Start Promotion League und 1. Liga: Beim Essen die Mütze vom Kopf nehmen
Münsingens Coach Kurt Feuz erklärt, wie sich die Mentalität der Jungen in den letzten Jahren verändert hat.
Kurt Feuz, als Sie Ihre Trainerkarriere vor 33 Jahren starteten, war die Welt eine komplett andere als heute. Ist der Trainerjob schwieriger geworden?
Kurt Feuz: Ja, viel schwieriger. Die Jugendlichen erwarten heute, dass ich mehr mit ihnen kommuniziere, sie hinterfragen, sind kritischer und selbstsicherer. Als ich vor 20 Jahren jemanden auf die Ersatzbank setzte, brauchte es keine Begründung. Heute wollen die Fussballer ein detailliertes Feedback, warum sie nicht spielen, ich muss als Trainer auf sie eingehen. Die Mentalität hat sich gewandelt.
Inwiefern?
Zum Beispiel auch bei den Transfers. Als ich früher einen Spieler holen wollte, ging ich mit ihm einen Wurstsalat essen und eine Stange trinken, zeigte ihm die Vorzüge eines Wechsels zu Münsingen auf und konnte ihn oft mit Argumenten wie dem guten Zusammenhalt oder der Qualität im Team überzeugen. Das zählt heute oft nicht mehr viel.
Geht es dabei auch um Geld?
Sehr oft, ja. Viele Akteure wechseln den Verein, sobald sie irgendwo mehr Spesen oder Punkteprämien einheimsen können. Das macht es für einen Klub wie Münsingen schwierig. Schwang früher der Stolz mit, wenn jemand in der 1. Liga spielen durfte, gehen heute viele Jugendliche lieber in eine tiefere Liga, wenn sie dort mehr verdienen können.
Tennislegende Mats Wilander meinte kürzlich, dass der ständige Gebrauch der sozialen Medien und des Smartphones der Konzentration nicht förderlich sei, dass die heutige Jugend deshalb Mühe habe, über längere Zeit den Fokus auf etwas zu richten. Wie stehen Sie dazu?
Ich sehe es ähnlich. Deshalb führte ich auch ein Handyverbot ein. Eine Stunde vor einem Spiel muss auf das Telefon verzichtet werden, im Training eine Viertelstunde vor Beginn. Wäre dies nicht so, gäbe es Spieler, die bis 2 Minuten vor dem Match oder dem Training am Handy sind. Das kann der Konzentration nicht förderlich sein. Oder wenn ich sehe, dass in einer Gruppe von 15 Leuten 14 auf das Handy starren, aber kaum miteinander reden, ist das komisch. Ich sehe es auch als Aufgabe an, gewisse vernünftige Werte zu vermitteln.
Disziplin und Ordnung sind Ihnen nach wie vor wichtig?
Absolut, eine gewisse Ordnung muss einfach sein. Essen wir zum Beispiel zusammen am Mittag, verlange ich, dass sie ihre Mützen oder Kappen vom Kopf nehmen. Aber ich kann auch nicht zu viel verbieten, muss das Gleichgewicht finden. Zudem kann ich nicht jeden Spieler genau gleich behandeln. Jeder ist anders und braucht eine andere Zuwendung. Auch das ist extremer als früher.
Sind Sie über all die Jahre lockerer geworden?
Ich habe mehr Verständnis für die Belastungen, denen die Jugendlichen heute in der Ausbildung oder im Job ausgesetzt sind. Wenn mir ein Spieler sagt, dass er einen strengen Tag im Büro oder Stress mit der Freundin hatte und deshalb nicht abschalten kann, nehme ich ihn vielleicht aus dem Training raus und lasse ihn Runden laufen, damit er den Kopf lüften kann.
Kurt Feuz, der Psychologe?
Ich versuche auch auf die Probleme der Jungen einzugehen, klar. Das Wichtigste dabei ist Vertrauen und Ehrlichkeit. Würde ich merken, dass jemand aus Faulheit oder weil er gerade keine Lust aufs Training hat, mir irgendeine Geschichte auftischt, gäbe es Probleme.
Sie sind Grossvater, werden im Oktober 65 Jahre alt. Es gab Gerüchte, dass Sie sich pünktlich zur Pensionierung auch aus dem Fussball zurückziehen könnten.
Pensionieren liess ich mich schon im letzten Jahr, das hat so gepasst für mich. Ich geniesse meine Freizeit, meine Enkel und die Tatsache, dass ich jetzt viel Zeit für den FC habe und an einem Trainingstag heute schon um 16.30 Uhr auf dem Platz alles vor bereiten kann. Mein Vertrag bei Münsingen läuft noch bis 2018, was danach sein wird, ist noch unklar. Es mir ein riesiges Anliegen, ja ich fühle mich geradezu verpflichtet, einen sehr guten Nachfolger zu installieren.
Der FC Münsingen ohne Kurt Feuz ist eigentlich unvorstellbar.
Das Problem ist, dass ich nicht nur Trainer bin, sondern auch als Sportchef fungiere, mich um Material kümmere, Statistiken anfertige, die Spesen betreue. Viele junge Trainer sind nicht bereit, solche Dinge zu machen. Coach in Münsingen zu sein, tönt einfach. Aber man kann hier nicht einfach mal schnell drei neue Spieler verpflichten und hoffen, dass der Erfolg kommt. Akteure müssen zum Verein passen.
Ist ein Nachfolger in Sicht?
Ich hatte schon eine Idee, es hat aber leider nicht ganz gepasst. Ich könnte mir aber vorstellen, in ein paar Jahren im Hintergrund, etwa als Sportchef, weiterzuwirken und meinen Nachfolger tatkräftig zu unterstützen, damit sein Einstieg nicht so schwierig ist und er sich voll auf sein Amt als Coach konzentrieren kann. Auf die Bank werde ich mich dann aber nicht mehr setzen. (lacht)
KURT FEUZ
33 Jahre (mit einem 1-jährigen Intermezzo beim FC Biel) ist Kurt Feuz als Coach mit dem FC Münsingen verbandelt. Eine Erfolgsgeschichte. Jahrelang waren die Aaretaler das Aushängeschild des Berner Amateurfussballs. Feuz, der einst für den FC St. Gallen und YB gespielt hatte, stand mit seinem FCM diverse Male an der Schwelle zur NLB, schaffte es immer wieder, ein extrem gutes Kollektiv zu formen. Mittlerweile spielt Münsingen in der vierthöchsten Liga (1. Liga) eine gute Rolle. Letztes Jahr scheiterte der FCM erst in den Aufstiegsspielen. Auch diese Saison mischen die Aaretaler als aktueller Tabellenvierter in der Gruppe 2 vorne mit. Morgen geht es mit dem wegweisenden Spiel gegen Baden (Rang 2) wieder los. Nach einer guten Vorbereitung mit einem Trainingslager in Marbella ist der FCM für die Rückrunde gerüstet. Feuz weiss aber auch, dass Teams wie Luzern U-21, Baden oder Solothurn über mehr Mittel verfügen als der FCM und favorisiert sind, die Aufstiegsspiele zu erreichen. Wer Feuz kennt, kann davon ausgehen, dass er nichts unversucht lassen wird, trotzdem ganz vorne mitzumischen.