Tempo 40: Schilderlos und nebulös

Häutligen wollte Tempo reduzieren - und hätte sich dabei fast verfahren.

Simone Wölfli, Berner Zeitung BZ
Lange Gesichter gab es an der Gemeindeversammlung in Häutligen. Und zwar als Gemeindepräsident Christian Mosimann (parteilos) die rund 30 Anwesenden über den neusten Stand zum Traktandum zwei informierte: Verkehrsberuhigungsmassnahmen in Häutligen. Zusätzliche Stühle mussten im Schulhaus bereitgestellt werden, die Anwesenden rückten näher nebeneinander.

«Noch nie habe ich so viele Anwesende begrüssen dürfen», stellte der Gemeindepräsident mit einem Lächeln fest. «Ihr Interesse freut mich, aber ich kann die Abstimmung nicht wie geplant durchführen». Es werde bloss eine Konsultativabstimmung stattfinden – um festzustellen, «ob wir am Ball bleiben oder das Ganze vergessen wollen».

Was war geschehen? Schon im Vorfeld der Gemeindeversammlung gab die Vorlage zur teuren Verkehrsberuhigung im kleinen Dorf mit seinen 230 Einwohnern zu reden. Der Gemeinderat hatte sich im Sommer 2009 für Verkehrstafeln mit der Aufschrift «Generell 40» entschieden und die Planung dafür einem Ingenieurbüro übergeben. Die Geschwindigkeitsreduktion von aktuell 50 auf 40 Stundenkilometer sei eine gute Sache, war man sich im Gemeinderat einig.

Der neue Schilderwald wäre Häutligen 20000 Franken wert gewesen. Diese Kosten erstaunten aber Behörde und Dorfbewohner gleichermassen. Da gar keine «Generell 40»-Signale existieren, die am Dorfein- und -ausgang montiert werden könnten, müssten an jeder Abzweigung der Strassen 40-er Tafeln stehen. Dies würde konkret heissen: 20 neue Verkehrstafeln mit Kosten von total rund 40000 Franken – je hälftig zu Lasten der Gemeinde und dem Kanton.

«Da wären wir noch so im Hick gewesen», befand Christian Mosimann an der Gemeindeversammlung. Aber nun mache das Strassengesetz Häutligen einen Strich durch die Rechnung. Seit dem 1. September 2009 müssen Gemeinden ein Gutachten einholen, wenn sie eine neue Verkehrsordnung anstreben. Kostenpunkt: noch einmal 8000 Franken. Mosimann erläuterte die Folgen, wenn das Gutachten negativ ausfallen würde: «Entscheidet der Kanton, dass die geplanten Massnahmen nicht notwendig sind, so hat die Gemeinde die gesamten Kosten selber zu tragen.» Das wären dann rund 48000 Franken. Das Ingenieurbüro habe ihn erst Mitte November über das neue Gesetz informiert.

Eine Temporeduktion nütze nichts, wenn man keine Geschwindigkeitsmessungen vornehme, meldete ein Dorfbewohner – und löste damit eine hitzige Diskussion um Pflichten und Versäumnisse von Seiten des Kantons aus. «Wenn wir die Polizei für Kontrollen anfragen, kommen die doch nicht», ereiferte sich eine Anwohnerin und berichtete, wie sie selber einmal die Behörden um Unterstützung gebeten habe. Das lohne sich in so einem kleinen Dorf nicht, habe sie zur Antwort bekommen. «Die kommen schon», meldete sich eine andere Stimme. Sie sei selber mal in eine Kontrolle im Nachbardorf gekommen. «Plötzlich landen wir in der Radarfalle», stellte ein Bauer fest. Er selber fahre mit seinem Traktor langsam, aber er kenne jene Leute, die immer zu schnell unterwegs seien. Allgemeine Heiterkeit und ein reger Austausch von Erfahrungen bestimmten nun die Diskussion.

«Wollen wir am Ball bleiben oder das Ganze vergessen?», brachte Präsident Christian Mosimann die Versammelten wieder auf die Kernfrage zurück. Acht Anwesende stimmten dafür, 13 dagegen. Er habe mit der Ablehnung gerechnet, sagte der Gemeindepräsident. Nun will er die Geschwindigkeitsmessungen vorantreiben.

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Erstellt: 08.12.2009
Geändert: 08.12.2009
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