Utzigen - Abenteurer sucht die Einsamkeit

Hauptsache Abenteuer: Ob als Expeditionsleiter oder als einsamer Abenteurer, Marcel Schütz (20) aus Utzigen will die Arktis erobern. Er reiste im Dezember nach Spitzbergen und lebte dort in vollkommener Dunkelheit.

Annina Hasler, Berner Zeitung BZ
Im Moment schlägt sich Marcel Schütz vor allem mit polierten Weingläsern, schön garnierten Tellern und weissen Tischtüchern herum. Der 20-Jährige aus Utzigen ist mitten im Endspurt seiner Ausbildung zum Restaurationsfachmann. Im Sommer schliesst er seine dreijährige Lehre in der «Linde» in Stettlen ab. Danach wird ihn sein Weg in den hohen Norden führen. Schütz will sich intensiv seiner grossen Leidenschaft widmen, den Expeditionen in der arktischen Landschaft.

Bereits drei solche Abenteuer in den eisigen Gefilden der norwegischen Arktis hat Schütz unternommen, zwei davon alleine. Die letzte Reise machte er im Dezember nach Spitzbergen, einer Inselgruppe im nördlichen Eismeer. «Ich war in der Polarnacht dort, Tag und Nacht war es stockdunkel», erzählt er. Das einzige Licht, welches die Dunkelheit durchbrach, war seine Stirnlampe.

Er ist Einzelkämpfer

Doch nicht nur die Dunkelheit machte dem Abenteurer zu schaffen. Auch eisige Kälte – Temperaturen von minus 20 Grad waren an der Tagesordnung – und Wind waren seine täglichen Begleiter. Die Natur zu spüren und zu erleben sei seine Motivation, sagt Schütz. «Gleichzeitig ist sie auf den Expeditionen mein grösster Feind.» Zu diesen Feinden gehören auch Eisbären. Bisher ist er keinem begegnet. Im Notfall würde er das Tier mit Leuchtraketen verscheuchen.

Schütz sagt, es sei nicht dasselbe, wenn er mit jemandem zusammen die Reisen unternehmen würde. «Es geht mir darum, mich und meine Grenzen kennen zu lernen. Das ist nur alleine möglich.» Mit der Einsamkeit kommt er gut klar. Wenn man tagelang alleine unterwegs sei, mache man sich Gedanken, auf die man zu Hause im Alltag niemals käme. «Eigentlich dreht sich dann alles ums nackte Überleben.» Er staune immer wieder, mit wie wenig der Mensch auskommen könne.

Realität sieht anders aus

In der achten Klasse las Schütz «Die Entdeckung der Langsamkeit» von Sten Nadolny. Der Roman handelt vom Leben des Kapitäns und Polarforschers John Franklin. Der Schüler war fasziniert von den Abenteuern des Engländers: «Ich beschloss schon damals, ebenfalls Abenteurer zu werden», sagt Schütz und lacht.

Die Realität sieht weit weniger romantisch aus: Während andere in seinem Alter ihr Geld im Ausgang oder bei Strandferien verprassen, investiert Schütz seinen Lehrlingslohn in Material und die Reisen.

Suche nach Sponsoren

«Gute Materialien sind sehr teuer, aber in der Arktis lebenswichtig.» Sein Zelt und die Nahrung – die meist nur aus Suppen oder Teigwaren besteht – transportiert er auf einem Schlitten. Um seinem grossen Traum, nur noch von seinen Expeditionen zu leben, näher zu kommen, ist Schütz dringend auf Sponsoren angewiesen. Seine Kameraausrüstung hat er immer dabei. In der Arktis sind bereits zahlreiche Bilder von Land und Tier entstanden. Gerade arbeitet der junge Abenteurer an einer Präsentation und der eigenen Homepage.

Keine Angst, nur Respekt

Wenn Marcel Schütz sich auf den Weg nach Norwegen macht, um dort seine nächste Expedition zu starten, bleiben seine Eltern und seine Schwester manchmal mit einem mulmigen Gefühl zu Hause. In seiner Familie ist er der einzige Abenteurer. Angst kennt er selber nicht: «Ich habe Respekt vor der Natur. Angst darf man bei so was nicht haben, das würde nur lähmen.»

Nach Abschluss seiner Ausbildung will Schütz sein grosses Ziel in Angriff nehmen: Er möchte eine Reise an den Nordpol starten. Sollte dies mangels Sponsoren vorerst nicht klappen, wird er versuchen, in Norwegen eine Ausbildung zum Expeditionsleiter zu machen.

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Erstellt: 01.03.2010
Geändert: 01.03.2010
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