Walkringen - Am Freitag gab es Suppe und Kuchen
Ein gutes Essen ist einfach und nahrhaft: Annelies Graf zeigt, was früher auf einem bäuerlichen Heimet gekocht wurde.
Stephan Künzi, Berner Zeitung BZ
Gritli. Das ist eine 16-jährige fiktive Figur, die im beginnenden 20.Jahrhundert im gutbürgerlichen Haushalt von Frau Professor die Zimmer macht, die Kleider wäscht und Einkäufe auf dem Markt erledigt. «Wie Gritli haushalten lernt» und «Gritli kocht» hiessen die Bücher von Emma Coradi-Stahl, die zu ihrer Zeit als Expertin weitherum geachtet war. An ihnen orientierten sich Generationen junger Frauen, unter ihnen die Grossmutter von Annelies Graf – und letztlich auch sie selber. Bis heute.
Sparsam im Haushalt
Die 59-jährige Bäuerin aus Walkringen macht keinen Hehl daraus, dass für sie viele Botschaften von damals nach wie vor Gültigkeit haben. Gerade jene im zweiten Teil zum Kochen, wobei: «Das ist weit mehr als ein Kochbuch», betont sie, während sie im abgegriffenen Band aus dem Nachlass ihrer Grossmutter blättert.
In der Tat hält Emma Coradi-Stahl die Schülerinnen hier auch zum sparsamen Haushalten an. Das gilt für den Umgang mit den Brennmaterialien Holz und Kohle genauso wie für den Umgang mit dem Essen. Beim Rüsten zum Beispiel durfte kaum Abfall entstehen, und Resten wegwerfen kam gar nicht infrage. Schliesslich liess sich aus ihnen sehr wohl noch etwas Gutes machen.
Den Kuhkopf ausgekocht
«Das Essen musste sättigen. Es konnte nicht sein, dass die Angestellten, die hart in Haus und auf dem Hof arbeiteten, am frühen Nachmittag schon wieder Hunger hatten.» Annelies Graf leitet über zum Rezept, das sie für den Senioren Sommer vorgesehen hat. Sie schlägt gleich ein Menü vor, das zwar einfach, aber nahrhaft ist: Suppe und Kuchen.
Früher gehörte dieses Essen zum Freitag, zubereitet hat es die Grossmutter. Annelies Graf hält inne und blickt auf das Leben der Mutter ihrer Mutter zurück. Erzählt, wie diese nach dem frühen Tod ihres Vaters beim Götti aufwuchs und dort im Haushalt half, die Kinder hütete und dazu ständig ein Auge auf die kochende Suppe auf dem Herd hielt. Diese Erfahrungen kamen ihr zugute, als sie später die Haushaltungsschule machte und anschliessend auf einem bescheidenen Heimet ihre eigene Familie durchbringen musste.
Fleisch gab es hier längst nicht jeden Tag und wenn, dann kochte man einen Kuhkopf aus. So gewann man das Fett für eine deftige Suppe, schnitt anschliessend aus den muskulöseren Partien Plätzli heraus und vermengte das Restenfleisch mit Brotkrümeln zu einem Teig für Hacktätschli.
Davon erzählte die Grossmutter noch Jahre später. Sie war längst Witwe und besorgte bei den Eltern von Annelies Graf den Haushalt, weil die Mutter draussen gebraucht wurde.
Mühe mit den Stücken
«13 Zutaten muss eine gute Gemüsesuppe haben», sagt Annelies Graf zu ihrem Rezept. In der Küche ist alles bereit. Lauch, Zwiebel, Sellerie, Rüebli, Kartoffeln und Majoran, dazu etwas Mehl, Butter, Rahm, Käse, Salz, Wasser – und Essig. «Für die Grossmutter gehörte ein Löffel Essig immer dazu.»
Das Gemüse dämpft Annelies Graf an und gibt etwas Mehl bei. Das Mehl lasse man heute eigentlich weg, erklärt sie, aber eben: Früher sei der Nährwert wichtig gewesen, daher habe man der Suppe auch Käse und Rahm beigegeben. Mit der Würze sah es anders aus. Den Geschmack bekam die Suppe von den Kräutern, die mit- und ausgekocht wurden. Bouillonwürfel gab es zwar bereits, gekauft wurden sie im nächsten Krämerladen. Diesen Luxus gönnte man sich aber nur zu besonderen Gelegenheiten, bei Besuch zum Beispiel.
«Das riecht fein, ganz wie bei der Grossmutter.» Knapp eine halbe Stunde ist um, und Annelies Graf gerät ins Schwärmen. Schon als Kind liebte sie die Düfte aus der Pfanne. Wenn es allerdings ans Essen ging, brachte sie die Gemüsestücke fast nicht herunter. Erspart blieben sie ihr indes nicht. Niemand hatte Zeit, literweise Suppe durchs Passevite zu drücken. Und einen Mixer besass noch kaum jemand.
Eier im Wasserglas
Beim Kuchen entscheidet sich Annelies Graf für ein Rezept, das jeweils erst im Frühling aktuell wurde, wenn das Lagerobst zu Ende war. Notgedrungen musste man sich mit dem behelfen, was man hatte. Mais, Mehl, Butter, Milch und Eier waren in jedem Haushalt zu finden. Daraus mischt die Bäuerin nun eine Masse und bäckt diese im Ofen goldbraun. Eine Handvoll Weinbeeren sorgt wenigstens für einen Hauch von Früchten.
Apropos Eier: Noch in der Zeit nach 1960 wurden die überschüssigen Eier aus dem Sommer für den Winter haltbar gemacht, wie Annelies Graf erzählt. Wasserglas hiess die gallertartige Masse, die zu diesem Zweck über die Eier gegossen wurde. Diese wiederum waren zuvor Stück für Stück auf Spalten abgesucht und sorgfältig in einen Topf geschichtet worden. Die konservierten Eier brauchte man nur noch zum Backen. Für Spiegeleier und andere Frischspeisen eigneten sie sich nicht mehr.