrin Schneider und ihr Mann ihren Bauernbetrieb in Walkringen nach der Übernahme auf Bio um. Inzwischen präsidiert Schneider den Verein Bärner Bio Bure, der dieses Jahr sein 20-jähriges Bestehen feiert.
Weshalb waren Sie bei der Gründung der Bärner Bio Bure 1992 nicht dabei?
Kathrin Schneider: Wir haben unseren Betrieb in Walkringen erst 1994 übernommen und ein Jahr später auf Bio umgestellt.
War das schwierig?
Bei den Schwiegereltern war Überzeugungsarbeit nötig. Im Gegensatz zum Ausland muss in der Schweiz der ganze Betrieb auf Bio umgestellt werden. Selbst für die Dahlien im Garten dürfen keine Schneckenkörner mehr verwendet werden. Deshalb muss die ganze Familie mit Überzeugung hinter einem Biobetrieb stehen. In den ersten Jahren haben wir uns darüber amüsiert, dass die Kontrolleure vor allem die Gartenbeete nach Schneckenkörnern absuchten.
Was veranlasste Sie, umzustellen?
Wir wollten etwas produzieren, das auch gebraucht wird. Denn es ist frustrierend, wenn man die Ernte oder die Milch nicht losbringt. Bioprodukte waren im Gegensatz zu konventionellen Produkten gefragt. Zudem machten wir uns Gedanken darüber, in welchem Zustand wir den Boden an die nächste Generation weitergeben wollen.
Gab es auch finanzielle Gründe?
Ja, das auch. Und weil wir schon zuvor nur wenig Chemie gebraucht hatten, mussten wir nicht viel umstellen. Nur den Maisanbau mussten wir aufgeben, dort wurden wir dem Unkraut mit biologischen Hilfsmitteln nicht Herr.
Können die Berner Biobauern die Nachfrage abdecken?
Bei der Milch schon. Im Ackerbau dagegen gibt es zu wenig Biobetriebe. Dort ist die Umstellung schwieriger und der Aufwand, aber auch das Risiko ist grösser. Es kommt vor, dass Betriebe wieder auf konventionelle Anbauweise umstellten, weil sie die Mehrkosten oder den Mehraufwand falsch eingeschätzt hatten.
Ist das auch der Grund, weshalb die Bärner Bio Bure heute weniger Mitglieder haben als vor zehn Jahren?
Zum Teil ist der Rückgang der Mitgliederzahl mit Betriebsaufgaben zu erklären, wie sie allgemein in der Landwirtschaft zu beobachten sind. Einigen Biobauern ging aber auch das Verbot von konventionellem Futterzukauf zu weit. Sie wollten nicht von weit her biologisches Futtermittel herholen, wenn der Nachbar konventionelles Futtermittel günstig abzugeben hatte, und stellten deshalb wieder um. Doch das Verbot hat seinen Grund. Wer biologische Landwirtschaft betreiben will, muss es konsequent tun. Man kann die Produkte schliesslich auch zu einem höheren Preis verkaufen.
2002 formulierte Ihr Verein die Vision, dass es 2012 im Kanton Bern nur noch Biobauern gibt. Heute liegt der Anteil bei zehn Prozent.
(lacht) Wir waren uns bewusst, dass dies eine Vision bleiben würde, aber eine solche darf frech formuliert sein. Schweizweit liegt der Anteil der Biobauern bei 11 Prozent. Unser Dachverband Bio Suisse hat als Ziel einen Anteil von 25 Prozent formuliert.
Was halten Sie davon?
Es ist ein hochgestecktes Ziel und eine Gratwanderung. Ein Überangebot würde die Preise drücken. Auf der anderen Seite ist es nicht sinnvoll, wenn Bioprodukte importiert werden müssen. Das geht auch mir zu weit: Wenn im Laden ein IP-Rüebli aus der Region neben einem Biorüebli aus Italien liegt, entscheide ich mich aus ökologischen Gründen für das einheimische Rüebli.
Der Verein Bärner Bio Bure will die Biokräfte im Kanton Bern bündeln. Sind sie so verzettelt?
Bei über tausend Mitgliedern gibt es natürlich verschiedene Stossrichtungen. Einen Konsens zu finden, ist manchmal schwierig, etwa wenn es um Alternativenergien geht. Weil unsere Mitglieder das ganze Spektrum abdecken, machen wir keine politischen Äusserungen, wir sind weder links noch rechts, sondern für den Biolandbau.
Sind Sie sich bei der Frage zur Gentechnologie auch uneins?
Nein, da sind wir uns einig. Gentechnologie allgemein ist ein zu grosser Eingriff, und die Risiken sind zu wenig erforscht, als dass wir sie befürworten könnten.
Sind Neumitglieder tendenziell eher Einsteiger oder Umsteller?
Beides. Es gibt immer wieder Betriebe, die von konventioneller auf biologische Landwirtschaft umstellen, meist dauert dieser Prozess aber länger, und nicht selten ist er mit einem Generationenwechsel verbunden.
Und der Nachwuchs ist gesichert?
Wir können auf der Bio-Schwand in Münsingen eine konsequente Bio-Ausbildung anbieten und werden vom Kanton Bern sehr gut unterstützt. Wir sind aber auf Interessenten aus anderen Kantonen angewiesen. Mit der Nachfolge auf den Bauernbetrieben hapert es allgemein ein wenig. Wer Bauer werden will, benötigt viel Enthusiasmus, denn der Aufwand ist mit zunehmender Bürokratie enorm gestiegen. Der Arbeitstag wird wegen der Zeit, die man vor dem Computer verbringen muss, immer länger.
20 Jahre Bärner Bio Bure
Bei seiner Gründung 1992 zählte der Verein Bärner Bio Bure rund siebzig Mitglieder. Gestern schaute Präsidentin Kathrin Schneider an einer Medienkonferenz auf dem Gutsbetrieb Ammann in Madiswil auf die vergangenen zwanzig Jahre zurück. Als in den Neunzigerjahren die Grossverteiler den Biomarkt entdeckten, habe dies im Biolandbau einen Boom ausgelöst, sagte Schneider. Der Verein wuchs in nur zehn Jahren auf 1400 Betriebe an. Heute umfasst er gut tausend Mitglieder (siehe Interview). Die Betriebe seien sehr vielschichtig, hielt Schneider fest: Vom Gemüseanbau über die Mutterkuhhaltung und vom Bergbauern bis zum Fischzüchter gelte es die verschiedensten Interessen unter einen Hut zu bringen. Kathrin Schneider hat das Präsidium im Jahr 2010 übernommen. Die Bärner Bio Bure sind Mitglied von Bio Suisse. Der Dachverband vertritt die Interessen von rund 5600 Knospe-Landwirtschafts- und Gartenbaubetrieben.