Vechigen dient als Vorbild: Gemeindepräsident Walter Schilt reiste nach China

Aus Erfahrungen lernen und zusammenarbeiten: Gemeinsam mit Andreas Götz und Experten aus der Schweiz nahm Walter Schilt Mitte November an der Jinsha River Basin Conference in Lijiang teil. Dabei diente Vechigen als Paradebeispiel für Hochwasserschutz.

Eva Tschannen, eva.tschannen@bern-ost.ch

„In den chinesischen Bergregionen bestehen ähnliche Probleme wie bei uns“, zieht Andreas Götz einen Vergleich zwischen der Schweiz und China. Der ehemalige Vizedirektor des Bundesamts für Umwelt ist Teil des Jinsha River Basin (JRB)-Projekts, das sich – in Form einer Kooperation zwischen den beiden Ländern - mit Wasserwirtschaft und Klimawandel beschäftigt.

 

Gemeinsam mit Experten aus der Schweiz stellte Götz in Lijiang, in der chinesischen Provinz Yunnan, die aktuellsten Erkenntnisse aus dem Projekt vor. Mit dabei Vechigens Gemeindepräsident Walter Schilt. „Vechigen ist ein Musterbeispiel in Sachen Hochwasserschutz“, erklärt Andreas Götz. „Als ich 1985 hierher zog, existierte noch keine Gefahrenkarte. Damals hatte es in der Schweiz seit rund 100 Jahren keine grösseren Naturkatastrophen gegeben. Anhand meines Wissens als Naturgefahrenexperte habe ich eine Hochwasserrisikoabklärung vorgenommen.“

 

Keine Zeit, um zu reagieren

 

Diese zeigte auf, dass einige Häuser in der Gemeinde Vechigen bei einem allfälligen Hochwasser getroffen würden. Zeit zum Reagieren blieb nicht. Nur ein Jahr später traf ein Unwetter die Gemeinde und im Rämelacker kam eine Frau ums Leben. „Bis Mitte der Achzigerjahre hatte man in der Schweiz in der Regel erst reagiert, wenn etwas passiert war“, blickt Götz zurück. „Nach den vielen Unwettern der letzten Jahre und insbesondere wegen des Klimawandels ist dies nicht mehr möglich. An vielen Orten werden deshalb vorsorglich Massnahmen getroffen. Dabei ist es besonders wichtig, dass bei deren Planung auf allen Ebenen – sowohl national, kantonal, als auch kommunal – zusammengearbeitet wird.“ In Vechigen habe dies beispielhaft funktioniert.

 

Während Götz damals national tätig war, vertrat Walter Schilt als Feuerwehrkommandant die Gemeindeebene und sorgte dafür, dass die Schutzstrategie im Dorf umgesetzt wurde. „Dank der erstellen Gefahrenkarte weiss man nun, was in Vechigen passieren kann. Man hat entsprechende bauliche Massnahmen getroffen und auch Bäche renaturiert“, ergänzt Götz.

 

450 Kilometer für ein Abendessen

 

Um die Theorie anhand eines Praxisbeispiels greifbarer zu machen, reiste Gemeindepräsident Schilt gemeinsam mit Götz und zehn Schweizer Experten nach Lijiang. Rund 50 Personen, darunter Vertreter der chinesischen Regierung und der Yunnan Provinz, die rund 10 Mal so gross wie die Schweiz ist und über 43 Millionen Einwohnern verfügt, nahmen an der Konferenz teil. „Liu Gang, der Generaldirektor des Wasserwirtschaftsdepartements der Provinz, konnte nicht teilnehmen und ist 450 Kilometer gefahren, um sich während eines Abendessens mit uns auszutauschen“, illustriert Walter Schilt die Bedeutung des Projekts. Generell sei die Tagung auf grosses Interesse gestossen.

 

„Die Situation in China ist vergleichbar mit derjenigen in der Schweiz vor 100 Jahren. Statt in 100 Jahren müssen die Chinesen dieselbe Entwicklung jedoch in 20 Jahren machen“, sagt Andreas Götz. „Dabei möchten sie nicht dieselben Fehler machen wie wir.“

 

Über Grenzen hinweg

 

Besonders beeindruckt hat Schilt neben den Gegensätzen, die das Land bietet, denn auch die Bereitschaft der Chinesen, sich Wissen von Aussen zu holen. Auch wenn die Schweiz hinsichtlich des Hochwasserschutzes als Vorbild für die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ebenen dient, hätten beide Seiten vom kulturellen Austausch profitiert. „Die Chinesen sind noch viel stärker vernetzt“, nimmt der Gemeindepräsident als Anregung aus China mit. „Es ist wichtig, über die Grenzen hinauszuschauen, auch über die Gemeindegrenzen. Und miteinander zu arbeiten.“

 

[i] Als langjähriger Vizedirektor des Bundesamts für Umwelt war Andreas Götz während über 30 Jahren für den Bereich „Hochwasser“ zuständig. In seiner Funktion baute er Kontakte mit China auf. Seit seiner Pensionierung vor drei Jahren arbeitet er teilzeitlich für die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA als Senior Consultant.

 

Ziel des Jinsha River Basin-Projekts ist es, eine zukunftsorientierte und nachhaltige Bewirtschaftung des Wassers im gesamten Flusseinzugsgebiet zu erreichen und so eine stabile Existenzgrundlage zu schaffen. Dazu werden die Wasservorkommen untersucht und deren heutige Nutzung ermittelt, unter Berücksichtigung des Klimawandels Szenarien zu Veränderung von Niederschlag und Temperatur ausgearbeitet sowie Voraussagen über die Bevölkerungsentwicklung getroffen. Darauf beruhend werden die notwendigen Anpassungsstrategien und Massnahmen entwickelt. So etwa ein Alarmsystem, das es ermöglicht, Unwetter früher zu erkennen. 


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Erstellt: 26.12.2016
Geändert: 26.12.2016
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