Schlosswil - «In den Bergen zählt nur der Moment, der nächste Schritt»

Sie leben ihren Traum, Ina Radermacher und Michael Hartwig. Auf jedem Kontinent wollen sie den höchsten Berg besteigen, zudem den Nord- und Südpol erreichen. In Vorträgen möchten sie dazu motivieren, Träume umzusetzen.

Silvia Ben el Warda-Wullschläger / Wochen-Zeitung

 Wenn es einen Ort gibt, an dem sich Ina Radermacher und Michael Hartwig wohl fühlen, dann in den Bergen. «Dort finde ich zu mir selbst und gewinne Abstand zum Alltag. In den Bergen, insbesondere in extremen Höhen, ist man unglaublich langsam unterwegs. Ein Schritt, zweimal atmen, und wieder ein Schritt. Das ist wie Meditation. Nur der Moment zählt.» So umschreibt Ina Radermacher die Faszination von Hochgebirgstouren. Seit zwei Jahren wohnen sie und ihr Partner Michael Hartwig in Schlosswil, geniessen die Ruhe, die schöne Umgebung und den Blick auf sechs Viertausender.

«Wir fühlen uns wohl hier», betonen die 34-jährige Mentaltrainerin und der 43-jährige Physiotherapeut. Um der Bevölkerung ihr Projekt näher zu bringen, planen sie an ihrem Wohnort und in Langnau – dem Arbeitsort von Michael Hartwig – Vorträge (siehe Textende). Im Mai werden sie dann in Deutschland, ihrem Heimatland, unterwegs sein.

Seinen Traum verwirklichen

In den Vorträgen geht es den beiden um mehr, als von ihrer letzten grossen Tour, der Besteigung des Aconcagua in Südamerika, zu berichten oder von ihrem Projekt (siehe Kasten) zu schwärmen. Sie wollen etwas in den Zuhörern und Zuschauerinnen berühren. «Jeder Mensch hat einen Traum und bringt auch die nötigen Ressourcen mit, um ihn zu erfüllen», ist Ina Radermacher überzeugt. «Viele Menschen fühlen sich gefangen: berufliche, finanzielle und familiäre Verpflichtungen können drücken und beengen. Dennoch liegt es an jedem einzelnen zu entscheiden, wie er sein Leben gestalten will.» Damit meint die Betriebswirtschafterin nicht, dass jeder seine Sachen hin-
schmeissen und nur noch seinem Traum nachleben soll.

Aus eigener Erfahrung weiss sie, dass es harte Arbeit bedeuten kann, den eigenen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. «Es ist wichtig, einen Schritt nach dem anderen zu tun. Das Ganze ist ein Prozess, der länger dauern kann, ähnlich wie das Besteigen eines Berges.» Mit ihrer Firma «Outdoor-Xdream» bieten Radermacher und Hartwig Kurse und Seminare im Bereich Personalcoaching und Mentaltraining an. «Wir motivieren und unterstützen unsere Kunden bei der Verwirklichung ihres Ziels, ihres Traums.»

Sieben Gipfel und zwei Pole

Ihren Traum, die höchsten Gipfel aller Kontinente zu besteigen, hegt Ina Radermacher bereits seit 2006. Michael Hartwig dagegen träumte davon, den Nord- und Südpol vom Festland aus auf Skiern zu erreichen. Weil beide sich auch mit der Idee des andern anfreunden konnten, starteten sie das Projekt «7 Summits & 2 Poles». 2007 bestiegen sie den Kilimandscharo in Tansania, 2008 den Elbrus in Russland und Anfang dieses Jahres den Aconcagua in Argentinien. Im November folgt die Besteigung des Mount Vinson in der Antarktis und gleichzeitig die Durchquerung der Antarktis über den Südpol. Michael Hartwig freut sich besonders auf diese Expedition. «Die unendliche Weite und die Einsamkeit, das Ausgesetztsein, werden die grössten Herausforderungen sein.

Dazu kommt natürlich das extreme Klima.» Es sei wichtig, sich bereits jetzt intensiv mit dem Südpol auseinanderzusetzen. «Wir lesen sehr viel darüber. Und wir überlegen bereits jetzt, wie viel Fett wir uns vorher anessen müssen, wie viele Kalorien wir pro Tag benötigen, wie viele Kilos wir ziehen werden.» Während des Sommers halten sie sich mit Kletter- und Hochgebirgstouren im Wallis fit, die sie als Mentaltrainer begleiten. Zwei Monate vor dem Start beginnt dann das Intensivtraining, vor allem mit Lasten tragen und ziehen.

Das Geld als grösste Hürde

Mit zur Vorbereitung gehört auch die Mittelbeschaffung; allein die Reise an den Südpol kostet 60’000 Franken. «Das übersteigt unsere finanziellen Möglichkeiten. Wir sind also auf Sponsoren angewiesen», sagt Ina Radermacher. Sich selber zu vermarkten, brauche Überwindung, doch gehörten oft auch schwierige und unangenehme Erfahrungen zur Verwirklichung eines Traums. Das nötige Geld beschaffen zu können, bezeichnen die beiden denn auch als grösste Herausforderung ihres Projektes. «Wir müssen uns klar werden darüber, welches Potenzial wir haben und welches Zielpublikum wir ansprechen können. Wir können ja nicht unseren Traum verkaufen, sondern müssen mit Fakten aufwarten.» Ina Radermacher und Michael Hartwig sind guten Mutes, auch diesen «Berg» zu überwinden. Wenn alles klappt, wollen sie das Projekt «7 Summits & 2 Poles» im Jahr 2013 abschliessen. Danach, verrät Ina Radermacher, werde langsam ein anderer Traum in den Vordergrund rücken: den nach einer Familie.

[i] Vorträge: Freitag, 15. April, 19.30 Uhr im Gemeindesaal Schlosswil. Mittwoch, 20. April, 19.30 Uhr im Hotel Hirschen Langnau. Der Eintritt ist frei

Sieben Gipfel, zwei Pole

Die jeweils höchsten Berge der sieben Kontinente werden als Seven Summits zusammengefasst. All diese Gipfel zu erreichen, gilt als besondere Herausforderung des Bergsteigens. Je nach Auslegung der Grenzen erfüllen unterschiedliche Berge diese Definition, so dass neun Gipfel in Frage kommen. Ina Radermacher und Michael Hartwig wählten folgende sieben Gipfel aus:
- Kilimandscharo, Afrika (2007)
- Elbrus, Europa (2008)
- Aconcagua, Südamerika (2010)
- Mount Vinson, Antarktis
- Mount Everest, Asien
- Denali (McKinley), Nordamerika
- Carstensz-Pyramide, Ozeanien
Weiter wollen die beiden auf Skiern zum Süd- und Nordpol.


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Erstellt: 14.04.2011
Geändert: 14.04.2011
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