Besuch bei den Bauern: "Das ist brutal, aber so läuft das Geschäft"

Die Kühe weiden auf braunen Wiesen und finden kaum noch Gras. Deshalb müssen manche Bauern schon jetzt auf die Wintervorräte zurückgreifen. Heu ist zur Mangelware verkommen. Bereits mussten Kühe verkauft oder sogar geschlachtet werden.

Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch

Auf dem Hof von Urs Krebs fällt zuerst die schöne Aussicht auf Biglen mit Blick auf die Alpen auf. Obwohl es dunstig ist, sieht man den Eiger, weiter westlich den Niesen. Krebs' Hof Baldisthal befindet sich in der letzten Kurve unterhalb der Gumm. Schaut man die Hänge an, so sind diese eher braun statt grün. Einzig der Mais wächst ordentlich. "Ich will nicht jammern", sagt Krebs gleich zu Beginn. "Beim Bauern gewinnt man manchmal, mal verliert man. Mal ist es trocken, mal nass." Wegen der Trockenheit muss sich Krebs von einer Kuh trennen.

 

Der Kreislauf der Natur

"Das ist brutal, aber so läuft das Geschäft." Es geht um eine Kuh, die er vor drei Monaten besamte. Erst dachte Krebs, sie sei trächtig, dann wurde sie wieder brünstig. Sie sei bereits eine ältere Kuh. "Ich nehme an, dass die Kuh durch den Hitzestress das Kalb in den ersten zwölf Wochen verloren hat. Das muss wohl auf der Weide passiert sein."

 

Darauf entschied sich Krebs, dass sie noch zwei Monate gemolken und dann geschlachtet wird. "Die Wettersituation hatte natürlich Einfluss auf den Entscheid. Unter normalen Umständen hätte ich nochmals probiert, zu besamen. Aber so entscheide ich mich fürs Schlachten." Das sei der Kreislauf der Natur. Dafür werde morgen wieder ein junges Kälblein geboren.

 

Kein Futter erhältlich

Krebs muss schauen, dass er mit den Futtervorräten aus dem letzten Jahr durchkommt. Er hat versucht Futter zu kaufen, hat aber keines erhalten. "Weil es überall trocken ist, ist der Markt momentan still. Diejenigen, die Futter haben, behalten es als Reserve für sich."

 

Es ist zu trocken

Bei Bauer Marco Baumann aus Arni tönt es ähnlich. "Seit Mitte Juni wächst das Gras nicht mehr. Einzig der Mais kommt gut, weil anfangs noch Feuchtigkeit im Boden war." Der Mais werde dieses Jahr drei Wochen früher geerntet als sonst. Durch die Trockenheit geben seine Kühe weniger Milch. "Pro Kuh sind das vier Liter am Tag. Das macht im Monat rund 3'200 Franken weniger Umsatz."

 

Die Kühe spüren die Hitze, wie wir auch. Sie fressen weniger, werden unruhig, stehen im Bitz und warten. Auch die Fruchtbarkeit gehe zurück. Baumann hat vor dem Stall Ventilatoren aufgestellt, welche die Luft umschichten. Zusätzlich befeuchtet er die Luft im Stall. Abends lassen beide Bauern ihre Kühe auf die Weide.

 

Kühe werden nicht mehr satt

Auch Baumanns Kühe werden auf der trockenen Wiese nicht mehr satt. Er füttert ihnen zusätzlich eine sogenannte Totale Mischration, ein Mix aus Gras, Heu, Mais und Mineralstoffen. Letzten Sommer frassen seine Kühe pro Tag 39 Kilo davon. Diesen Sommer sind es 48 Kilo. Je weniger Gras die Kühe fressen, umso mehr Mischration muss er ihnen geben. Baumann hat noch Heu und Siloreserven vom letzten Jahr. "Wir haben mehr Grünfläche pro Kuh, deshalb kommen wir gut zurecht. Aber ich weiss von Bauern aus der Region, welche bereits Kühe verkaufen mussten."

 

Alles ausser die Milch wird teurer

Obwohl die Produktionskosten (Diesel, Kraftfutter) gestiegen sind, erhält Marco Baumann für die Milch nach wie vor 65 Rappen pro Liter. Der Milchpreis habe sich seit dem Frühling nicht mehr verändert. Er bringt seine Milch zur Cremo, welch unter anderem auch die Migros beliefert. Cremo ist nach Emmi der zweitgrösste Milchverarbeiter in der Schweiz. "Alles wurde teurer, aber die Milch nicht. Die Milchverarbeiter haben dieses Jahr gutes Geld verdient. Als kleiner Bauer kann ich nichts machen", so Baumann.

 

Zufrieden mit dem Milchpreis

Die Familie Krebs vom Hof Baldisthal liefert ihre Milch in die Käserei Eyweid in Zäziwil. "Die finanzielle Einbusse dieses Jahr aufgrund der Trockenheit ist da", sagt Krebs. "Mit dem Milchpreis sind wir zufrieden, seit Mai wurde der Preis wiederum leicht erhöht." Konkrete Zahlen will er nicht nennen, er sagt: "Für mich stimmt der Tag, wenn ich das Möglichste gemacht habe. Das Wichtigste ist doch, dass wir gesund sind und in einem Land leben, in dem kein Krieg herrscht."

 

"Wir leben mit der Natur"

Auf dem Hof verfügen sie über eine eigene Wasserquelle, die aktuell zwar nur noch wenig, jedoch genügend Wasser liefere. Er habe Mais, den er seinen Kühen als Frischfutter geben könne. Dem dazugehörenden Wald gehe es den Umständen entsprechend noch gut. Krebs blickt optimistisch nach vorne: "Wir hatten zum Glück kaum Hagel. Wenn es jetzt regnet, kann sich die Situation noch ändern. Es kann auch sein, dass wir die Kühe noch bis Mitte November weiden lassen können. Wir leben von und mit der Natur. Mal hat man mehr in der Kasse, mal weniger. So ist das eben."

 

[i] Veronika und Urs Krebs bewirtschaften den Hof Baldisthal oberhalb von Biglen. Sie haben drei erwachsene Kinder, David, Julia und Linda. Auf dem Hof werden sie unterstützt von Sohn David und einem Lehrling. Die Familie Krebs verfügt über 16 Hektaren Land, hält 25 Milchkühe und 12 Guschti, welche zurzeit auf der Alp weiden.

 

[i] Marco Baumann arbeitet auf dem elterlichen Hof von Annemarie und Daniel Baumann in Arni. Sie halten 41 Milchkühe, 15 Mastkühe, 25 Aufzuchtrinder und 78 Mastschweine. Marco Baumann wird den Hof später übernehmen.


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Erstellt: 21.08.2022
Geändert: 21.08.2022
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