Stettlen - Die Personalnot in den Gemeinderäten zeigt Auswirkungen

Stettlen ist nicht die erste Gemeinde, welche wegen Mangel an politischem Personal die Amtszeitbeschränkung aufgibt. Eine Alternative ist die Gemeindefusion.

Matthias Raaflaub, Der Bund

«Vielleicht kommt in die Sache jetzt ja noch Bewegung.» Stettlens Gemeindepräsident Lorenz Hess hat noch Hoffnung, dass sich eine geeignete Nachfolge für ihn findet. Der Entscheid der Stettler Gemeindeversammlung, auf Antrag des Gemeinderats die Beschränkung der Amtszeit in den politischen Ämtern aufzuheben, hat nämlich einiges Echo ausgelöst. BDP-Nationalrat Hess hat er im «Blick» einen Vergleich mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ein­getragen. In vielen Gemeinden müssen Gemeinderäte und Gemeindepräsidenten nach zwei oder drei Legislaturen, also maximal zwölf Amtsjahren, abtreten. Hess könnte in Stettlen nun eine dritte Amtszeit in Angriff nehmen. Ob er antritt, habe er noch nicht entschieden, sagt er. Doch Stettlen ist längst kein Einzelfall. Moosseedorf, Ostermundigen, Bolligen: In den vergangenen Jahren ­haben bereits andere Gemeinden in der Region Bern die Amtszeitbeschränkung aufgehoben. Die Argumente dafür glichen sich. So brachte auch der Gemeinderat in Stettlen vor, dass es zunehmend schwierig sei, Nachfolger für die politischen Ämter zu finden. Hess sagt, er versuche seit zwei Jahren, Mitglieder des Gemeinderats zu motivieren, für das Gemeinde­präsidium zu kandidieren. «Das hat nicht funktioniert.» Auch bei der Besetzung der Fachkommissionen sei es «jedes Mal ein grosser Aufwand, ­interessierte Leute zu finden», sagt Hess.

Es gibt auch Kritiker der Entwicklung, die Gemeindeordnung aufzuweichen. Belp lehnte die Aufhebung der Amtszeitbeschränkung 2010 ab, weil die Beschränkung der Amtsjahre die Erneuerung in der Politik garantiere. Ist in den Gemeinden also ein Pfeiler der Demokratie in Gefahr?

Problem für jede zweite Gemeinde

Im Gesetz verankert ist die Amtszei­tbeschränkung nicht. Jede Gemeinde kann ihre Regeln für die maximale Amtszeit selbst definieren. Den Gemeinden steht offen, wie sie mit den Möglichkeiten umgeht, die Wiederwahl in die politischen Gremien einzuschränken. Der Kanton schreibt lediglich vor, dass die Amtsdauer, also die Legislatur, beschränkt sein muss. Notabene nicht auf die verbreiteten vier, sondern auf maximal sechs Jahre. Einen Trend, Amtszeitbeschränkungen abzuschaffen, kann Rolf Widmer, Abteilungsleiter im Amt für Gemeinden und Raumordnung des Kantons Bern, zwar nicht feststellen. Aller­dings sei deren Aufhebung eine der möglichen Antworten auf die Herausforderungen kleiner Gemeinden, sagt Widmer. Zweifellos beschäftigt der ­Bedarf an politischen Amtsträgern die Gemeinden stark. Nicht nur im Kanton Bern. Eine systematische Studie des Kompetenzzentrums für Public Management der Universität Bern, die «gesamtschweizerische Gemeindeschreiberbefragung», bestätigt dies. «Jede zweite Gemeinde in der Schweiz hat Mühe, noch genügend Personal für die Exekutive zu finden», sagt Studienverfasser Reto Steiner. Ebenso finden nur noch in einem Drittel der Gemeinden eigentliche Kampfwahlen statt. «Diese Probleme stellen sich für kleine Gemeinden weit stärker als für grosse», sagt Steiner.

Eine andere Strategie gegen den Personalmangel ist die Gemeindefusion. Diesen Weg bestritt etwa die Gemeinde Albligen, welche sich 2010 mit Wahlern zur Gemeinde Schwarzenburg zusammenschloss. Widmer: «In der Hitliste der Gründe für eine Fusion ist der Mangel an politischen Amtsträgern weit oben zu finden.» Finde sich kein Ersatz mehr im Gemeinderat, dem Gemeindepräsidium oder auch der Gemeindeverwaltung, so zeige dies kleinen Gemeinden oft ihre Grenzen auf. «Meist geht es dann noch knapp, aber man fragt sich, wie es zehn Jahre später wird.»

«Exekutiven vertreten das Volk»

Neben ihren finanziellen Grenzen stelle die Besetzung der politischen Ämter einen der Hauptgründe für Fusionen kleiner Gemeinden dar. Dass zunehmend auch Druck auf die Amtszeit­beschränkungen festzustellen ist, passt für Steiner in das Bestreben der Gemeinden, ihre Exekutiven kleiner und flexibler zu gestalten. Grundsätzlich habe die Amtszeitbeschränkung als demo­kratiepolitische Bremse gegen «Dorfkönige» aber nicht ausgedient, meint Steiner: «Die Exekutiven vertreten die Bevölkerung. Daher ist ein gewisser regelmässiger Wechsel durchaus sinnvoll.»


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Erstellt: 12.12.2014
Geändert: 12.12.2014
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