Walkringen - Das Schiff in den Hügeln

Markus Kaisers Lebenswerk ist fertig. Bald sticht er in See mit dem Schiff, das er im tiefsten Emmental während sieben Jahren selber gebaut hat. Gestern verliess es seine «Heimatwerft» ob Bigenthal. Ziel ist das Mittelmeer.

Kathrin Schneider / Berner Zeitung BZ
«Lang ischs här, da het mau eine öppis afa boue»: Man meint, man sei direkt in Mani Matters Lied von der Arche Noah gelandet. Was soll dieses rund zwölf Meter lange Schiff in den sanften Hügeln des Emmentals ob Bigenthal, weit und breit weder See noch Meer in Sicht? «Es ist ein grosser Traum von mir», sagt Schiffsbauer Markus Kaiser. Schon vor Jahren wollte der Sekundarlehrer mit einem Kollegen gemeinsam ein Schiff kaufen. Als dann ihre Vorstellungen auseinanderliefen, machte sich Kaiser daran, ein eigenes Schiff zu bauen. Jetzt steht das Werk fertig da.

Wie ein Schnittmuster

Maya Silfverberg, Kaisers Lebenspartnerin, verfolgt gespannt, wie das Schiff mit dem grossen Pneukran auf den Tiefbettanhänger geladen wird. Jeder Millimeter ist wichtig, da die Strasse vom Weiler Schwendi ob Bigenthal nur schmal und das Schiff alleine dreieinhalb Meter breit ist. «Er war schon immer ein Tüftler, das liegt bei ihm in der Familie», beschreibt Maya Silfverberg ihren 51-jährigen Lebenspartner, der beim Verladen mithilft. «Unsere Töchter und ich mussten ihm vielleicht manchmal etwas festhalten oder helfen», erzählt sie. Aber sonst habe er von den Eisenarbeiten, dem Holzbau, dem Legen der Kabel bis zum Nähen der Segel eigentlich alles selber gemacht. Das Modell sei einer chinesischen Dschunke nachgebildet. «Eigentlich wie ein Schnittmuster», erzählt sie und lacht.

Im heissen Sommer 2003 hat Markus Kaiser die ersten Eisen auf den Boden hinter dem kleinen Heimet gelegt und gesagt, hier baue er jetzt sein Schiff.

Staunen und Bedauern

«Öppis wie ne grosse Chaschte, d Lüt, wo si cho gschoue, hei ne gfragt, was söu das gä, äs Schiff, het diese gseit»: Schon bald erfuhren die Bewohner des Weilers Schwendi von dem seltsamen Schiffsbau. Lastwagen mit Material suchten die versteckte Zufahrt zum Hof. Einwohner erzählten sich, sie hätten ein Schiff hinter dem schützenden Dach gesehen. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass viele Interessierte gestern beim Verladen dabei waren und sich etwas wehmütig von «ihrem» Schiff verabschiedeten. Einige waren auch erstaunt, wie gross das Schiff war, als es, an Gurten befestigt, durch die Luft gezogen wurde. «Wie die Arche Noah», kommentierte jemand. «Wir sind überglücklich, dass das Verladen des zehn Tonnen schweren Schiffs so gut geklappt hat», sagt Markus Kaiser erleichtert.

Ab aufs Mittelmeer

Kaiser begleitet den Schwertransport bis Basel, von wo das Schiff durch den Rhein-Rhone-Kanal bis ins Mittelmeer schwimmen soll. «Wir mussten eine Vignette lösen, die 14 Tage gültig ist», sagt Maya Silfverberg. «Da wir noch nicht wissen, wie manövrierbar das Schiff ist, werden wir diese Zeit vielleicht voll ausschöpfen.» Ausserdem müssen auf dem langen Weg 144 Schleusen überwunden werden. Die Masten haben die Schiffsbesitzer versuchshalber schon einmal gestellt. Um die Segel zu setzen hingegen, fehlte in der Schwendi der Platz.

Das fertige Schiff soll jetzt gebührend eingeweiht werden. Geplant ist ein Aufenthalt auf dem Meer bis zum Ende der Herbstferien. «Und wer weiss, vielleicht möchte ich einmal den Lebensabend so verbringen», träumt Kaiser schon weiter.

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Erstellt: 27.07.2010
Geändert: 27.07.2010
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