Utzigen - Das Gesicht hinter den Gesichtern

In den letzten Wochen war der Utziger SVP-Grossrat Hans Rudolf Schweizer unermüdlich unterwegs und hat Wahlplakate ausgeliefert und aufgestellt. «Es braucht auf jeder Stufe Wasserträger», sagt er.

Dölf Barben / Der Bund
Auf einem Tisch liegt fein säuberlich das Werkzeug: Ein schwerer Vorschlaghammer, ein Locheisen, ein Hammer, eine Beisszange, Dachpappennägel, ein Bostitch-Apparat, ein Schnitzer und Kabelbriden. An der Wand stehen Dachlatten - und Wahlplakate. Es ist die Werkstatt, in der Hans Rudolf Schweizer in den letzten Wochen viel Zeit verbracht hat. Der SVP-Grossrat aus Utzigen in der Gemeinde Vechigen ist im Wahlkreis Mittelland Nord, der 46 Gemeinden zählt, zuständig für die so genannte wilde Plakatierung - «aber nur für die SVP», betont er und schmunzelt.

Seit am 10. September, am Tag des SVP-«Familienfestes» auf dem Bundesplatz, die «Aktion Paukenschlag» stattfand, wie Schweizer sagt, wissen alle Bernerinnen und Berner, was mit wilder Plakatierung gemeint ist. An jenem Tag, exakt sechs Wochen vor den Wahlen - vorher ist es nicht erlaubt -, hat die SVP landauf landab Wahlplakate aufgestellt. Sie stehen vor allem an den Dorfeingängen und auf privaten Grundstücken.

Von wilder Plakatierung ist die Rede, weil es um andere Standorte geht als jene ständigen der Plakatierungsgesellschaften. Wild im eigentlichen Sinn ist sie aber nicht. Es gibt Vorschriften (siehe «Bund» vom Mittwoch). Ohne Bewilligung dürfen Plakate nur innerorts aufgestellt werden, und zwar ab sechs Wochen vor bis fünf Tage nach den Wahlen (oder einem anderen, beliebigen Vereinsanlass). In einem Brief hat Hans Rudolf Schweizer seine Ansprechpersonen im Wahlkreis auf alles Nötige aufmerksam gemacht. Er habe den Eindruck, die Vorschriften würden gut eingehalten, sagt Schweizer. «Sicher besser als bei früheren Aktionen - man lernt ja auch ständig dazu.»

Für 32 SVP-Sektionen zuständig

Nach der Ständeratsersatzwahl von diesem Frühling habe man die Plakatierung noch professioneller aufziehen wollen, sagt Schweizer. Dafür geht die SVP generalstabsmässig vor. Als zentraler Einsatzleiter fungiert der ehemalige Seeländer Nationalrat Heinz Schwab. Ihm unterstehen neun Landesteilverantwortliche - einer von ihnen ist Schweizer. Und diese wiederum geben die Anweisungen an die Parteipräsidenten oder die Plakatierungsverantwortlichen in den SVP-Sektionen weiter. Schweizer ist für 32 Parteisektionen zuständig.

Der 56-jährige Landwirt sitzt am Küchentisch. Vor ihm liegen Papiere mit Listen darauf. Diese sind mit Kugelschreibereinträgen und Leuchtstift-Markierungen versehen. Man sieht, dass die Papiere auch schon nass geworden sind. Sie sind verknittert und fleckig. «Es sind Arbeitspapiere», sagt Schweizer.

Seit die Aktion angefangen hat, ist Schweizer mit seinem Jeep an manchem Abend über Land gefahren. Zunächst lieferte er die von den Sektionen bestellten Plakate aus, nachdem er diese in Lyss hatte abholen können und in seiner Werkstatt abgezählt und vorbereitet hatte. Dabei ging es - und das ist ihm wichtig - nur um die beiden Hauptplakate der Partei: das «Liste 1»-Plakat und jenes mit Ständerat Adrian Amstutz. Für diese Plakate müssen die Sektionen nichts bezahlen. Und für alle anderen Plakate sind die einzelnen Kandidaten und ihre Helferteams selber zuständig, sagt er. Und da wird es schon fast ein bisschen kompliziert.

