Walkringen - Gas geben - auch im Rollstuhl

Wenn es ums Umbauen von Autos für Behinderte geht, ist Christoph Schüpbach die richtige Ansprechperson. Seit sechs Jahren ist er auf den Rollstuhl angewiesen.

Silvia Ben el Warda-Wullschläger, Wochen-Zeitung
Ein Urlaub 2008 mit Kollegen in Kanada veränderte das Leben von Christoph Schüpbach grundlegend. Seit einem schweren Skiunfall ist der 29-Jährige auf den Rollstuhl angewiesen. Nach einer Operation und dem Spitalaufenthalt verbrachte er fünf Monate im Paraplegikerzentrum in Nottwil. Eine gute Zeit, wie er im Rückblick feststellt. «Dort traf ich auf andere Rollstuhlfahrer, die zum Teil schon einige Jahre gelähmt waren und über entsprechende Erfahrung verfügten. Sie zeigten mir, was alles im Rollstuhl möglich ist.» Trotzdem habe er damals keine Ahnung gehabt, was aus seinem Leben werden sollte. Er sei allerdings auch nie in ein Loch gefallen, so wie es ihm von vielen prognostiziert wurde. «Ich hatte immer eine Perspektive und konnte mir meine positive Lebenseinstellung erhalten.» Wichtige Stützen seien dabei die Familie und die Freunde gewesen. Sie hätten alles mit ihm durchgestanden.

Auto seinen Bedürfnissen angepasst

Dass Christoph Schüpbach sich schliesslich darauf spezialisierte, Autos für Behinderte umzubauen, ist kein Zufall. Alles rund um Motoren faszinierte ihn seit jeher. Er hatte gerade das Autotechnikum erfolgreich abgeschlossen, als der Unfall geschah. Dass er schon bald wieder selber Autofahren wollte, stand für ihn ausser Frage. Noch in Nottwil sollte sein Auto umgebaut werden. «Leider standen nur zwei Systeme zur Verfügung – eines mit einem Gasring auf dem Lenkrad zum Drücken und eines mit einem Gashebel. Beides passte mir nicht.» So machte sich Vater Daniel Schüpbach, der in Walkringen eine Garage betreibt, ans Werk und passte das Auto den Bedürfnissen seines Sohnes an. Der Gasring wurde hinter dem Lenkrad montiert, so dass er nicht gedrückt, sondern gezogen werden konnte. «Das entsprach meinem Fahrgefühl besser.» Schnell gewöhnte sich Christoph Schüpbach ans «neue» Auto, die erforderliche Prüfung legte er gleich für Fahrzeuge bis 7,5 Tonnen mit Anhänger ab. Dies erwies sich später, als er als Autorennfahrer einstieg (siehe Kasten), als weise Entscheidung. So kann er heute seinen Rennwagen selber transportieren.

Im Büro statt in der Werkstatt

Doch vorerst hatte der Wiedereinstieg ins Erwerbsleben Priorität. Auch hier erwies sich das elterliche Geschäft in Walkringen als Glücksfall. «Ich konnte sehr langsam wieder mit Arbeiten beginnen; zuerst nur eine Stunde pro Tag.» Allerdings, als Mechaniker arbeiten kann Christoph Schüpbach nicht mehr. Er brauche dreimal so lange wie früher und komme nicht ohne Hilfe zurecht. «Weil ich ab dem fünften Brustwirbeln gelähmt bin, kann ich die Bauchmuskeln nicht mehr brauchen und muss aufpassen, nicht nach vorne zu kippen. Dazu noch zu schrauben, zu schweissen oder ein Rad zu heben, wäre unmöglich.» Deshalb ist der gelernte Automechaniker heute vor allem im Büro tätig.

