Schlosswil - Mosten für neue Obstbäume
Die Zeit des Süssmostes auf den Bauernhöfen ist längst vorbei, könnte man meinen. Doch es gibt ein Dorf, das sich Jahr für Jahr zum Mosten trifft.
Für die Moschtete in Schlosswil schnürt sich Obstbauer Walter Bärtschi den Lederschurz um, zieht die Plastikhandschuhe an und legt den kleinen Schalter um. Schon beginnen vier Bänder laut knatternd zu rotieren. Die Gespräche an den Holzbänken verstummen, die Köpfe drehen sich um, ein Junge ruft: «Schau, Mama, jetzt fängt es wieder an!»
Mädchen und Buben drängen sich in die vorderste Reihe hinter das Absperrband, die Älteren nähern sich mit einem Glas Apfelchampagner in der Hand der angerosteten Maschine. Die Bänder drehen jeweils um zwei Achsen und pressen so die Äpfel im Holztrichter nach unten und durch eine Raffel.
Unten platschen aus dem Trichter Obstmusstreifen. Einige davon landen auf der Jacke eines Buben, der überrascht zur Seite springt. Um dann weiterzuverfolgen, wie Bärtschi den Behälter nimmt und das Mus auf einem Holzbrett in ein Tuch packt. Zum Schluss dreht sich eine Holzplatte herunter und presst die Tücher zusammen – der Süssmost tröpfelt heraus.
Mit Pferden von Hof zu Hof
Längst hat Bärtschi diese antike Moschti in seiner Mosterei durch eine Siebhandpresse ersetzt. Noch bis 1999 zog er mit der antiken Moschti von Hof zu Hof – anfangs gezogen von Pferden, später vom Traktor. Halt machte er auch hier beim Hof von Gastgeber Hans Stucki. Dieser sagt: «Da hinten haben wir einmal im Jahr 400 Liter Süssmost und 100 Liter Suure Moscht gepresst.»
Beim Grossverteiler eine Flasche Mineralwasser zu kaufen, lag vor 40 Jahren nicht drin, und der Melker, der Knecht für die Säue sowie die zwei Lehrlinge brachten einen grossen Durst zusammen. «Es kam vor, dass der Suure Moscht ein bisschen einfuhr», erinnert sich Stucki. Heute verarbeitet er nur noch einen kleinen Teil seines Obstes zu Süssmost. Auf dem Betrieb ist bloss ein Lehrling angestellt, das Getränkeangebot beim Detailhändler ist gross.
Deswegen wurde in Schlosswil fast die Hälfte der knapp 4000 Apfelbäume zwischen 1951 und 1991 gefällt. Mit der Ortsplanungsrevision 1997 und dem Ziel, das Landschaftsbild zu schützen, entstand die Idee der Moschtete. Daniel Strahm vom OK sagt: «Wir möchten die Leute damit auf die abnehmenden Hochstammobstbäume aufmerksam machen, die hier das Landschaftsbild prägen.»
Mit dem Konsum von Süssmost könne der Erhalt der Bäume gefördert werden. Denn wegen des grossen Aufwands lohnt es sich für die Landwirte immer weniger, die Bäume stehen zu lassen. Doch Strahm stellt ein Umdenken fest: «Heute pflanzen sie wieder vermehrt einen Jungbaum an, wenn ein überalterter gefällt wird.»