Stettlen/Bolligen - Gnadenstoss für faule Eschen

In den Gemeinden Stettlen und Bolligen werden die Böschungen des Ferenbergbachs gerodet. Die Bäume sind überaltert und instabil. Damit soll Stettlen vor Überschwemmungen wie 2006 geschützt werden.

Im Juli 2006 trat der Ferenbergbach in Stettlen über die Ufer und floss durch das Dorf. Dabei wurden Keller und Gewerbebetriebe im Zentrum überflutet. Die Gemeinde meldete die «grössten bisher erlebten Schäden». Gemeindepräsident Lorenz Hess (bdp) spricht vom «grössten Hochwasser in Stettlen, an das sich die Menschen erinnern können». Der Grund für die Überschwemmungen: Der Bach führte viel Schlamm, Geröll und Äste mit, die ein Sammelbecken blockierten. Das Wasser staute sich und floss dann über die Strasse und den Hang ins Dorf hinunter.

Rund 280 Bäume werden gefällt

Nun werden im Graben zwischen Ferenberg, das zur Gemeinde Bolligen gehört, und Stettlen die Bäume abgeholzt. Diese erfüllen die Funktion nicht mehr, die sie eigentlich erfüllen sollten. Sie stabilisieren die Hänge und das Erdreich nicht mehr. «Die Bäume sind überaltert und zum Teil unterspült», sagt Revierförster Ueli Hegg. 560 Kubikmeter Holz hat er angezeichnet. Das heisst rund 270 bis 280 Bäume, darunter viele Buchen und Eschen, müssen gefällt werden. Ein grosser Teil liegt bereits am Boden. Bei einem Hochwasser sollen nicht wieder Bäume umstürzen und den Bach «vermachen». Wenn die Bäume zu gross werden, wächst der Druck auf den Hang. Der Boden reisst auf, immer mehr Wasser sickert ein. Die Bäume verlieren ihren Halt, kippen um wie Dominosteine. Die Folgen drückt Hegg so aus: «Irgendeinisch chunnt die ganzi Musig nidsi.» Seit mindestens vier Jahrzehnten sei im Graben nicht mehr «ernsthaft geholzt» worden.

«Ganz ein ,leider Cheib»

Die Arbeiten führt Hans Lehmann aus Oberdiessbach aus. «Die meisten Bäume sind innen hohl und kaputt», sagt der Forstunternehmer. Lehmann deutet auf den braunen, faulen Strunk einer umgesägten grossen Esche. «Das ist ganz ein ,leider Cheib», sagt er. Der Baum ist wohl 100-jährig oder älter und am Ende seiner biologischen Lebensspanne angelangt. Weiter unten im Graben kreischen die Motorsägen seiner zwei Mitarbeiter. Die beiden stehen nahe an einem kleinen Wasserfall, an dem Eiszapfen hängen. «Beim Fällen gibt es am meisten Unfälle», sagt Lehmann. «Die Arbeit ist gefährlich und gibt dreckige Kleider.» Viele Forstwarte schwenkten darum um, wenn sie älter würden, und suchten sich einen Job, der sicherer und besser bezahlt sei.

Es braucht zwei «Seillinien»

Das Holz wird wohl zum grössten Teil als Spanplatten enden, die Äste werden zerhackt und als Schnitzel verfeuert. Die Bäume liegen gefällt an den steilen Hängen, abtransportiert werden sie aber erst im Januar. Zuerst muss Lehmann eine Seilbahn bauen, um die Stämme zur Strasse von Stettlen nach Ferenberg zu bringen. Im unteren Bereich ist der Graben zu eng, zudem gibt es keine Zufahrt für Lastwagen und grosse Forstmaschinen. Lehmann und seine Mitarbeiter werden zwei «Seillinien» einrichten und einen Platz, um die rund zwei Tonnen schweren Stämme umzuhängen. Die Routenwahl ist schwierig. Lehmann stapft die steilen Hänge auf und nieder und prägt sich das Gelände ein. Steht dort noch eine Tanne im Weg? Muss sie gefällt werden, um freie Bahn zu haben? Bei den grossen Buchen und der «wüsten Eiche» durch wird wohl das Trassee verlaufen.

Der Bolliger Gemeinderat Erich Sterchi (svp) wohnt in Ferenberg und ist Anwohner des Baches. Bolligen wird sich mit Stettlen die Kosten teilen. Knapp die Hälfte der Kosten von rund 45 000 Franken für die Forstarbeiten zahlt der Kanton. Bolligen hat insgesamt 60 000 Franken im Budget reserviert. «Wir hoffen, dass es nicht alles braucht», sagt Sterchi. Das entscheidet sich erst in einem zweiten Schritt, wenn klar ist, ob es beim Ferenbergbach auch noch neue Schwellen, Verbauungen oder ein Rückhaltebecken braucht.

«Die Natur machen lassen»

Die Wurzelstöcke der Bäume werden in den Böschungen belassen. Wenn der Druck der Stämme nicht mehr auf ihnen lastet, bleiben sie laut Hegg noch 20 bis 25 Jahre stabil im Boden. «Wir lassen die Natur machen.» Der Graben werde schnell wieder überwachsen, zum Beispiel von Erlen, die mit ihrem grossen Wurzelwerk als Pionierpflanze dienten. «Beim Jungwuchs gibt es kaum Hebelwirkung auf die Wurzeln und den Boden, wenn es windet.» Innert weniger Jahre seien die Böschungen wieder komplett überwachsen.

Simon Wälti, "Der Bund"

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Erstellt: 23.12.2009
Geändert: 23.12.2009
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