Walkringen - Bäuerin am Frauenstreik

Weil der Landfrauenverband mit von der Partie war, reiste gestern auch die Emmentaler Bäuerin Kathrin Schneider erstmals für den Frauenstreik nach Bern. Aber alles mochte sie dann doch nicht mitmachen.

Susanne Graf / Berner Zeitung BZ

Fast ein bisschen verloren steht Kathrin Schneider da, als pink gekleidete Frauen zur Tat schreiten. «Push-up für die Gleichstellung» heisst die Aktion, die darin besteht, an Ballons gehängte BH in die Höhe steigen zu lassen. «Alles hat seine Grenzen», sagt sie. Dafür ist die Biobäuerin nicht von Walkringen nach Bern gereist. Sie bleibt auch Zuhörerin, als engagierte Frauen skandieren: «Wir wollen Taten jetzt. Wir wollen Taten jetzt.» Nur beim Pfeifkonzert macht sie mit – einen kurzen Moment.

 

Das Leiden auf dem Land

 

Kathrin Schneider ist noch nie für die Sache der Frau auf die Strasse gegangen. Aber als der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband erstmals seine Teilnahme ankündigte, war klar, dass auch sie für den Frauenstreik nach Bern reisen würde – erst recht als sie hörte, wie bürgerliche Bäuerinnen nichts zu tun haben wollten mit den «linken» Anliegen. «Das machte mich hässig», sagt das SP-Mitglied. «Sie banalisieren die Situation, wenn sie sagen, den Frauen auf dem Land gehe es gut.» Kathrin Schneider berichtet von «wahnsinnigem Leiden», das entstehe, wenn Bauernehen kaputtgingen. Sie kennt Frauen, die verlassen mussten, was sie während Jahrzehnten aufgebaut hatten, «weil sie die Seitensprünge ihres Mannes nicht mehr ertrugen». Und sie stellt es sich furchtbar vor, mit Kindern, die bisher auf dem Bauernhof lebten, in eine Blockwohnung ziehen zu müssen.

 

Wichtiges Nebeneinkommen

 

Auch ihre eigene Situation trieb die Bäuerin nach Bern: Als die Schwiegereltern vor bald zwanzig Jahren den Hof übergeben wollten, sei es selbstverständlich gewesen, dass er allein dem Mann überschrieben würde. «Doch sämtliche Hypotheken, die wir aufnehmen, muss ich mit unterschreiben», sagt Kathrin Schneider und fügt an: «Hätte ich kein zweites Standbein gehabt, hätte mich das total hässig gemacht.» Die 46-jährige dreifache Mutter arbeitet nebenbei als Lehrerin. 60 Prozent beträgt ihr Pensum. Nur dank ihrem Nebenerwerb könnten sie und ihr Mann in den 16-Hektaren-Betrieb investieren. Am Stand der Landfrauen auf der Kleinen Schanze trifft Kathrin Schneider eine andere Biobäuerin, Vreni Kipfer aus Ferenberg. Sofort wird klar, wofür sie – ohne BH-Aktion – einstehen: für eine bessere Wertschätzung der Arbeit, die meistens die Frauen leisten, etwa in der Direktvermarktung. Es sei entscheidend, dass diese Arbeiten in der neuen Agrarpolitik besser berücksichtigt würden, sagt Kathrin Schneider, die sich auch als Präsidentin der Bärner Bio-Bure dafür einsetzt.

 

«Wir haben einander nötig»

 

Als Biobäuerinnen mussten sich die beiden Frauen den Ausflug an den Aktionstag nicht zuerst hart erkämpfen. «Bei den Biobauern ist man stolz auf die pushende Rolle der Frauen», sagt Kathrin Schneider. Obwohl es letzte Woche aussah, als würden die konventionellen Bäuerinnen dem Frauenstreik konsequent fernbleiben, kann Präsidentin Christine Bühler am Stand der Landfrauen nicht nur Biobäuerinnen begrüssen. «Wir alle haben einander nötig», sagt sie zu Kathrin Schneider.

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Erstellt: 15.06.2011
Geändert: 15.06.2011
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