Ski Alpin - Hoffnung dank Slalomschwung

Die Weltcupstartlisten lesen sich für die Schweizer Skifahrer wie die Quittung des tristen letzten Winters. Im Slalom lässt sich, freilich auf tiefer Ebene, eine Vorwärtsbewegung registrieren.

Micha Jegge, Berner Zeitung BZ

Der Absturz ist aussergewöhnlich, dessen Dimension hätten die wenigsten für möglich gehalten. Innert eines Winters verschwanden die Schweizer Skifahrer weitgehend von der Bildfläche. Nehmen sie in den kommenden Wochen ihr Pensum in Angriff, wird das Fernsehen in vielen Fällen nicht mehr auf Sendung sein, wie sich den Weltcupstartlisten (siehe Tabelle unten rechts) entnehmen lässt. Am deutlichsten offenbaren sich die Folgen der Geschehnisse an den Beispielen von Marc Berthod, Carlo Janka und Silvan Zurbriggen. Die Athleten mit den klingenden Namen, allesamt einstige Weltcupsieger und Medaillengewinner an Grossanlässen, finden sich in ihren Kerndisziplinen im Niemandsland wieder. Einzig in der Super-Kombination vermochten sie sich im Vorderfeld zu behaupten, wobei dieser Fakt differenziert betrachtet werden muss: Der an sich attraktive Zweiteiler steht auf dem Abstellgleis, im Weltcup nur in Wengen und Kitzbühel auf dem Programm. Was zur Folge hat, dass ihn die meisten Nationen in der Vorbereitung links liegen lassen, obwohl im Februar Olympiamedaillen vergeben werden.
  

Wider den Trend präsentiert sich die Leistungskurve der Slalomspezialisten. Noch ist die Differenz zur Weltspitze beträchtlich, noch wird es auf dem Podest keine helvetische Invasion geben. Die Entwicklung im Ensemble von Steve Locher ist trotzdem erfreulich; sie zeigt, dass hinter dem Schaufenster ausgezeichnet gearbeitet wird. Hervorzuheben gilt es den innovativen Europacup-Slalomtrainer Didier Plaschy sowie den Berner Michael Weyermann, welcher als C-Kader-Verantwortlicher unter anderen Luca Aerni betreute und nach dem Wechsel Reto Nydeggers zu den Norwegern zum Europacup-Chef befördert wurde.
  

Aernis Aufstieg
  

Aerni ist am sonntäglichen Weltcupslalom im nordfinnischen Levi einer von sieben Swiss-Ski-Vertretern (siehe Kasten rechts). Der 20-Jährige aus Grosshöchstetten hatte vor Beginn der letzten Saison als Kandidat für einzelne Europacupeinsätze gegolten. Er überzeugte in FIS-Rennen, wurde auf die kontinentale Ebene gehoben, dort zusehends schneller und avancierte im Januar in Chamonix sogar zum Sieger. Nun verfügt Aerni dank seiner Europacupbilanz über einen fixen Weltcupstartplatz, in der FIS-Punkte-Liste ist er innert zwölf Monaten von Position 188 auf Platz 40 geklettert. Ramon Zenhäusern bewegt sich im gleichen Leistungsbereich wie Aerni, der Zwei-Meter-Schlaks aus dem Oberwallis ist ein Jahr älter als der Berner und soll intern zuletzt der Schnellste gewesen sein. Das grösste Potenzial jedoch schlummert zweifelsfrei in Justin Murisier. Fast wie ein Komet war der Unterwalliser im Winter 2010/2011 in den Weltcup eingedrungen, von Enthusiasten als Schweizer Version von Marcel Hirscher betitelt worden, ehe sich der heute 21-Jährige im September 2011 sowie im August 2012 Kreuzbandrisse im rechten Knie zuzog. Ende Oktober kehrte der Begabte anlässlich des Riesenslaloms in Sölden in den Weltcup zurück und gestand, auf der Piste zuweilen gehemmt zu sein, seinem Knie noch nicht hundertprozentig zu vertrauen.
 

Es dürfte noch eine Weile dauern, bis die Aufstrebenden im Stangenwald ganz oben angelangt sein werden. Die mittelfristigen Perspektiven sind im – historisch bedingt – als Schweizer Problemsparte geltenden Slalom aber so erfreulich wie lange nicht mehr. Zu verdanken ist dies nicht zuletzt der Massnahme des ehemaligen Cheftrainers Osi Inglins, die Future-Gruppe zu installieren und Plaschy mit deren Leitung zu betrauen. Nicht alles, was im letzten Winter geschah, war schlecht. Das Positive lässt sich aber erst auf den zweiten Blick herausfiltern.

Siehe auch Newsbericht BERN-OST vom 8.10.2013... 


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Erstellt: 15.11.2013
Geändert: 15.11.2013
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