Beraten und tüfteln

Nach seinen Erfahrungen mit dem Umbau des eigenen Autos beschloss Christoph Schüpbach, sich in Zukunft vor allem dieser Tätigkeit zu widmen und baute damit einen neuen Geschäftszweig im elterlichen Garagenbetrieb auf. Anfangen musste er ganz klein. «Die Skepsis war vielerorts grösser als das Vertrauen in unsere Fähigkeiten.» Ein grosser Schritt war es, als die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft Hilfsmittelberatung für Behinderte und Betagte (SAHB) ihm Aufträge erteilte. «Heute ist mein Angebot bekannter und viele Kunden kommen direkt zu mir.» Inzwischen ist ein Mechaniker nur mit den Umbauten beschäftigt; pro Jahr passt er etwa 25 Autos an. «Wir nehmen es genau und wollen, dass das Auto nachher nicht nur funktioniert, sondern auch schön aussieht», betont Christoph Schüpbach. Seine Sache ist die Beratung der Kunden, das Beschaffen von Material und das Austüfteln von neuen, individuellen Lösungen. Für alle Umbauten müssen nicht zuletzt die IV und das Strassenverkehrsamt ihr Okay geben.
 
Den Alltag selbständig bewältigen

Eine umfassende Anpassung mit Gasring, Handbremse, Sitzumbau und Rollstuhleinfahrsystem dauert etwa einen Monat und kostet bis 25’000 Franken. Erfüllt der Versicherte die Vorgaben der IV, berappt sie in der Regel den Umbau ganz oder teilweise. Die meisten Kosten würden für das Material anfallen, wie Schüpbach betont. «Die Investition lohnt sich, denn wenn ein behinderter Mensch selber Autofahren kann, fördert das die Selbständigkeit und die Integration in die Gesellschaft.» Das weiss er aus Erfahrung. Dank dem eigenen Auto könne er nicht nur den Arbeitsweg von Münsingen nach Walkringen innert nützlicher Frist zurücklegen, sondern auch selber einkaufen gehen und sich allgemein spontan und unabhängig fortbewegen. «Mit dem öffentlichen Verkehr wäre das sehr umständlich bis unmöglich; vielfach muss man sich im Zug anmelden. Auch sind noch längst nicht alle Züge, Busse oder Trams rollstuhlgängig.» Er sei dankbar, dass er seinen Alltag trotz seiner Gehbehinderung weitgehend selbständig bewältigen könne – auch dank des Autos.
 
Trotz Rollstuhl im Rennauto
Die Faszination für schnelle Autos liegt Christoph Schüpbach im Blut. Schon sein Vater fuhr Autorennen. Als er damit aufhörte, stand das Rennauto – ein Alfa Romeo 156 – immer noch in der Garage. «Ich absolvierte einige freie Trainings, jedoch noch keine Rennen.» Das änderte sich nach dem Skiunfall. 2009 testete er erstmals mit seinem umgebauten Strassenauto auf der Rennstrecke. «Ich wollte wissen, ob ich das Gefühl dafür noch habe und es körperlich machbar ist.» Alles ging gut, und so wurde der Alfa umgebaut. Damit bestritt er Bergrennen und Slaloms in der Schweiz.

Letztes Jahr wagte Christoph Schüpbach den Schritt in den German Tourenwagen Cup (GTWC). Dafür brauchte es ein anderes Auto. Fündig wurde er bei einem Ferrari 430 Challenge. Fahrer und Auto harmonierten auf Anhieb: seine erste Saison beendete Christoph Schüpbach in seiner Klasse als Zweiter sowie als Dritter der Gesamtwertung. Auch in die neue Saison ist er erfolgreich gestartet mit einem dritten und vierten Platz. Am Wochenende stehen die nächsten Rennen an. «Die Konkurrenz ist stärker geworden, die Autos schneller», zieht Schüpbach eine erste Bilanz. Sein Ziel ist es, unfallfrei zu fahren, Spass zu haben und nicht zuletzt mit guten Resultaten aufzuwarten. «Ob ich es aufs Podest schaffe oder nicht, ist Nebensache.» Wichtig sei ihm auch die gute Kameradschaft. «Als Rollstuhlfahrer bin ich zwar ein Exot, auf der Rennstrecke jedoch voll akzeptiert.»


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Erstellt: 22.05.2014
Geändert: 22.05.2014
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