Valérie und Noa: Gemischte Gefühle im Corona-Jahr
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind so vielfältig wie die Menschen, die hier leben. BERN-OST hat mit einem Schüler und einer Schülerin der Oberstufe Oberdiessbach darüber geredet, wie sie den Lockdown im Frühling und den Rest dieses speziellen Jahrs (bis jetzt) überstanden haben. Die Interviews wurden per Video-Chat geführt.
Valérie Zingg ist 13 und wohnt in Linden. Bis im letzten Sommer besuchte sie die 6. Klasse im Dorf, inzwischen ist es die 7. in Oberdiessbach. „Im ersten Moment hatte ich mich gefreut, als es hiess, die Schulen sind geschlossen“, erzählt sie vom Frühling. Schon bald habe sie aber gemerkt, wie sehr ihr die Kolleg*innen fehlten. „Wir haben dann viel geschrieben und telefoniert, aber abgemacht kaum noch.“
Glücklich auf dem Bauernhof
Zuhause habe sie das Glück, auf einem Bauernhof zu leben und Tiere zu haben. Zwar sei man sich zeitweise schon etwas „auf den Senkel“ gegangen. „Ich war aber oft mit dem Hund und dem Pferd unterwegs. Reiten war ja eines der wenigen Hobbies, die noch möglich waren. Und ich bin glücklich, dass ich nicht in einer Wohnung lebe, wo hinter der Tür das Treppenhaus ist.“
Weniger glücklich verlief der Fernunterricht. „Es gab Apps mit Aufträgen, die wir erledigen mussten. Wir hatten aber nicht viel Hilfe und die Kommunikation lief nicht so gut. Wir hatten zum Beispiel keine Videokonferenzen.“ Hilfe, wenn sie nicht weiterwusste, bekam sie von ihrer Mutter. „Aber das war auch begrenzt, vieles lernen wir anders, als das bei ihr war.“
"Das 6. Schuljahr ist wichtig"
Die Gefühle blieben gemischt, auch als die Schule wieder aufging. Der Wiedereinstieg war steil. „Es wurde Gas gegeben bei den Tests. Das 6. Schuljahr ist wichtig.“ Vieles fiel ins Wasser: Der Zukunftstag, Schnupperlehren, vor allem aber ein gebührender Abschluss mit den Klassenkamerad*innen vor dem Übertritt in die Oberstufe nach Oberdiessbach. „Wir waren zum Teil seit 7 Jahren zusammen und hatten eine grosse Schulreise geplant. Daraus wurde nichts.“
Inzwischen ist in der Schule wieder Normalität eingekehrt. „Wir müssen immer Masken tragen und in der Pause gibt es Regeln, wo sich welcher Jahrgang aufhalten darf. Daran gewöhnt man sich, auch wenn Sport mit Maske mühsam ist.“ Inzwischen trifft sich Valérie auch wieder mit Kolleg*innen. „Abmachen ist schon sehr schön. Ins Kino und shoppen geht nicht. Aber wir sind oft mit dem Töffli unterwegs oder auf der Skipiste.“
"Ich habe ja auch Eltern und Grosseltern"
Macht ihr das Virus Angst? „Die Lehrer*innen sagten immer, es sei für uns Kinder nicht gefährlich. Aber ich habe ja auch Eltern und Grosseltern. Tatsächlich kam ihr Corona ziemlich nah an. „Linden war zeitweise so etwas wie ein Hotspot, es gab mehrere Fälle. Man hört von Leuten, denen es schlecht geht. Und mehrere Klassen und auch Lehrer*innen waren in Quarantäne.“
„Ich versuche, das Beste aus der Situation zu machen“, so ihr persönliches Fazit. Hat sie eine Meinung dazu, wie die Politik die Situation meistert? „Ich finde, man sollte entweder versuchen, zu einer Normalität zu kommen oder aber richtig alles zu machen. Ich weiss nicht, was richtig ist. Aber die Ungewissheit ist schwierig.“
"Komisch, so viel zuhause zu sein"
Noa Ganteinbein ist 15, lebt in Oberdiessbach und besucht da die 9. Klasse. Er lebt mit seiner Familie, zu der auch 9 Meerschweinchen, drei Schildkröten, eine Katze und ein Hund gehören, in einem Einfamilienhaus. „Es war komisch, so viel zuhause zu sein. Aber man gewöhnt sich daran“, sagt er über den Frühlingslockdown. Zwar war der Jugendtreff zu, und auch Fussball spielen ging nicht mehr, doch Noa passte sich an. „Joggen mit dem Hund, Krafttraining, Netflix und viel Schulzeugs“, hätten seine Tage ausgefüllt. Auch er traf seine Kolleg*innen nicht mehr. „Wir haben aber viel über Facetime gesprochen und das chli neu entdeckt.“
Für den Fernunterricht hat er nur Lob: „Die Lehrer*innen haben innert einem Wochenende alles auf die Beine gestellt. Und alles klappte von Anfang an super. Ein Glück war auch, dass die Schule vor kurzem digital aufgerüstet hatte und wir alle einen eigenen Laptop haben.“ Ausschlafen ging nicht. „Um 7.30 Uhr gab es ein Zoom-Meeting, wo wir zeigen mussten, dass wir bereit sind.“ Bis zu drei Videomeetings hatte er mit seiner Klasse und den Lehrer*innen jeden Tag, den Rest der Zeit arbeitete er nach Wochenplan.
"Ich bin selbständiger geworden"
Was den Übertritt ins Berufsleben abgeht, hatte Noa Glück. „Ich konnte im Sommer schnuppern gehen und darf dort jetzt als Zimmermann die Lehre machen.“ An die aktuellen Massnahmen in der Schule, Maskenpflicht und nach Jahrgang getrennte Pausen, habe er sich gut gewöhnt.
„Ich bin selbständiger geworden“, sagt er auf die Frage, was Corona bei ihm verändert hat. Ausserdem habe er einiges gelernt über das Online Arbeiten und Computer. „Angst habe ich keine. Aber Respekt. Zum Beispiel habe ich meine Grosseltern nur im Sommer gesehen. Im Frühling und jetzt auch wieder treffe ich sie nicht.“
Die Corona-Massnahmen von Bund und Kanton seien zum Teil widersprüchlich, sagt Noa. Etwa die mehrmals veränderten Polizeistunden für Beizen. „Die vielen Einschränkungen sind nicht einfach, besonders auch für die Wirtschaft. Aber es ist sehr schwierig, den richtigen Weg zu finden und ich mache sicher niemandem einen Vorwurf. Was ich gut finde, ist, dass die Schulen offen bleiben. Ich möchte meine Schulzeit auf keinen Fall im Fernunterricht abschliessen müssen."
[i] Dieser Text erschien zuerst im Newsletter der Gemeinde Oberdiessbach