«Fast wie Panini-Bildchen»

Schweizer ist gewissermassen auf drei Ebenen tätig. Auf Ebene 1 kümmert er sich um den Wahlkreis. Auf Ebene 2 erledigt er zusammen mit zwei Parteikollegen den Aushang in Vechigen. Und auf Ebene 3 ist er für den Kandidaten Werner Salzmann aus Mülchi unterwegs. Für diesen stellte er in der Umgebung Plakate auf. Dazu kamen noch zwei, drei Plakate, die er von Grossratskollegen erhielt. Während der letzten Session seien fleissig Plakate ausgetauscht worden, «fast wie Panini-Bildchen». Mit dem Aufstellen sei es aber nicht gemacht, sagt er. Die Plakate müssten auch überwacht werden. Aus diesem Grund unternimmt er häufig Kontrollfahrten. Die Beschädigungen hielten sich jedoch im Rahmen, sagt er. Es seien deutlich weniger festzustellen als noch bei der Ständeratsersatzwahl im Frühling. Womöglich habe der Wahlkampf damals viel mehr polarisiert.

«Dann mache ich es grad selber»

Schweizer schreibt keine Kilometer auf, wenn er für seine Partei durch den weitläufigen Wahlkreis fährt. Und er scheint keinen Aufwand zu scheuen. Weil die SVP in den Enklaven Clavaleyres und Münchenwiler nicht so gut organisiert sei, habe er zu sich gesagt, «dann mache ich es grad selber». Also lud er Plakate, Dachlatten und Werkzeug in den Jeep und fuhr los. Der Weg dorthin misst fast 50 Kilometer. Schweizer erwähnt das aber nicht, er scheint gar nicht auf den Kilometerzähler zu achten.

«Für mich ist das alles eine Mischrechnung», sagt er. Weil er im Grossen Rat noch nicht in Kommissionen sitze und mit dem Schreiben von Motionen als Neuer noch etwas zurückhaltend sei, wolle er den Wählern und der Partei auf eine andere Art etwas zurückgeben. «Es braucht auf jeder Stufe Wasserträger.» Schweizer, der verheiratet ist und drei erwachsene Kinder hat, scheint die ideale Besetzung zu sein für diesen Posten.

In der Gemeinde und darüber hinaus ist er bekannt. Er spielt Bariton in der Musikgesellschaft, die er früher präsidierte, er war zwölf Jahre im Gemeinderat, war dessen Vizepräsident, und er war Präsident in einigen Organisationskomitees. Und seit er 2010 in den Grossen Rat gewählt wurde, ist er noch bekannter. Dass er viele Leute kennt und viele Leute ihn kennen und er auf Gemeindeebene schon früher plakatiert hat, ist nun ein Vorteil. Denn das Einverständnis der Grundeigentümer sei bei Plakatierungsaktionen das Wichtigste, sagt er. «Sonst gibt es nur Ärger.» Dass die SVP bei der wilden Plakatierung gewisse Vorteile hat, weil viele Grundeigentümer Bauern sind, streitet Schweizer nicht ab. Es liege in der Natur der Sache, dass Grundeigentum eher bei bürgerlich eingestellten Personen zu finden sei.Er habe an unzähligen Orten gefragt, sagt Schweizer. Auf Ablehnung sei er eigentlich nirgends gestossen. Es gebe einzelne Eigentümer, die auf ihrem Boden zum Beispiel nur Plakate von Bauernvertretern sehen wollen. Solche Wünsche gelte es zu respektieren. In den meisten Fällen habe er aber eine generelle Erlaubnis für die SVP erhalten.

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Erstellt: 01.10.2011
Geändert: 01.10.2011
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