Worb - Neue Leitlinien für Blinde beim Bahnhof
Mit dem 2024 in Kraft tretenden Behindertengleichstellungsgesetz soll ein behindertengerechtes öffentliches Verkehrssystem in der Schweiz gewährleistet sein. Seit diesem Sommer ist Worb dafür schon gut gerüstet. Die Planung der neuen Leitlinien für Sehbehinderte und Blinde am Bahnhofplatz Worb stellte eine Herausforderung dar.
Das Tram quietscht um die Kurve, der RBS-Zug fährt ein, das Postauto rollt vorbei und daneben suchen Autos einen Parkplatz. Verkehrsmässig ist ordentlich was los auf dem Bahnhofplatz Worb. Dazwischen bahnen sich die Fussgänger irgendwie ihren Weg. Was für normal sehende Menschen kein grosses Problem darstellt wird für Sehbehinderte und Blinde zur echten Herausforderung. Als noch das dritte Perron für das Postauto hinzukam, schritt die Sektion Bern des Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV) zur Tat.
Im August wurden am Boden im Bereich um den Bahnhof Leitlinien für Blinde und Sehbehinderte angebracht. Die Initiative kam von einem Mitglied des SBV, welches den Verband auf die Problematik aufmerksam machte. Der nahm daraufhin Kontakt mit der RBS und der Gemeinde auf. Am 5. Juni 2018 fand die erste gemeinsame Begehung statt. "Es war gar nicht so einfach die Linien zu planen mit den Geleisen und Kurven. Damit Biegungen für Sehbehinderte und Blinde gut wahrgenommen werden können, sollten die Linien bei Abzweigungen rechtwinklig sein oder mindestens einen Winkel von 30 Grad haben", sagt Franziska Roggli von der Interessenvertretung des SBV im Kanton Bern.
Weisse und gelbe Linien
Die Leitlinien, auch Führungskette genannt, beginnen beim Altersheim und führen zuerst über die Bahnhofstrasse, dann über die Hauptstrasse zu den verschiedenen Perrons am Bahnhof. Neben der Anzeige am Gleisanfang der SBB wurde ein Pfosten mit grossem Knopf installiert. Auf Druck ertönt eine Stimme, welche die nächsten Abfahrtszeiten bekannt gibt. Dem Betrachter am Bahnhof fällt auf, dass das Liniennetz am zweifarbig ist. Der Hauptweg ist mit weisser Farbe gekennzeichnet. Die gelben Linien funktionieren wie ein Fussgängerstreifen. Die befinden sich überall dort, wo Auto, Velo, Tram und Postauto verkehren und man nicht stehen bleiben sollte.
Viele Sehbehinderte können die Farbe durchaus wahrnehmen. "Es gibt so viele Variationen und Stufen von Sehbehinderungen. Ein System, das für jedes Individuum perfekt ist gibt es nicht. Aber ich denke, dass wir eine gute Lösung hier in Worb gefunden haben und ich erhielt bereits positive Rückmeldungen", sagt Roggli. Sehbehinderte und Blinde sind eine klare Minderheit. Franziska Roggli sind einige in Worb wohnhafte Personen bekannt, auch solche, deren Arbeitsweg über den Bahnhof Worb dorf führe. Mit den getroffenen Massnahmen hat die Gemeinde jetzt schon für das 2024 in Kraft tretende Behindertengleichstellungsgesetz Vorarbeit geleistet. Darin wurde der Bundesrat verpflichtet, ein behindertengerechtes öffentliches Verkehrssystem sicherzustellen.
Bewusstsein in der Bevölkerung
Die neuen Linien haben auch auf die Sehenden einen positiven Effekt, der wahrscheinlich eher unterbewusst stattfindet. Es konnte schon öfters beobachtet werden, wie Fussgänger automatisch den Linien entlanglaufen statt quer über den Platz, wo sie aus Unachtsamkeit vor fahrende Trams und Postautos treten könnten", erzählt Roggli. Allerdings sei das Bewusstsein der meisten Leute für die Blindenmarkierungen noch ausbaufähig. Einige würden nicht aus dem Weg gehen, andere stellen ihr Gepäck auf die Leitlinien. Franziska Roggli ist allerdings optimistisch für die Zukunft und meint eine Verbesserung im Verhalten zu beobachten.